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Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 9 in der NFL

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf Woche 9 in der NFL.
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3. Das Kader-Management der Rams: Mehr als frischer Wind

Es bringt immer etwas frischen Wind, wenn Teams neue Wege gehen.

Das können die Ravens sein, die entgegen aller Passing-Trends ihre Offense um ein Option Run Game aufbauen, und zwar nicht, weil sie zufällig da reinstolpern - wenngleich man die Art und Weise dieses 2018er Drafts im Nachhinein schon ein wenig in diese Richtung interpretieren könnte -, sondern weil sie bewusst in diese Richtung investiert und sich darauf ausgerichtet haben.

Vor einigen Jahren waren die Cleveland Browns das Team, das einen gezielten, radikalen Umbruch durchführte, seine wenigen guten Spieler weg tradete und Draft-Picks selbst dadurch hortete, dass man die Houston Texans von Brock Osweiler und dessen Vertrag befreite.

Aktuelle sind die Los Angeles Rams für mich dieses Team. Nicht, weil sie ein klarer Titelanwärter sind, sondern aufgrund der Art und Weise, wie dieser Kader zusammengestellt ist und wie er weiter zusammengestellt wird.

Der Trade für Von Miller war der jüngste aggressive Move einer Franchise, die seitdem Roger Goodell Jared Goff als Nummer-1-Pick im 2016er Draft verkündete, keinen Erstrunden-Pick mehr hatte. Die über die Jahre Erstrunden-Picks in Jalen Ramsey sowie in der vergangenen Offseason in Matt Stafford investiert hat.

Das waren keine zufälligen aggressiven Moves, die L.A. mal eben gemacht hat - im Gegensatz beispielsweise zu Seattles Trade für Jamal Adams, der genau so wirkt -, sondern die Rams haben einen klaren Plan: Sie schätzen ihre hohen Draft-Picks, und diese Spezifizierung ist entscheidend, gravierend anders ein als der Rest der NFL.

Draft-Kapital zu vergrößern ist immer noch ein guter Weg

Für die allermeisten Teams in der heutigen NFL ist der Erstrunden-Pick die wertvollste Ressource einer Offseason. Und während manche Teams diese Ressource auch gerne nutzen, um mehr Draft-Kapital durch Downtrades anzuhäufen - die Patriots waren über Jahre das Paradebeispiel dafür - so geht es doch in aller Regel eher darum, dieses "Lotterielos", bei dem die Chance auf einen Treffer am höchsten ist - in einen Leistungsträger möglichst auf Jahre hinaus umzuwandeln.

Und zunächst einmal würde ich hier klar zustimmen: Mehr Picks, insbesondere mehr Top-100-Picks, wären auch mein bevorzugter Weg, um den Kader in der mittel- und langfristigen Perspektive bestmöglich auszurichten.

Nichts ist in der NFL aus einer Roster-Building-Perspektive so wertvoll wie Starter auf einem Rookie-Vertrag, und wenn wir die Prämisse voraussetzen, dass über einen entsprechend großen Zeitraum kein Team signifikant besser oder schlechter draftet als das andere, ist es definitiv wichtig, mehr Chancen auf Treffer im Draft zu haben. Und: Statistisch betrachtet sinkt die Chance nach der ersten Runde, Starter zu finden, doch klar.

Die Idee, sein Draft-Kapital zu verbessern, ist grundsätzlich also der richtige Weg und mit der entsprechenden Geduld wird sich das auszahlen. Auch wenn vermutlich wenige Raiders- und Dolphins-Fans nach ihren jüngsten Erfahrungen dieser Aussage so direkt zustimmen würden.

Die Rams verschieben ihren gesamten Fokus

Aber was ist, wenn man seinen ganzen Fokus, die ganze Ausrichtung der Franchise verschiebt? Wenn man andere Parameter anwendet, wie beispielsweise: Wir denken, dass wir mit genügend Munition in der zweiten, dritten, vierten und fünften Runde genug Spieler finden, die einen Impact haben - und dass unsere Chancen darauf bei Pick 150 nicht dramatisch schlechter sind als bei Pick 50?

Im Kern zusammengefasst ist das der Ansatz der Rams. Denn es ist absolut falsch, zu sagen, dass L.A. den Draft in seinem Team-Building schlicht ignoriert. Die Rams haben im vergangenen Draft neun Spieler ausgewählt, 2020 waren es ebenfalls neun, 2019 waren es acht und 2018 elf. Auch im kommenden Draft wird L.A. trotz all der Trades mit Compensatory Picks vermutlich auf je eine Auswahl in den Runden 3,4 und 5 sowie mehrere Picks in den Runden 6 und 7 kommen.

Und der gesamte Scouting-Prozess ist darauf ausgerichtet. Mehr Fokus auf die mittleren Runden, um hier spezifisch Spieler zu finden, die eine Rolle innerhalb des Rams-Schemes ausfüllen können.

Cooper Kupp (3. Runde/2017), Van Jefferson (2/2020), Left Guard David Edwards (5/2019), Center Brian Allen (4/2018), Running Back Darrell Henderson (3/2019), Defensive Tackle Sebastian Joseph-Day (6/2018), Safety Jordan Fuller (6/2020), Cornerback David Long (3/2019) - das sind größtenteils keine Superstars, und vermutlich für viele Nicht-Rams-Fans weitestgehend kein großer Begriff. Aber es sind Starter für dieses Rams-Team, die die Strategie versinnbildlichen, welche Los Angeles fährt.

Die Strategie der Rams ist nachhaltiger als sie wirkt

Und ein fairer Kritikpunkt hier ist definitiv: Ist es nicht riskanter, sich auf Treffer an Tag 2 und Tag 3 des Drafts zu verlassen? Was, wenn die Rams mal einige Jahre weniger Draft-Glück haben, stürzt dann das Kartenhaus nicht ein? Der Top-Heavy-Kader wird dann irgendwann finanzielle Probleme bereiten und zu viele Positionsgruppen werden klare individuelle Schwachstellen entwickeln, oder?

Ja, dieses Risiko besteht. Gerade was die finanzielle Struktur dieses Teams angeht, sehen wir in gewisser Weise schon jetzt die Folgen. Von Miller kostete die Rams einen Zweit- und Drittrunden-Pick im kommenden Draft, weil L.A. dessen ausstehendes Gehalt von knapp zehn Millionen Dollar nicht unterbringen konnte. Die Broncos bezahlen den Pass-Rusher nahezu komplett für den Rest des Jahres, dafür mussten die Rams deutlich mehr Draft-Kapital auf den Tisch legen.

Aber die Strategie der Rams ist für mich trotzdem valide und nicht das reine Öffnen und aggressive Bespielen eines Titelfensters - ein Risiko besteht letztlich natürlich auch bei jedem First-Round-Pick. Weil Los Angeles nicht einfach sein Premium-Draft-Kapital weg tradet und dann den Rest des Drafts regulär angeht, sondern weil sie ihre Trefferchancen in der dritten, vierten, fünften Runde erhöhen und sich als Franchise auch darauf ausrichten.

So gesehen sind die Rams ähnlich anfällig für "Draft-Dürreperioden" wie Teams, die mehr Top-100-Picks ansammeln oder auch wie Teams, die den Draft ganz normal spielen. Und man könnte sogar argumentieren, dass die bewiesenen Superstars, welche L.A. sich mit seinen Top-Draft-Ressourcen einkauft, dem Team im Vergleich einen höheren Floor geben und so die Tatsache, dass die Rams grundsätzlich im Liga-Vergleich eine geringere Starter-Trefferchance haben als Teams mit Erstrunden-Pick, mehr als nur ausgleichen.