"Ich will ein Stück Magath kopieren"

Thorsten Leibenath schied mit Ulm in dieser Saison gegen Berlin aus
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SPOX: Ähnlich wie Koch erlebten Sie Ihre Trainer-Anfänge im hessischen Lich. Wie kann man sich Ihr damaliges Leben vorstellen?

Leibenath: Nicht viel anders als bei jedem normalen Studenten in der Provinz. Ich besaß ein bisschen Geld, weil ich noch nebenbei Basketball spielte, doch im ersten Jahr in Lich musste ich von den Eltern finanziell unterstützt werden, sonst hätte es nicht gereicht. Dort machte ich mein Abitur fertig und begann dann in Gießen das BWL-Studium, bis ich es schmiss und eine Ausbildung als Industriekaufmann durchzog, damit ich in kürzerer Zeit etwas Vernünftiges in der Hand habe. Ich wollte mich und meine Eltern beruhigen, obwohl schon feststand, dass ich alles auf die Karte Basketball-Trainer setze.

SPOX: Ungewöhnlich für die Zeit.

Leibenath: Heutzutage gibt es tolle Trainer-Ausbildungen. Damals hatte man nur zwei Chancen für den Einstieg: Entweder du warst ein super Spieler. Oder du studierst Sport auf Lehramt und machst das Coaching in der Freizeit. Die erste Option fiel aus, und die zweite Option war mir nicht konsequent genug. Ich wusste: Wenn ich das Coaching nur nebenbei betreibe, werde ich nie meine Ziele erreichen, daher gab ich Vollgas und hatte dazu viel Glück. Mit 23 wurde ich Profi-Trainer, mit 24 machte ich als damals Jüngster aller Zeiten die A-Lizenz und landete als Assistenzcoach von Gießen in der Bundesliga.

SPOX: Sie gingen daraufhin nach Schottland, kehrten als Heachcoach nach Gießen zurück und wurden 2008 als erst 33-Jähriger überraschend von den bereits damals ambitionierten Artland Dragons verpflichtet. In Quakenbrück erlebten Sie den ersten großen Rückschlag. Wie erinnern Sie sich an die zwei Saisons?

Leibenath: Es gibt kein Herumreden: Wir verpassten in beiden Saisons die Playoffs. International lief es ordentlich, aber wegen des Abschneidens in der BBL kann ich mit dem Urteil leben, dass es ein Misserfolg war. Es hatte jedoch etwas Gutes: Nach dieser Zeit hinterfragte ich mich, warum es nicht funktioniert hatte - und ärgerte mich über mich selbst. Obwohl es nicht authentisch war, versuchte ich, mit der Peitsche zu arbeiten und so das Ziel zu erreichen. Jetzt weiß ich: Wenn ich erfolgreich sein will, muss ich das so machen, wie ich es für richtig halte. Ich darf nicht versuchen, mich komplett wie Magath zu geben. Daher habe ich mich in Ulm darauf besonnen, wer ich wirklich bin, und mich weniger von der Seite beeinflussen lassen.

SPOX: Ihre Tätigkeit in Ulm ist eine einzige Erfolgsstory: Sie erreichten 2012 das BBL-Finale und 2013 das Pokal-Finale. Diese Saison standen sie erneut im Pokal-Finale und zogen souverän in die Playoffs ein und sorgten im Eurocup mit dem Achtelfinal-Einzug für Aufsehen. Dabei hatten im vergangenen Sommer der zweimalige MVP John Bryant und Ex-NBA-Profi Allan Ray den Klub verlassen. Trotzdem war im Umfeld eine gewisse Unzufriedenheit zu vernehmen. Warum?

Leibenath: Vor dieser Saison wurde selbst von außen gesagt, dass es ein Übergangsjahr wird und der Playoff-Einzug nicht selbstverständlich wäre. Und doch waren einige enttäuscht, dass wir "nur" Sechster wurden und gegen Alba Berlin ausschieden. Im Endeffekt war es eine gute Saison. Wir verloren nicht nur John und Allan, sondern auch gestandene Spieler wie Dane Watts. Laut Finanz-Rangliste liegen wir auf Platz sechs oder sieben, genau da landeten wir. Unser Anspruch bleibt, die Mannschaften hinter uns zu distanzieren und die Großen zu ärgern.

SPOX: Nur ärgern? Von den großen Klubs schwächelt gerade Bamberg, welches den Komplettumbruch bewältigen muss.

Leibenath: Wie immer es bei der Konkurrenz aussieht: Auf Dauer ist es nicht möglich, mit weniger Geld das umzusetzen, was andere mit mehr Geld schaffen. Aber hin und wieder wird uns das gelingen, weil die Struktur in Ulm besser ist als an vielen anderen Standorten. Und weil wir mutiger sind und auf junge deutsche Spieler setzen. Daniel Theis und Per Günther sind gute Beispiele, davor waren es Robin Benzing oder Konrad Wysocki. Wir waren der Vorreiter für Mannschaften wie Frankfurt und Trier.

SPOX: Bayern, Bamberg und Berlin liefern sich einen harten Wettstreit um deutsche Talente. Wo bleibt Ulm?

