6. Das Steelers-Debakel: War es das für Big Ben?
Die Häme - gemischt mit einer Art kollektivem Mitfreuen mit den leidgeprüften Browns-Fans - für die Steelers war am Sonntagabend während des Debakels gegen die Browns natürlich allgegenwärtig. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, wie es so schön heißt.
Vielleicht kann man es am ehesten so zusammenfassen: Im Spiel zwischen Cleveland und Pittsburgh musste ein Team ohne seinen Head Coach und mit massiv gestörter Vorbereitung antreten - und das andere Team spielte so, als wäre das der Fall. Die Browns boten eine tolle Vorstellung, insbesondere an der Line of Scrimmage, aber auch in Person von Baker Mayfield und Jarvis Landry, und konnten dadurch immer wieder antworten, wenn die Steelers das Spiel doch wieder eng machten.
Dabei muss man mit Blick auf das Steelers-Debakel natürlich ein wenig sortieren: Der Snap, der über den Kopf fliegt und dann in einem Touchdown endet, die abgefälschte Interception, es war so ein Tag, an dem einfach überhaupt nichts lief und an dem eine Defense, die das Team über weite Teile der Saison getragen hat, plötzlich auch komplett in sich zusammenbricht.
Aber was bleibt, wenn man sich durch die Dinge mit der Überschrift "blöd gelaufen" durcharbeitet? Oder anders gefragt: Was ist der Kern der Problematik?
Das war für die Steelers immer die eigene Offense. Auch beim 11-0-Run zu Beginn der Saison, der über die Probleme hinwegtäuschte. Eine Offense, die auf ein extremes Kurzpassspiel setzte, in welchem Roethlisberger den Ball konstant wahnsinnig schnell warf. Eine Offense, die sich selbst so minimalen Spielraum für Fehler gab, die absolut überhaupt keine schematische Verbindung zwischen dem Run Game und dem Passing Game herstellte, und so fand alles in Isolation statt. Die Play-Designs, genau wie die Routes der Receiver innerhalb dieser Designs.
Was passiert, wenn dann eben doch Fehler kommen, hat man über die vergangenen Wochen gesehen. Dann wird die Offense extrem schnell lahmgelegt, und es gab mitunter extrem hässliche Auftritte, wie gegen Washington und Cincinnati.
Steelers: Wie geht es für Pittsburgh nach dem Playoff-Aus weiter?
Was ist jetzt die Lektion aus dieser Saison? Wie viel Schuld trifft Offensive Coordinator Randy Fichtner - hier sollte man so oder so ein Upgrade suchen -, wie viel Roethlisberger? Pittsburgh spielt etwa mit Abstand am wenigsten Play Action in der NFL und wenn sie es spielen, ist es auffallend desolat. Würde Fichtner das gerne mehr nutzen, aber Big Bens mangelnde Mobilität und womöglich ein Unwillen, sich mit dem Rücken zur Defense in Bewegung zu setzen, verhindern das? Ist das vielleicht auch ein Grund dafür, dass das Run Game und das Passing Game so überhaupt gar nicht aufeinander abgestimmt sind?
Oder anders formuliert: Roethlisberger gibt der Offense eine Baseline - aber er limitiert möglicherweise auch alles, was über diese Baseline hinaus geht, signifikant. Dass Pittsburgh dann noch bei Vierter-und-Eins an der eigenen 46-Yard-Line bei zwölf Punkten Rückstand puntete und Cleveland im Gegenzug den Deckel drauf machte, passte ins Gesamtbild. Tomlin und Tennessees Mike Vrabel bekleckerten sich beide nicht mit Ruhm in dieser Hinsicht und trugen so maßgeblich zur Niederlage ihres Teams bei.
Doch welche Schlussfolgerungen lassen sich für die Steelers jetzt daraus ziehen? Wenn mit Roethlisberger nicht mehr viel mehr als eine mittelmäßige Offense möglich ist, nimmt man das hin? Bei einem Cap Hit in Höhe von 41,25 Millionen Dollar 2021? Oder zieht man jetzt den Schlussstrich, schluckt den Dead Cap über 22,25 Millionen Dollar und wagt den Neustart auf der Position? Oder ist Fichtner das primäre Problem, und eine andere Offense würde aus Big Ben nochmals mehr herausholen?
Das ist die zentrale Frage für die Steelers-Offseason, die viel früher als in Pittsburgh erhofft beginnt, und umso größere Fragen mit sich bringt. Meine Analyse frisch nach der Saison: Mit Roethlisberger wird Pittsburgh keinen Titel mehr gewinnen. Ein Quarterback mit einem Cap Hit jenseits der 40 Millionen Dollar in einem Jahr, in dem der Cap runter geht und andere Verträge auslaufen, ist dann eigentlich nicht zu rechtfertigen.
