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West Coast, Air Raid und Co.: Die Offense-Schemes aller 32 Teams vor Saisonstart im Überblick

lance
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Detroit Lions

Stat to Know 2021: Auf dem alleinigen letzten Platz beendete Jared Goff die vergangene Saison in puncto durchschnittliche Target-Tiefe - ganze 6,8 Yards tief warf er den Ball im Schnitt. Das führte zu einer bisweilen haarsträubend eindimensionalen Offense; eine Offense, die jetzt die Receiver hat, um deutlich aggressiver aufzutreten. Aber ist Goff auch der Quarterback dafür?

Offense Grundlage 2022: Power-Offense mit Fokus auf Run Game und Kurzpassspiel

In neutralen Spielsituationen waren in der vergangenen Saison nur die Titans Run-lastiger als die Lions. Detroit ist ein Power-Run-Team, und das liegt denke ich nicht nur daran, dass man einen bestenfalls reinen Game-Manager auf der Quarterback-Position hat. Es ist Teil der Identität, die Dan Campbell diesem Team geben wird, mit einem physischen Fokus auf der Line of Scrimmage; so wurde dieses Team in den beiden bisherigen Offseasons zusammengestellt und mit der Offensive Line endlich bei 100 Prozent sehe ich nicht, dass sich dieser Fokus gravierend ändert. Sicher, die Verpflichtung von D.J. Chark könnte einige Dinge öffnen, und ich kann mir auch vorstellen, dass mehr Play Action im Zusammenspiel mit dem Run Game den Lions gut zu Gesicht stehen und gerade vertikal mehr Dinge öffnen könnte: letztes Jahr hatte Goff eine der niedrigsten Play-Action-Quoten in der NFL (21,4 Prozent). Aber im Kern ist es eine Offense, die das Run Game und das Kurzpassspiel zu Slot-Receiver Amon-Ra St. Brown, Tight End T.J. Hockenson und Running Back D'Andre Swift priorisiert.

Green Bay Packers

Stat to Know 2021: Aaron Rodgers hatte im Kurzpassspiel - Pässe mit einer Tiefe von null bis neun Yards über die Line of Scrimmage - die zweitmeisten Yards pro Pass (7,1), die zweithöchste Completion-Quote (83,1 Prozent) und die fünftmeisten Touchdowns (17), bei nur einer Interception. Die hohe Effizienz hier war ein Markenzeichen der Packers-Offense - bleibt das auch ohne Davante Adams so?

Offense Grundlage 2022: Moderne Interpretation der West-Coast-Play-Action-Offense

Matt LaFleur hat über die letzten Jahre gezeigt, dass er eine sehr flexible Interpretation der Shanahan-/McVay-Offense kreieren kann, die strukturell eine extrem hohe Baseline mitbringt. Sehr viel Fokus auf das Kurzpassspiel, Rollouts mit Shot-Plays, das konstante Kreieren von Matchups Underneath, schnelles Ballverteilen nach außen und ein starkes Run Game prägen die Offense, wenngleich das Run Game bisher zumindest längst nicht so prominent in den Mittelpunkt gerückt wurde, wie man bei LaFleur zwischenzeitlich vermutet hatte. Spannend ist jetzt die Frage, inwieweit sich die Offense ohne vor allem Davante Adams verändert. Nicht zuletzt die enorme Effizienz bei RPOs könnte darunter leiden, aber übergreifend verschiebt sich der gesamte Fokus der Offense. Ohne Adams und dessen Strahlkraft auch für gegnerische Defenses wird sich nicht nur die Workload auf mehrere Schultern verteilen müssen, bestimmte Dinge werden strukturell schlicht nicht mehr so funktionieren wie in vergangenen Jahren. Ich könnte mir deutlich mehr 2-Running-Back-Formationen vorstellen, aber auch 12-Personnel noch stärker im Fokus als ohnehin schon. Für den Moment verdient LaFleur jedenfalls alle Vorschusslorbeeren dahingehend, dass er Antworten finden wird.

Houston Texans

Stat to Know 2021: Davis Mills' Touchdown-Quote von 14,3 Prozent bei Pässen über 20+ Yards lag deutlich über dem Liga-Schnitt (9,4 Prozent), während seine Interception-Quote im vertikalen Passspiel (2,4 Prozent) klar unter dem Liga-Schnitt (6 Prozent) lag. Gelingt es den Texans, Mills' Qualitäten als Downfield-Passer noch stärker in den Mittelpunkt der Offense zu rücken?

Offense Grundlage 2022: Run-Heavy Offense mit vertikalem Play-Action-Passspiel

So ein bisschen sind die Texans nach wie vor in der Experimentierphase. Welche jungen Spieler sind langfristige Bausteine? Und welche Coaches? Ist Davis Mills eine längerfristige Quarterback-Lösung? Trotzdem kann man anhand einiger Offseason-Moves ablesen, wo es schematisch hingehen könnte: Kenyon Green in Runde 1 des Drafts, mit Dameon Pierce der vielleicht physisch stärkste Runner dieser Draft-Klasse in Runde 4, Laremy Tunsil gehalten - ich erwarte eine Offense, die, nachdem sie letztes Jahr in vielerlei Hinsicht das schwächste Run Game hatte, hier deutlich mehr ihre Identität suchen wird. Das könnte auch zu Offensive Coordinator Pep Hamilton passen, der nicht zum ersten Mal eine Offense spielen lassen würde, die auf enge Formationen, ein physisches Run Game und Shots im Play-Action-Passspiel setzt. Mit Nico Collins und Brandin Cooks haben die Texans auch zwei gute vertikale Outside-Receiver dafür, und eine der besten Qualitäten von Davis Mills letztes Jahr war es, Eins-gegen-Eins-Matchups Outside tief zu attackieren. Hier passen zu viele Puzzleteile zusammen, um sie zu ignorieren.