Leibenath: Es mag arrogant klingen, doch es gibt keinen besseren Verein für ein deutsches Talent als uns. Das Gesamtkonstrukt inklusive der ProB-Mannschaft passt. Wir spielen auf einem sehr hohen Niveau, waren zuletzt immer in den Playoffs und damit ist die Chance sehr hoch, jedes Jahr europäisch vertreten zu sein und damit den Talenten mehr Spielanteile zu geben. Bei uns bekommt ein 19-, 20-Jähriger seine 20 Minuten pro Spiel, bei den Euroleague-Teams sind es 5 bis 10 Minuten. Und wenn wir die Hauptrunde nicht als Erster oder Zweiter beenden, gibt es keine Panik. Sollten wir schlechter abschneiden als geplant, sagt der Klub um Geschäftsführer Dr. Thomas Stoll, dass wir weiter die Jungen pushen sollen und die Konsequenzen gemeinsam tragen.

SPOX: Nach Meinung vieler haben Sie in Ulm bereits das Maximum erreicht. Wie soll in Ihrem eigenen Karriereplan der nächste Schritt aussehen?

Leibenath: Ich wünsche mir, dass der nächste Schritt mit Ulm gelingt.

SPOX: Das kann nur die deutsche Meisterschaft oder die Teilnahme an der Euroleague bedeuten.

Leibenath: Ich fände es toll, wenn wir den Ulmer Fans einen Titel, welchen auch immer, präsentieren können. Und ich habe den Wunsch, irgendwann in der Euroleague zu coachen. Das ebenfalls gerne mit Ulm. Diese Ziele sind die Motivation für mich und es liegt im Bereich des Möglichen, wenn man sich vor Augen hält, welche herausragende Entwicklung der Verein in den letzten Jahren genommen hat. Als ich hierherkam, hatten wir ein Budget von drei Millionen Euro. Zwei Jahre später sind wir bei 5,25 Millionen Euro. Warum sollten also mittelfristig nicht sieben Millionen Euro möglich sein?

SPOX: Weil bei den laufenden TV-Rechteverhandlungen keine großen Mehrerlöse für die Klubs zu erwarten sind und Ulm bereits über eine neue Arena verfügt, so dass da ebenfalls kein großer Wachstum möglich ist?

Leibenath: Das ist die entscheidende Frage. Der TV-Vertrag ist ein wichtiges Element. Da setze ich auf die Weitsicht der Verantwortlichen, dass sie keinen Fünf-Jahres-Deal eingehen, wenn die Gesamtsumme nicht so hoch ist. Denn ich glaube, dass die BBL als Ganzes in einigen Jahren eine bessere Verhandlungsposition besitzt. Basketball wird Handball und Eishockey den Rang ablaufen beim Interesse der Fans und vor allem der Sponsoren. Ein BBL-Klub wird es zukünftig einfacher haben, nicht nur regionale, sondern nationale Sponsoren zu generieren, so dass neue Einnahmen entstehen, ohne dass fünf neue Hallen gebaut werden müssen. Dazu setze ich auf den Internet-Boom im Basketball: Wenn sich Vereine klug selbst vermarkten und die Live-Streams nutzen, könnte sich einiges bewegen.

SPOX: Als Hinkefuß des deutschen Basketballs wird die Nationalmannschaft ausgemacht, nachdem das DBB-Team bei der EM 2013 enttäuschte und eine lähmende Trainerdiskussion entstand.

Leibenath: Ich bin überzeugt, dass Deutschland mit all diesen Talenten eine sehr ordentliche Rolle unter den besten Acht in Europa spielen sollte. Mal könnte der vierte Platz rausspringen, mal der siebte Platz. Die Top 8 müssen mit dieser Generation der Anspruch sein. Und nach meinem Eindruck ist es auch das Selbstverständnis der Spieler.

SPOX: Für diesen Sommer, bei der Qualifikation zur EM 2015, springt Emir Mutapcic auf Zwei-Monate-Basis als Bundestrainer ein. Wenn es um eine langfristige Lösung geht, wird immer wieder Ihr Name genannt. Was halten Sie von den Gerüchten?

Leibenath: Ich würde die Gegenfrage stellen: Was lässt diese Leute zu dieser Meinung kommen, dass ich der Richtige sein könnte? Nur weil ich die deutsche Staatsbürgerschaft besitze, macht es mich nicht automatisch zu einem besseren Kandidaten als einen Slowenen oder Spanier. Entscheidend sollte die Kompetenz sein. Wenn man mir das nachsagt und mir so eine große Aufgabe zugetraut wird, freut es mich.

SPOX: Nach der Entlassung in Bamberg wird zudem über Chris Fleming als neuer Bundestrainer spekuliert.

Leibenath: Ich absolvierte vor meiner Zeit in Ulm bei einigen Klubs Hospitanzen: Bei Fenerbahce Istanbul unter Neven Spahija, bei Armani Mailand unter Piero Bucci - und eben bei Bamberg unter Chris Fleming. Und ich muss sagen: Mit Abstand habe ich das meiste bei Chris gelernt. Ohne Wenn und Aber ist er der beste Trainer Deutschlands und wenn wir über das Amt des Bundestrainers sprechen, könnte es ja auch ein Amerikaner werden.

Seite 1: Leibenath über Klugscheißerei und seinen Trainerstil

Seite 2: Leibenath über seien Werdegang und die Nationalmannschaft

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