7. Finden die Bills ihren Groove in der nächsten Runde?
Die Colts hatten gegen Buffalo eine echte Chance, dieses Spiel zu gewinnen. Buffalo hatte ziemliche Startschwierigkeiten, und Indianapolis hatte jede Menge Möglichkeiten - und abgesehen von dem Punt bei Vierter-und-Fünf in der gegnerischen Hälfte in der ersten Hälfte auch den Fuß auf dem Gaspedal.
Das Fourth Down vor der Halbzeitpause kurz vor der Endzone auszuspielen, war in der Entscheidung richtig, genau wie die erste versuchte 2-Point-Conversion. Das Problem mit der "Prozess vor Resultat"-Rechnung? Die Theorie ist gut, doch die Colts waren gerade in diesen Momenten in puncto Play-Calls ganz, ganz schwach. Sie hatten auch viel zu viele Drops.
Sie haben Timeouts verschwendet, die sie am Ende gebraucht hätten. Sie hatten die defensive Strafe, welche einen Bills-Scoring-Drive am Leben hielt. Und sie hatten zu viele Runs, die ins Nichts liefen, welche Rivers noch einige Male dann bei Third Down wieder ausbügelte. Auch weil Buffalos Blitzes häufig ins Nichts liefen.
Dann ist es am Ende doch eine simple Floskel: Zu viele individuelle Fehler kosten Spiele, und in den Playoffs erst recht. Für die Colts ist es umso bitterer, weil die Bills hier definitiv schlagbar gewesen wären. Aber Indianapolis stand sich selbst im Weg - und mit zweieinhalb Minuten Zeit für das Field Goal kamen sie gerade so über die 50-Yard-Linie.
NFL-Playoffs: Der Motor der Bills-Offense stottert
Spannender für den weiteren Playoff-Verlauf ist natürlich die Bills-Perspektive. Vielleicht war das das Spiel, das sie jetzt aus ihrem System bringen mussten. Nach dem Debakel in der Wildcard-Runde im Vorjahr gegen Houston, in dem Josh Allen seinen persönlichen Meltdown hatte. Und eine gewisse Nervosität - auch bei Brian Daboll - war spürbar.
Buffalo war über weite Strecken der Partie ungewohnt vorsichtig, setzte auf das Run Game, und das auch merkwürdig hartnäckig. Das ist weder die Identität dieser Bills-Offense, noch die empfehlenswerte Marschroute gegen die Colts-Front. Auch wenn die Starting Field Position gerade in der ersten Hälfte mehrfach nicht gut war, doch Indianapolis bekam nur wenig Druck auf den Passer. Die Bills wären mit ihrem gewohnten Early-Down-Passing-Game auch in diesen Situationen wohl besser beraten gewesen. Und Allen selbst hatte enormes Glück, dass er das Spiel spät nicht weg fumbelte.
Es musste über individuelle Big Plays gehen. Dieser Monster-Catch von Stefon Diggs, die beiden Plays von Gabriel Davis an der Seitenlinie. Die QB-Draws von Allen. Die sehr kurios anmutende Run Pass Option zum Touchdown zu Dawson Knox. Buffalos Offense fühlte sich lange an wie Stückwerk. Und trotzdem sind sie immer noch so unheimlich explosiv. Zu explosiv, als dass man gegen sie Scoring-Gelegenheiten ungestraft liegen lassen kann. Aber die Bills müssen sich offensiv im Gesamtverbund deutlich steigern.
8. Hut ab vor Taylor Heinicke
Weniger eine taktische Lehre oder eine perspektivische Weichenstellung für ein Team, als mehr schlicht und ergreifend die Chance, einen Spieler mal zu loben. Das Duell zwischen Washington und Tampa Bay war das erste Wildcard-Auswärts-Spiel in der Karriere von Tom Brady, es war sein erstes Playoff-Spiel für ein anderes Team als die Patriots, es war das erste Playoff-Spiel für die Bucs seit 2007 und der erste Playoff-Sieg seit dem Super Bowl im Januar 2003.
Aber die Story nach und schon während der Partie war Taylor Heinicke. Jener Heinicke, der nur spielte, weil Alex Smiths Wade doch nicht mitmachte und das Dwayne-Haskins-Missverständnis beendet worden war. Der das Jahr bei den St. Louis Battlehawks in der schon wieder dicht gemachten XFL begonnen hatte.