Indianapolis Colts

Stat to Know 2021: Mit Jack Doyle und Mo Alie-Cox, sowie Nyheim Hines und Jonathan Taylor waren vier der sechs Colts-Top-Targets in der vergangenen Saison Tight Ends und Running Backs. Alec Pierce wird den abgewanderten Zach Pascal ersetzen, können Parris Campbell oder Ashton Dulin die Wide-Receiver-Fahne zusätzlich hochhalten?

Offense Grundlage 2022: Moderne West-Coast-Variante

Das Carson-Wentz-Experiment ist letztlich krachend gescheitert, und das obwohl seine reinen Total Stats, gemessen an der Erwartungshaltung, durchaus positiv waren. Das lag maßgeblich an Frank Reich, der weiter einer der besseren Play-Designer in der Liga bleibt. Jetzt hat er mit Matt Ryan, aber auch mit Rookie-Receiver Alec Pierce und Rookie-Tight-End Jelanie Woods ganz andere Möglichkeiten. Die Colts werden ein Team bleiben, das hinter einer - auf dem Papier - guten Offensive Line den Ball laufen will und Reichs Prägung in der West Coast Offense spiegelt sich im Timing und den Routes der Offense wider. Mit Pierce als zweitem Receiver hinter Nummer 1 Pittman und einer - so scheint es - prominenteren Rolle von Nyheim Hines könnte ich mir noch mehr Vielfalt in den Personnel Groupings vorstellen. Bereits letztes Jahr spielten die Colts ein wenig 21- und 13-Personnel, um beide Backs gemeinsam, oder eben auch drei Tight Ends aufs Feld zu bringen. Ryans Qualitäten, aber auch die neue Tiefe auf den Skill-Positionen sollten Reich hier noch mehr Optionen geben.

Jacksonville Jaguars

Stat to Know 2021: Die Jaguars spielten letztes Jahr 23 Prozent ihrer Snaps aus 12-Personnel, sowie ganze neun Snaps mit zwei Backs auf dem Feld. Letzteres dürfte sich mit Travis Etienne und James Robinson verändern; Ersteres könnte sich ändern, weil Doug Pederson gerne aus 2-Tight-End-Sets agiert.

Offense Grundlage 2022: West-Coast-Variante mit hohem RPO-Anteil

Ein wenig muss man selbstredend abwarten, was Doug Pederson, der die Scherben des Urban-Meyer-Desasters übernimmt, genau plant. Pederson kommt aus der West Coast Offense, in Philadelphia hat er Tendenzen sowohl zu 2-Tight-End-Sets, als auch zu vielen RPOs gezeigt. Letzteres dürfte exzellent zu Trevor Lawrence passen. Aus dem Camp sickerte durch, dass Jacksonville seine offensiven Waffen flexibel einsetzen will, und auch das ergibt durchaus Sinn: Vor allem mit Etienne und Laviska Shenault haben die Jaguars Matchup-Waffen, die dann am besten zur Geltung kommen, wenn sie auch als Matchup-Waffen überall auf dem Feld eingesetzt werden. Die Verpflichtungen der Offseason mit Christian Kirk und Evan Engram legen in jedem Fall nahe, dass Pederson mehr über die Mitte des Feldes agieren will.

Kansas City Chiefs

Stat to Know 2021: Die Chiefs bleiben meisterhaft darin, Mahomes' Ausnahmequalitäten mit "einfachen" Big Plays zu kombinieren. Mahomes legte in der vergangenen Saison sieben Touchdown-Pässe via Screen-Pass auf, kein anderer Quarterback hatte mehr als drei. Mahomes warf auf die gesamte Saison gesehen auch die meisten RPOs ligaweit und nur 8,7 Prozent seiner Pässe gingen in enger Fenster. Kein anderer Quarterback lag unter 10,5 Prozent.

Offense Grundlage 2022: West Coast/Air Raid Hybrid mit einem physischen Run Game

Die vergangene Saison war vermutlich das beste Beispiel in der Patrick-Mahomes-Ära dafür, dass die Offense immer noch Elite-Zahlen auflegen kann, selbst wenn Mahomes nicht auf seinem absoluten Top-Level spielt. Gleichzeitig war auch offensichtlich, dass die Offense eine Transformation durchlief, welche mit den Neuzugängen und Abgängen dieser Offseason weiter vorangetrieben wurde: Da Defenses sich gegen Kansas City rigoros auf den tiefen Pass fokussierten und die Big Plays insbesondere über Tyreek Hill möglichst wegnehmen wollten, mussten die Chiefs umdenken. Die Tatsache, dass statt dem vertikalen Slot-Speedster Tyreek Hill jetzt ein Possession-Receiver mit JuJu Smith-Schuster für diese Position geholt wurde, während die Big Plays eher über Marquez Valdes-Scantling außen kommen sollen, legt nahe, dass die Chiefs sich darauf vorbereiten, weiterhin viel Underneath agieren zu müssen - was mit ihren weiten Formationen und einem gut designten Quick Game durchaus funktionieren kann. Kansas City lebt noch immer gerne in der Spread-Welt, hat aber auch die Offensive Line, um gegen zu leichte Boxes ein physisches Run Game aufzuziehen.