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West Coast, Air Raid und Co.: Die Offense-Schemes aller 32 Teams vor Saisonstart im Überblick

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Carolina Panthers

Stat to Know 2021: Bei tiefen Pässen (mindestens 20 Yards Downfield) servierte Sam Darnold laut PFF nur 30 Prozent seiner Pässe akkurat, also "on target" - zwölf Prozentpunkte unter dem Liga-Schnitt. Auch seine Touchdown-Quote (2,5 Prozent - Liga-Schnitt: 9,4 Prozent) sowie sein Passer Rating (42,5 - Liga-Schnitt: 92,7) fallen dramatisch ab. Hier sollte Mayfield ein klares Upgrade darstellen.

Offense Grundlage 2022: Flexible, Up-Tempo West Coast

Vor einem Jahr hatte ich noch darüber gerätselt, wie die Offense im zweiten Jahr unter Joe Brady aussehen könnte. Mittlerweile ist er längst gefeuert, Ben McAdoo wurde eingestellt, und McAdoo wird in jedem Fall mit einer besseren Offensive Line und einem besseren Quarterback an den Start gehen als sein Vorgänger. Wenn wir McAdoos vergangene Offenses anschauen, wird deutlich, dass er gerne mit 3-Receiver-Sets arbeitet und dass seine Offense wenig mit Formationen - etwa einem Fullback oder unerwarteten Spielern im Backfield - überrascht. McCaffrey könnte hier noch am ehesten der X-Faktor und Matchup-Spieler sein, aber hier kommt der Knackpunkt ins Spiel: Die Offenses, die wir von McAdoo kennen, sind eher auf der statischen Seite mit klarem Fokus auf das Dropback Passing Game. Baker Mayfield allerdings ist dann am besten, wenn er Under Center auch gerne aus 2- oder 3-Tight-End-Sets und mit einer kräftigen Dosis Play Action arbeiten kann. Bekommt McAdoo das alles unter einen Hut? Und wie lange dauert dieser Prozess?

Chicago Bears

Stat to Know 2021: Kein Quarterback stand letztes Jahr so viel unter Druck wie Justin Fields, der bei satten 42,8 Prozent seiner Dropbacks mit Pressure klarkommen musste. Zumindest teilweise war das aber auch selbstverschuldet: Fields hielt den Ball im Schnitt 3,08 Sekunden, der dritthöchste Wert unter allen Quarterbacks mit mindestens 200 Dropbacks.

Offense Grundlage 2022: West Coast mit Heavy Bootleg Play Action

Luke Getsy ist der neue Offensive Coordinator in Chicago, und Getsy hat einen klaren West-Coast-Offense-Hintergrund: Nach vier Jahren in Green Bay unter Mike McCarthy kehrte er nach einjähriger Abwesenheit unter Matt LaFleur prompt nach Green Bay zurück, und die Vermutung ist, dass er eine Version der Shanahan-/McVay-Offense spielen lassen wird. Die Bears haben Offensive Linemen verpflichtet, die dieses Scheme kennen - Riley Reiff etwa, oder Lucas Patrick - und Wide Receiver, die mit ihrer Größe und ihren Blocking-Kapazitäten auch innen agieren können, wie etwa Byron Pringle. Auch die Running Backs David Montgomery und Khalil Herbert passen exzellent in diese Offense. Die generelle Qualität in diesem Kader ist ein anderes Thema, strukturell dürfen Bears-Fans eine kräftige Dosis Zone-Run-Game und Play-Action-Rollouts erwarten - etwas, das auch zu Justin Fields gut passen sollte.

Cincinnati Bengals

Stat to Know 2021: Burrow war 2020 einer der ineffizientesten Deep-Passer in der NFL. Letztes Jahr führte er dann die Liga in der Regular Season in Deep-Passing-Touchdowns an, mit derer 13. Allein sieben Go-Route-Touchdowns fing Rookie Ja'Marr Chase, der diese Offense transformiert hat.

