Sie selbst strahlte, die Fachwelt staunte, aber ein Olympia-Platz ist noch in weiter Ferne: Claudia Pechstein hat mit ihrem Ausflug auf dem Rad zumindest einen Achtungserfolg gelandet. Die fünfmalige Eisschnelllauf-Olympiasiegerin legte bei den deutschen Bahnrad-Meisterschaften in der Einzelverfolgung über 3000 m in 3:56,64 Minuten eine gute Zeit hin, blieb aber mit Platz zehn weit vom Olympia-Traum entfernt.
"Ich bin zum ersten Mal aus einer Startmaschine gefahren. Daran muss ich definitiv noch arbeiten", sagte Pechstein nach ihrer Premiere. Die 39 Jahre alte Quereinsteigerin will sich bei den nationalen Titelkämpfen mit guten Zeiten für einen Start bei den Olympischen Sommerspielen 2012 in London empfehlen. Dazu benötigt sie allerdings Spitzenplätze. Am Freitag startet sie ein zweites Mal im 500-m-Zeitfahren.
Stephanie Pohl holt Meistertitel
Den Meistertitel in der 3000-m-Einerverfolgung holte sich derweil Stephanie Pohl. Die 23-Jährige setzte sich im "Cottbuser Finale" in 3:41,662 Minuten vor Madeleine Sandig (3:44,606 Minuten) durch. Rang drei belegte Lisa Brennauer aus Durach. "Ich hatte schon auf eine gute Vorstellung von Stephanie Pohl gehofft. Die Zeit ist allerdings eine positive Überraschung", sagte Bundestrainer Thomas Liese.
Im Finale der 4000-m-Mannschaftsverfolgung gewannen die favorisierten Nikias Arndt, Henning Bommel, Stefan Schäfer und Franz Schiewer in der Klassezeit von 4:07,747 Minuten. Das Brandenburger Quartett hatte mehr als sechs Sekunden Vorsprung auf die zweitplazierten Johannes Kahra, Ralf Matzka, Jakob Steigmiller und Kersten Thiele. Im Sprint der Frauen verteidigte die 20-jährige Erfurterin Kristina Vogel ihren DM-Titel erfolgreich. Gold im Teamsprint der Männer ging an Robert Förstemann (Gera), Maximilian Levy (Cottbus) und Carsten Bergemann (Dresden).
Trainer Werner Otto: "Sie macht sich auf dem Rad gut"
Als Pechstein am Donnerstag ihre Ankündigung wahr machte und tatsächlich um 14.07 Uhr in die Pedale trat, zeigten sich die Fachleute durchaus angetan. "Sie macht sich auf dem Rad gut, eiert nicht rum. Die Leistung kann keine Enttäuschung sein", sagte Präsident Günter Polauke vom Berliner Radsport-Verband. "Das ist auf jeden Fall ein Erfolg für sie. Man darf nicht auf die Platzierung schauen, denn bisher war das Radtraining für sie nur Mittel zum Zweck", meinte ihr Radsport-Trainer Werner Otto.
Otto kündigte an, dass er Pechstein weiterhin betreuen wolle. Um aber tatsächliche eine Chance auf ein Olympia-Ticket für 2012 zu haben, müsste sie im Frühjahr viele Rennen bestreiten - auch auf der Straße. "Ihr größtes Problem auf dem Weg zu Olympia ist das Eistraining. Wir müssen sehen, was es für Möglichkeiten gibt", sagte Otto über seinen neuen Schützling, der im kommenden Winter natürlich auch auf dem Eis wieder für Furore sorgen will.
Auftritt sorgt im Vorfeld nicht nur für Freude
Pechstein selbst war vor ihrem Abenteuer auf dem Rad gut gelaunt. Erst gab es ein Küsschen für Freund Matthias, dann winkte sie dem Anhang auf der Tribüne zu, ehe die Wintersport-Rekordolympionikin ihren Quereinstieg in die Tat umsetzte. Kraftvoll ging sie die ersten Meter an und spulte anschließend wie ein Uhrwerk die Runden ab - ganz so wie auf dem Eis.
Ihr Auftritt im Radlager hatte im Vorfeld nicht nur Freude ausgelöst. So meinte Bundestrainer Detlev Uibel, dass ein Quereinsteiger die Disziplinen nicht so schnell erlernen könne. Und Top-Fahrerin Kristina Vogel wetterte: "Bei all ihren Verdiensten in ihrer Sportart - ich finde es ziemlich frech, wenn sie sagt, sie will nach drei Wochen Training in die Spitze fahren und damit zu Olympia."
Pechstein will neues Verfahren
Pechstein geht es allerdings nicht nur um eine zweite Karriere auf dem Rad. Die Athletin, die wegen erhöhter Blutwerte bis Februar 2011 gesperrt war, will offenbar mit einer möglichen Olympia-Qualifikation auf dem Rad die wichtigen Sport-Gremien dazu bringen, sich mit ihrem Fall zu befassen und die Geltung der sogenannten Osaka-Regel zu überprüfen.
Laut dieser Regel ist Pechstein wegen ihrer Sperre bei den zwei kommenden Olympischen Spielen 2012 in London und 2014 in Sotschi nicht startberechtigt. Pechstein glaubt allerdings, mit weiteren Untersuchungsergebnissen nachweisen zu können, dass sie nie gedopt hat, und will deshalb auch beim Eisschnelllauf-Weltverband ein neues Verfahren erzwingen.