Ex-Düsseldorf-Boss und DFB-Vorstand Robert Schäfer: "Fußball zerstreitet sich mit Argumentationen, die aus der Zeit gefallen sind"

Robert Schäfer war drei Jahre lang Vorstandsvorsitzender bei Fortuna Düsseldorf.
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Ahnten Sie damals irgendwie, dass Sie das langfristig wohl nicht überleben könnten?

Schäfer: Nein. Ich hatte anschließend nicht das Gefühl, dass es für mich eng würde. Wir hatten diese Entscheidung mit allen im Aufsichtsrat abgestimmt, mit dem Vorsitzenden sogar nach jeder Gesprächsrunde mit Friedhelm. Es war keine isolierte Entscheidung von Lutz Pfannenstiel oder mir. Dadurch, dass wir bereits am nächsten Morgen die Gespräche wieder aufnahmen und es schließlich innerhalb von Tagen gelöst hatten, war für mich klar: Das war zwar nicht gut, aber es gibt auch keinen Grund, daraus nun etwas gegen mich zu konstruieren.

Wie sind Sie persönlich damit umgegangen, plötzlich als der Buhmann der Fans dazustehen? Auch deutschlandweit gab es ja viel Kritik.

Schäfer: Ich habe, auch öffentlich, die Verantwortung übernommen. Die Heftigkeit der Reaktionen hat mich schockiert. Gerade wenn man sich überlegt: Wir wollten mit unserem Trainer verlängern und das führte dann dazu, dass ich nach der Rückkehr aus dem Trainingslager unter Polizeischutz den Flughafen verlassen musste. Das hat Eindruck hinterlassen und ist nicht spurlos an mir vorübergegangen. Ich habe viel darüber nachgedacht und diese gesamte Zeit auch mit Hilfe eines Coachings aufgearbeitet. Das war unheimlich wertvoll für mich.

Neben der Zeit in Düsseldorf endete für Sie auch das Engagement bei der DFL, wo Sie von September 2016 bis August 2019 Aufsichtsratsmitglied waren. Weshalb?

Schäfer: Man wird auf drei Jahre gewählt, so dass dieser Turnus abgeschlossen war. Ich konnte nicht wiedergewählt werden, da ich kein Vereinsrepräsentant mehr war. Deshalb endete auch meine Mitgliedschaft im Vorstand des DFB. Ich bin aber seit mittlerweile sechs Jahren Mitglied der Kommission für Sicherheit, Prävention und Fußballkultur. Das ist eine der Fachkommissionen des DFB, die das Präsidium zu Themen wie Fans, Sicherheit und Stadien berät und beispielsweise den Pyroversuch des HSV zu Beginn des Jahres freigegeben hat.

Robert Schäfer bejubelt im Mai 2018 zusammen mit Jean Zimmer Düsseldorfs Aufstieg in die Bundesliga.
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Robert Schäfer bejubelt im Mai 2018 zusammen mit Jean Zimmer Düsseldorfs Aufstieg in die Bundesliga.

Wie blicken Sie - nun als ehemaliges DFL-Mitglied - auf das sogenannte G15-Treffen der Bundesligaklubs, bei denen jene Vereine nicht eingeladen wurden, die sich in den vergangenen Wochen mit eigenständigen Ideen zur Verteilung der Gelder aus Übertragungsrechten eingebracht hatten?

Schäfer: Der Profifußball tut sich keinen Gefallen, insbesondere in diesen Zeiten, sich in konkurrierenden Zirkeln zu treffen und so öffentlich Konflikte auszutragen. Das ist kontraproduktiv und führt nur dazu, dass die Akzeptanz des Fußballs verlorengeht und sich die Menschen mehr von ihm entfernen.

Welche konkreten Sorgen machen Sie sich dabei?

Schäfer: Meine Sorge ist eine übergeordnete - unabhängig von Details wie beispielsweise der Frage, ob durch die zu verteilenden Summen Wettbewerbsgleichheit innerhalb der Bundesligen hergestellt werden kann. Denn die großen Vereine sind ja eigentlich schon so weit weg, dass das auch nichts großartig verändern würde. Mir geht es vor allem um das Solidaritätssignal. Wenn man Konflikte hat, dann muss man sie hinter den Kulissen austragen. Und wenn man dabei an den Punkt kommt, dass die Solidarität unter den Vereinen in Gefahr gerät, dann muss man zurückstecken - und zwar um der Solidarität der Vereine willen.