Offense Grundlage 2022: Die "Playmaker"-Variante der Shanahan-Offense

Zac Taylors Coaching-Wurzeln und schematische Prägungen sind kein Geheimnis; er selbst spricht offen darüber, dass er sich schon zu Gary-Kubiak-Zeiten in die Offense der Houston Texans "verliebt" habe. Kubiak ist der direkte Draht zu Mike Shanahan, schematisch sprechen wir also einmal mehr über die Shanahan-Offense. Doch was letztes Jahr auffiel, war, dass die Bengals für diese Art Offense einfach nicht gemacht sind. Die Stärken des Teams liegen woanders, und je mehr Cincinnati im Laufe der Saison davon weg ging und stattdessen sich auf Burrow und die Playmaker stützte, desto gefährlicher wurde die Offense. Die Zahlen bestätigen das: Burrow hatte eine der niedrigsten Play-Action-Quoten ligaweit (20,1 Prozent), dennoch warf kein Quarterback mehr Interceptions als er bei Play-Action-Pässen (5). Wo Garoppolo (+6,5 Prozent Completions, +2,3 Yards) oder Baker Mayfield (+7,8 Prozent Completions, +3,7 Yards) in den "echten" Varianten dieser Offense ihre Stats hochschrauben, warf Burrow den Ball im Schnitt zwei Yards tiefer und ging viel mehr auf die Big Plays, was auch dazu führte, dass seine Completion-Quote im Vergleich zum Dropback Passing Game deutlich runter ging. Die Bengals waren alles andere als eine klassische Shanahan-Offense, und es wird spannend sein zu sehen, in welche Richtung Taylor die Offense in der kommenden Saison entwickeln will. Es ist davon auszugehen, dass es ein Spagat zwischen verschiedenen Prioritäten bleibt.

Cleveland Browns

Stat to Know 2021: Vieles lief nicht rund für die Browns-Offense letztes Jahr - aber was immer noch klappte, war das Play-Action-Passspiel: Baker Mayfield warf den Ball via Play Action im Schnitt für 10 Yards pro Pass, der vierthöchste Wert ligaweit und 3,7 Yards mehr, als Mayfield ohne Play Action auflegte.

Offense Grundlage 2022: West Coast mit Heavy Bootleg Play Action

Ich halte es für durchaus möglich, dass die Browns - wenn Deshaun Watson dann irgendwann spielt - in ähnliche schematische Diskussionen geraten, wie sie die Bengals letztes Jahr hatten. Denn was Head Coach Kevin Stefanski spielen will, ist kein Geheimnis: Er kommt ganz klar aus der Kubiak-/Shanahan-Richtung, das ist auch glasklar die Offense, die Cleveland gespielt hat, seit er da ist. Mit einem Fokus auf der Offensive Line, dem Run Game, Play Action, dem Passspiel mehr als Komplementär-Stück. Selbstredend nimmt man nicht alles, was mit diesem Trade einhergeht, in Kauf, wenn man dann nicht die Offense auch maßgeblich um Deshaun Watson herum aufbaut. Und Stefanski hat auch schon angekündigt, dass sie Dinge einbauen werden, die bisher nicht in der Offense waren, um auf Watsons Qualitäten einzugehen. Wie genau das aussieht bleibt abzuwarten, aber Watson ist am besten, wenn er aus der Shotgun eine Passing-Offense dirigieren kann. Das jedoch ist nicht das, was Stefanski in erster Linie bevorzugt. Diese beiden Dinge unter einen Hut zu bringen ist nicht einfach, und nochmal: Der Blick auf die Vorsaison der Bengals könnte einige Parallelen aufzeigen.

Dallas Cowboys

Stat to Know 2021: Die Offense der Cowboys kann bisweilen etwas statisch daherkommen und zu wenig Fokus darauf legen, ihre besten Spieler in den Fokus zu rücken - das Playoff-Aus gegen die 49ers war ein Paradebeispiel dafür. Doch wenn die Offense rund läuft, sind Prescotts Qualitäten als Ballverteiler auf der anderen Seite herausragend. Ein Beispiel: Bei Third Down waren drei (!) Spieler gleichauf in Targets: CeeDee Lamb, Amari Cooper und Cedrick Wilson, mit 24.