Jetzt musste er gegen den erfolgreichsten Postseason-Quarterback aller Zeiten und eine aggressive, komplexe Bucs-Defense ran - und Heinicke verkaufte sich nicht nur ordentlich. Er hielt das Spiel eng, mit einem unheimlich abgezockten Auftritt aus der Pocket, mehrfach zeigte er ein spektakuläres Gefühl für die über ihn hereinbrechenden Pass-Rusher und er nutzte seine Athletik wahnsinnig effizient.
Washington hatte eine ernsthafte Chance, im Schlussviertel in Führung zu gehen oder zumindest spät noch auszugleichen. Das lag an einer Defense, die mehrfach nur Field Goals statt Touchdowns zuließ - und am Auftritt von Heinicke, der viel mehr zeigte, als irgendwer hätte erwarten können.
Das heißt nicht, dass Heinicke sich damit in den nächsten Starting Spot gespielt hat. Auch wenn es ein außergewöhnlicher Auftritt war. Aber wie ruhig er spielte, wie überdeutlich es war, dass der Moment für ihn nicht zu groß ist - ich könnte mir gut vorstellen, dass Heinicke sich mit diesem Spiel zumindest einen guten Backup-Vertrag verdient hat.
9. Erster Ausblick: Divisional Matchups AFC
Kansas City Chiefs vs. Cleveland Browns: Können die Browns Kansas Citys Offense ausreichend einbremsen, sodass Cleveland das Spiel mit seinem eigenen Run Game gewinnen kann? Die Browns werden in diesem Spiel den Ball laufen können, das scheint relativ klar. Zu dominant ist Cleveland in gerade dieser Disziplin - und zu anfällig sind die Chiefs hier defensiv. Doch selbst wenn die Browns für 250 Yards laufen und viele lange Drives hinlegen, wird das womöglich nicht reichen, wenn die Chiefs ihre explosive Offense aufs Feld bringen können. Die Browns müssen Mahomes mit dem 4-Men-Rush ausreichend unter Druck setzen und KC ein paar Mal ohne Punkte vom Feld jagen. Dann kann Cleveland offensiv mit seinem Plan A für die nächste Überraschung sorgen.
Buffalo Bills vs. Baltimore Ravens: Die Explosivität im Run Game der Ravens war auch gegen die Titans zu sehen - allerdings führte sie nicht zu einer Scoring-Explosion wie in einigen Spielen zuletzt. Tennessee stoppte Baltimores Offense doch einige Male, verpasste es dann aber, mit der eigenen Offense nachzuziehen. Darauf sollten sich die Ravens gegen Buffalo nicht verlassen, auch wenn diese Seite des Balls hochspannend wird. Die Bills müssen zeigen, dass sie die Nervosität des ersten Spiels abgelegt haben. Denn die aggressive Ravens-Defense ist nicht der Sparringspartner, der viele Fehler vergibt. Aber wie viel Man Coverage wollen die Ravens in diesem Matchup wirklich spielen? Auf der anderen Seite dürfte Buffalo mehr Ressourcen in die Front stecken, doch reicht das, um den Run besser zu stoppen als über weite Teile dieser Saison?
10. Erster Ausblick: Divisional Matchups NFC
Green Bay Packers vs. Los Angeles Rams: Ich hatte im Playoff Power Ranking geschrieben, dass die Rams im Vakuum betrachtet eher am unteren Ende der NFC-Playoff-Teams dieses Jahr stehen - und dass sie dennoch für jedes andere Team in der NFC das unangenehmste Matchup sein könnten. Letzteres hat das Seahwks-Spiel eindrucksvoll untermauert, trifft es auch gegen Green Bay zu? Die Rams haben die beste Defense in diesem Playoff-Feld und sind exzellent gecoacht, L.A. könnte auch die gefährliche Packers-Offense limitieren. Das, in Kombination mit Green Bays verbesserter aber noch immer schlagbarer Run-Defense, könnte für ein packendes Duell sorgen.
New Orleans Saints vs. Tampa Bay Buccaneers: Sind für die Saints aller guten Dinge drei? Nachdem New Orleans die Bucs in der Regular Season zwei Mal schlagen konnte - das zweite Mal in Form einer absoluten Demontage -, wollen sie jetzt das seltene Kunststück schaffen, ein Team innerhalb einer Saison drei Mal zu schlagen. Doch das Bucs-Team heute ist kein Vergleich zu jener Version, die in Woche 9 mit 3:38 unterging, insbesondere mit Blick auf die eigene Offense. Kann New Orleans die seit nunmehr rund fünf Wochen signifikant flexiblere Bucs-Offense abermals lahmlegen? Oder muss Brees in einen Shootout gehen? Letzteres würde eine düstere Prognose mit sich bringen - die Saints hatten gegen eine ersatzgeschwächte Bears-Defense doch über weite Strecken enorme Probleme damit, den Ball zu bewegen.