NFL

West Coast, Air Raid und Co.: Die Offense-Schemes aller 32 Teams vor Saisonstart im Überblick

lance
© imago images
Cookie-Einstellungen

Las Vegas Raiders

Stat to Know 2021: Als einziges Team ligaweit hatten die Raiders letztes Jahr unter allen Receivern mit mindestens 35 Targets drei Spieler in der Top 10 in puncto durchschnittliche Target-Tiefe: Henry Ruggs, Bryan Edwards und Zay Jones. Alle drei sind nicht mehr im Team, bleibt die Offense dennoch vertikal? Oder entsteht um Adams, Waller und Renfrow eher eine Timing-Kurzpass-Offense?

Offense Grundlage 2022: Erhardt-Perkins Offense

Mit Josh McDaniels erhält auch ein offensiver Paradigmenwechsel Einzug. Von Jon Grudens West Coast Offense hin zur Erhardt-Perkins Offense, welche die Patriots-Offense über die letzten 20 Jahre geprägt hat. Das bedeutet, dass sich auch die Terminologie der Offense signifikant ändert, und aus einzelnen, designierten Routes werden übergreifende Konzepte. Das mit einem vielseitigen Waffenarsenal wie es die Raiders haben sollte das McDaniels und Quarterback Derek Carr jede Menge Möglichkeiten geben, um Matchups zu forcieren und um Defenses auf dem falschen Fuß zu erwischen. Spieler werden viel herumgeschoben werden, und Defenses werden gezwungen, sich anzupassen. Zwei kritische Fragen stehen hier im Raum: Ist die Offensive Line gut genug? Und wie schnell gelingt Carr und Co. nach Jahren in der West Coast Offense die Umstellung?

Los Angeles Chargers

Stat to Know 2021: Justin Herbert warf letztes Jahr lediglich 9,5 Prozent seiner Pässe tief, also mindestens 20 Yards das Feld runter. Einzig Matt Ryan, Jared Goff (beide 9,1 Prozent) und Ryan Tannehill (9,4 Prozent) bewegten sich noch darunter.

Offense Grundlage 2021: Kurzpass-Variante der West Coast Offense

Von 2020 auf 2021 war schematisch eine klare Umstellung zu sehen - eine Umstellung, die ich hier an gleicher Stelle letztes Jahr vermutet hatte: Von der "Checkdown oder Touchdown"-Offense unter Shane Steichen hin zu einer Offense, die unter Joe Lombardi ganz im Stile der Drew-Brees-Saints-Offenses viel mehr Fokus auf das Kurzpassspiel legte. Die Route-Heat-Maps unterstreichen das deutlich, und auch Herberts Quote an tiefen Pässen ging von 11,3 Prozent auf 9,5 Prozent runter. Stattdessen fand viel mehr Underneath und in der 0-9-Yard-Range statt, folgerichtig sah Austin Ekeler 88 Targets, gefolgt von Tight End Jared Cook (79) auf dem Team-internen vierten Platz. Noch nicht ganz so präsent war die Personnel-Vielfalt, die Sean Paytons Saints-Offenses stets auszeichneten. Erhält das noch Einzug? Oder werden 3-Receiver-Sets eher noch prominenter? Und gelingt es den Chargers, schematisch noch mehr auf Big Plays zu gehen und Herberts Arm noch besser einzusetzen?

Los Angeles Rams

Stat to Know 2021: Die Rams sind zurück auf dem 11-Personnel-Thron: 86 Prozent der Snaps verbrachte die Offense letztes Jahr mit einem Back, einem Tight End und drei Receivern auf dem Feld, mit Abstand der höchste Wert in der NFL und deutlich über dem Liga-Schnitt für 11-Personnel (61 Prozent). Mit 8,4 Yards pro Pass aus 11-Personnel lagen die Rams fast 1,5 Yards über dem Liga-Schnitt (7,1).

Offense Grundlage 2022: Flexibler Hybrid aus West Coast und Spread Offense

Man konnte der Rams-Offense im Laufe der vergangenen Saison förmlich dabei zuschauen, wie sie sich weiterentwickelt hat. Während McVay über die Jahre von seinen 11-Personnel-Aufstellungen weg gehen musste, mehr 2-Tight-End-Sets einbaute und durch ligaweite defensive Entwicklungen gezwungen war, das Play-Action-Passspiel zunehmend weniger vertikal aufzuziehen, wurden die Limitierungen von Jared Goff immer deutlicher. Der Trade für Matt Stafford war dementsprechend eine logische Konsequenz, und McVay öffnete seine Offense prompt auch zum Start der Saison. Mehr Spread-Elemente, mehr Shotgun, weniger Play Action, die Rückkehr der 11-Personnel-Sets - es war eine andere Offense. Die musste sich noch einpendeln, doch pünktlich zu den Playoffs war sie in Topform. Mit Kupp als Inside-Receiver, der blocken kann, aber auch die Liga in Yards, Catches und Receiving-Touchdowns anführte. Mit Odell Beckham, der als isolierter X-Receiver defensive Coverage-Strukturen diktierte. Und mit einem Quarterback, dessen Arm und dessen Augen das ganze Feld öffneten. Das Super-Bowl-Jahr war die Saison, in der McVay am weitesten von seinen Shanahan-Wurzeln weg ging und es wird spannend sein zu sehen, wie er seine Offense weiter entwickelt.