Offense Grundlage 2022: Statischere West-Coast-Variante mit Fokus auf Formationen und Personnel Groupings

Die Cowboys sind in ihrer Grundstruktur unter Mike McCarthy klar in der West Coast Offense verwurzelt, und mit Prescott haben sie einen sehr guten Quarterback dafür. Extrem stark Pre-Snap, unheimlich konstant in seinen Reads, ein exzellenter Ballverteiler. Schnelle, gut getimte In-Breaking-Routes sind ein übergreifendes Thema, genau wie viele Out-Routes. Die Offense wird nahezu ausschließlich aus 11- und 12-Personnel gespielt. Wo McCarthy und Offensive Coordinator Kellen Moore noch mehr mit der Zeit gehen müssen, ist bei der Flexibilität und der Art und Weise, wie sie für ihre besten Receiver Matchups kreieren müssen. Nach dem Abgang von Amari Cooper - und während Michael Gallup noch nicht fit ist - wird es umso wichtiger sein, CeeDee Lamb schematisch noch mehr in den Mittelpunkt zu rücken.

Denver Broncos

Stat to Know 2021: Neu-Broncos-Quarterback Russell Wilson war in der vergangenen Saison einer der effizientesten Quarterbacks, wenn er Motion nutzen durfte, mit über 1.000 Passing-Yards, acht Touchdowns und nur zwei Picks. Die Seahawks nutzten Pre-Snap-Motion vergleichsweise wenig - unter Matt LaFleur und dem neuen Broncos-Coach Nathaniel Hackett kam Aaron Rodgers in Green Bay deutlich häufiger in den Genuss von Motion. Könnte das ein Schlüssel sein, der Denvers Offense auch schon früh in der Saison auf die Sprünge hilft?

Offense Grundlage 2022: "Die Russell Wilson Offense"

"Ganz nach Russell Wilson" wolle er sich richten, "und nach den Dingen, die er mag". Das hatte Nathaniel Hackett im Frühjahr bereits angekündigt. Im Juni legte er nochmals nach, als er betonte, dass man gezielt an Scramble-Plays arbeite, und daran, Wilson Möglichkeiten geben zu wollen, wie er spät im Down seine Improvisationsfähigkeiten anbringen kann. Hackett sagte aber auch: "Es gibt zwei Arten von Quarterbacks, aber ich denke, sobald man in einem Präzisions-System wie dem unseren ist und beginnt, es zu verstehen und es lernt und den Spielern mehr vertraut, kann man den Ball schneller werfen und durch seine Progressions gehen." Hackett hat auch darüber gesprochen, wie seine Erfahrungen mit Aaron Rodgers ihn geprägt haben, dahingehend, dass man darauf eingehen muss, wie ein solcher Quarterback das Spiel sieht und wie sich das auf die Offense auswirkt. Allein diese Sätze hier unterstreichen, wie viele Fragezeichen die Broncos-Offense, bei all ihrem individuellen Talent, noch begleiten, und weshalb ich mir vorstellen kann, dass es einige Wochen dauert, ehe hier die Rädchen ineinander greifen. Eine schematische Prognose geht für mich in die Richtung, einer Offense, die einige Ähnlichkeiten zu der der Packers aufweist, aber mit einer weniger strikten Struktur und stattdessen mehr Freiheiten. Ob das am Ende aufgeht? Das liegt in erster Linie an Wilson, dessen Spiel das konstante Ballverteilen nie war und es vermutlich auch nicht werden wird - was jedoch eine Kernkompetenz von Rodgers in der LaFleur-Offense ist. Das Zusammenspiel zwischen Hackett und Wilson wird hochspannend zu beobachten.