Gerät denn durch die aktuellen Debatten die Solidarität in Ihren Augen in Gefahr?

Schäfer: Ich plädiere dafür, dass man eine Position nicht durch Instrumentalisierung der Medien oder Öffentlichkeit durchboxen sollte, die man in den Gremien nicht durchgesetzt bekommt. Das ist ein Hinwegsetzen über Strukturen und leider auch ein Phänomen, das mittlerweile auch in der Politik Einzug gehalten hat. Wenn ich merke, dass ich meine Position nicht durchgesetzt kriege, dann muss ich es auch akzeptieren. Momentan umso mehr, um auch ein Zeichen an die Bevölkerung zu senden und zu zeigen, dass es nicht um Egoismen, sondern um Zusammenhalt geht.

Robert Schäfer: "Superliga kein abstraktes Drohszenario mehr"

Noch zu Beginn der Corona-Krise demonstrierten die Vereine diesen Zusammenhalt. Nun - obwohl diese Krise ja anhält - bekommt man durch die derzeitige Auseinandersetzung den Eindruck, als sei die damalige Solidarität nur vorgegaukelt gewesen.

Schäfer: Ich kann den Eindruck nachvollziehen, glaube aber, dass es nicht so war. Die Solidarität im Fußball, dass die Großen zusammen mit den Kleinen in einer Liga sind, ist anstrengend, sie driftet auseinander und muss sich immer wieder neu zusammenfinden. Sie ist aber ein Wert an sich. Denn in dem Moment, in dem sich die großen Vereine in eine Superliga verabschieden - und das ist kein abstraktes Drohszenario mehr -, ist das für alle Beteiligten schlechter. Es wäre ein falscher Schluss, wenn man dies dann einfach hinnehmen würde.

Man konnte in den vergangenen Jahren ohnehin bemerken, dass die Struktur, die sich die DFL mit den einzelnen Aufgabenfeldern einmal gegeben hat, immer weiter erodiert. Während der Fußball die Öffentlichkeit mit dem Konflikt um die TV-Gelder beschäftigt, solidarisieren sich andere Branchen in der Corona-Krise.

Schäfer: Genau. Burger King sagt, man solle McDonalds unterstützen. Der Fußball zerstreitet sich stattdessen mit Argumentationen, die vielleicht vor einem Jahr noch aktuell waren, nun aber aus der Zeit gefallen sind. Ich habe als Vertreter der 2. Liga im Aufsichtsrat der DFL an den Diskussionen teilgenommen, als es um die letzte Verteilung der TV-Gelder ging und wir erreichen wollten, dass die 20 Prozent, die die 2. Liga erhält, weiterhin Bestand haben. In der damaligen Zeit, in der es allen gutging, konnte man diese Debatten führen. Jetzt in dieser Zeit schlage ich vor, dass gerade nicht mehr zu tun. Es kommt beispielsweise bei Restaurantbesitzern oder Künstlern nur sehr bedingt Sympathie auf, wenn der Fußball darum streitet, wie vier Milliarden Euro verteilt werden.

Wie also soll die Frage nach einer möglichen neuen Verteilung der Gelder beantwortet werden?

Schäfer: Bei der Gründung der DFL wurde das Präsidium bewusst mit dieser Aufgabe betraut, weil man genau eine Situation wie die aktuelle verhindern wollte. Das Präsidium ist so besetzt, dass es alle Interessenlagen des Fußballs abbildet. Ich bin dafür, dass es dort entschieden wird und dann sollen das alle Vereine akzeptieren, weil sie einst genau dieser Struktur zugestimmt haben. Wenn ihnen die Struktur nicht mehr gefällt, dann müsste man hier eine Änderung herbeiführen.

Hat denn der Schlüssel zur Verteilung der TV-Gelder Ihrer Meinung nach etwas mit dem Argument zu tun, der Wettbewerb in der Bundesliga sei nicht mehr spannend?

Schäfer: Nicht unbedingt. Man kann aber gerne darüber nachdenken, wie der Wettbewerb spannender wird.

Sie halten den Verteilungsschlüssel also für fair?

Schäfer: Ja, denn die Vereine profitieren davon. Der wichtigste Punkt ist, dass sportlicher Erfolg belohnt und den Vereinen, die aufsteigen, die Möglichkeit gegeben wird, sich zu etablieren. Siehe aktuell Union Berlin oder uns früher bei Fortuna Düsseldorf. Auch bei Darmstadt 98 haben die zwei Jahre Bundesliga ermöglicht, dass der Verein anschließend substanzieller war.