Miami Dolphins

Stat to Know 2021: Die Dolphins waren in der vergangenen Saison das einzige Team, das drei Spieler in der ligaweiten Top 10 hatte was individuell zugelassene Pressures angeht. Zwei davon - Liam Eichenberg und Austin Jackson - dürften auch in der kommenden Saison starten.

Offense Grundlage 2022: West Coast mit Heavy Bootleg Play Action

Die vergangene Saison muss man aus Sicht der Dolphins-Offense weitestgehend vergessen. Hinter einer desolaten Offensive Line ersetzte das extreme Quick Passing Game mitunter das Run Game, die Offense war auf Gadgets und Run Pass Options aufgebaut. Das soll jetzt alles anders werden: Mike McDaniel kommt aus San Francisco und bringt die Shanahan-Offense mit, mit Jaylen Waddle und Tyreek Hill haben die Dolphins mehr Wide-Receiver-Speed als irgendein anderes Team. Wird sich das auch in einem vertikalen Passspiel bemerkbar machen? Oder sprechen wir mehr von hoher Target-Volume und Yards nach dem Catch? In jedem Fall wird Tua deutlich konstanter in der Mitte des Feldes den Ball verteilen müssen als zuletzt. Auch in puncto Personnel-Groupings wird es anders aussehen: Mit weitem Abstand führten die Dolphins die Liga letztes Jahr in 12-Personnel-Nutzung an: 61 Prozent der Dolphins-Offense fanden darin statt, kein anderes Team lag über 30 Prozent und der Liga-Schnitt bewegte sich bei lediglich 21 Prozent. Daraus waren die Dolphins extrem Kurzpass-lastig, mit 6,5 Air Yards pro Pass. In 21-Personnel dagegen spielte Miami ganze 10 Snaps - es ist klar davon auszugehen, dass die Dolphins deutlich mehr 21, mit dem Fullback auf dem Feld, sowie 11-Personnel spielen werden als letztes Jahr, auf Kosten der 2-Tight-End-Sets. Der Fullback wurde in Person von Alec Ingold längst verpflichtet.

Minnesota Vikings

Stat to Know 2021: Justin Jefferson war der einzige Receiver in der NFL letztes Jahr, der in der Regular Season über 130 Targets sah und dabei eine durchschnittliche Target-Tiefe von mehr als 12 Yards verzeichnete. Mit einer Tiefe von im Schnitt 13,3 Yards wurde Jefferson angespielt.

Offense Grundlage 2022: Moderne Interpretation der West-Coast-Play-Action-Offense

Eine 180-Grad-Wende erwarte ich in Minnesota auch nach dem Trainerwechsel nicht, zumindest nicht auf der offensiven Seite des Balls. Was vorher Kubiak-geprägt war, wird jetzt unter Kevin O'Connell McVay-geprägt sein; beides stammt ursprünglich aus dem Shanahan-Tree. Aber was ich erwarte, ist eine deutlich modernere Auslegung der gleichen Grundstruktur. Weniger mit der Idee, dass sich alles auf das Run Game stützt und weniger statisch. Mehr Motion, mehr 11-Personnel, flexiblerer Umgang insbesondere mit den Wide Receivern. Justin Jefferson deutete das bereits an, er könnte - ähnlich wie Cooper Kupp in Minnesota - deutlich mehr Snaps im Slot erhalten, eine Rolle, die er im College bei LSU bereits hatte. Das Run Game wird immer noch eine wichtige Komponente der Offense sein, doch mehr als Ergänzung zum Passspiel. Umso wichtiger wird es sein, dass die Vikings - analog zu den Rams - in der Lage sind, auch aus 3-Receiver-Sets den Ball effizient zu laufen.

New England Patriots

Stat to Know 2021: Damien Harris führte die Liga laut PFF in der vergangenen Saison in Gap-Scheme-Runs an, mit 143 - bei lediglich 43 Zone-Runs. Auf dem siebten Platz folgte New Englands Nummer-2-Back Rhamondre Stevenson mit 99 Gap-Scheme-Runs. Falls die Patriots tatsächlich Richtung Zone-Blocking-Offense tendieren, wäre das in puncto Blocking-Scheme fast eine 180-Grad-Drehung.

Offense Grundlage 2022: Zone-Blocking "McVay Style"-Offense

Es ist keineswegs als Floskel zu verstehen, wenn ich hier sage: Viele eurer Tipps sind so gut wie meiner. Die Patriots haben keinen Offensive Coordinator, auch wenn wir an diesem Punkt relativ sicher wissen, dass Matt Patricia der offensive Play-Caller sein wird. Die Erhardt-Perkins Offense, die seit vielen Jahren in New England der Standard war und bis zuletzt auch unter Josh McDaniels gespielt wurde, scheint der Vergangenheit anzugehören. Wenn die Berichte aus dem Training Camp zutreffen, hatte die Patriots-Offense eine auffällig holprige Saisonvorbereitung - und das nicht zuletzt, weil die Patriots wohl ein neues offensives Scheme einstudieren. Berichten zufolge soll mehr Zone-Blocking Einzug erhalten, wir wissen nicht zuletzt durch die Aussagen von Jakob Johnson, der mit McDaniels zu den Raiders ging, dass der Fullback keine Rolle mehr spielen soll. Mehr Bunch-Formations, mehr ... McVay? So zumindest lassen sich die Berichte interpretieren. Es wäre ein hochspannender und dramatischer offensiver Wechsel, und das ohne einen Coach aus diesem Coaching-Tree verpflichtet zu haben. Doch es scheint in diese Richtung zu gehen - aber wie gesagt: Hier sind eure Prognosen vermutlich nicht besser oder schlechter als meine.