NFL

Third and Long: Diese Teams brauchen einen neuen Quarterback

SPOX-Redakteur Adrian Franke beantwortet an jedem Dienstag eure Fragen zum Spieltag.
© imago images/Jason Pohuski

Mit der bevorstehenden Saison-Halbzeitmarke rückt auch die Zeit der Selbstreflexion näher. Welche Teams brauchen einen neuen Quarterback? Wie schlagen sich die neuen Head Coaches? Und sind die Pittsburgh Steelers so gut wie die makellose Bilanz vermuten lässt? SPOX-Redakteur Adrian Franke beantwortet in seiner Kolumne Eure Fragen zum Spieltag.

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Welche Teams brauchen einen neuen Quarterback?

Ob Trade-Deadline, ein erstes Befassen mit dem Draft - oder auch grundlegende Fragen: Die Saison geht auf die Halbzeit-Marke zu, und während man noch trefflich darüber diskutieren kann, ob San Francisco in die Playoffs einzieht, ob die Bills ein Titelkandidat sind oder ob man sich um die Ravens-Offense Sorgen machen muss, gibt es im Liga-Keller ganz andere Themen.

Der Blick geht nach vorne, und damit werden grundlegende Fragen gestellt. Könnte ein kompletter Umbruch bevorstehen, wie beispielsweise bei den Jets? Welche Entscheidungsträger müssen infrage gestellt werden? Und natürlich: Wer braucht einen neuen Quarterback?

In der vergangenen Offseason gab es eine äußerst ungewöhnliche Situation: Der Quarterback-Markt schien übersättigt zu sein. Quarterbacks wie Andy Dalton, Cam Newton, Marcus Mariota oder auch Jameis Winston unterschrieben letztlich sehr günstige kurzfristige Verträge, abgesehen von Newton allesamt in klarer Backup-Rolle. Es gab, so wirkte es im Sommer, mehr fähige Quarterbacks als offene Quarterback-Baustellen.

Nach sieben Spielen kann man über diese Einschätzung schon wieder hervorragend diskutieren. Manche Quarterbacks bauen zunehmend ab, andere entpuppen sich als Enttäuschung und wieder anderswo werden die Fragen lauter, ob der erhoffte junge Franchise-Quarterback wirklich die Antwort ist.

Welche Teams sollten die Quarterback-Fühler für die kommende Saison tatsächlich ganz weit ausstrecken?

  • New York Jets: Der No-Brainer. Hätte sich Darnold in besseren Umständen auch besser entwickeln können? Vielleicht. Wahrscheinlich sogar. Aber vielleicht hätte er selbst dann nicht den Sprung zum Franchise-Quarterback geschafft, zu inkonstant ist sein Spiel weiterhin. Der Punkt hier aber ist: Die Jets müssten mit Darnold zumindest kurzfristig verlängern, in der Hoffnung, dass er sich im vierten und fünften NFL-Jahr schließlich verbessern kann. Und sie müssten auf die Chance auf ein großes Quarterback-Talent in der Spitze des kommenden Drafts verzichten. Nichts davon wäre durch Darnolds bisherige Leistungen zu rechtfertigen.
  • Jacksonville Jaguars: Minshews NFL-Karriere ist schon jetzt mehr als man realistisch auch nur ansatzweise erwarten konnte. Er ist ein unterhaltsamer Quarterback, der mit seiner Präzision und mit seinem Pocket-Verhalten punktet, und der eine lange Karriere als Elite-Backup und gelegentlicher Starter haben könnte. Aber der Eindruck drängt sich mehr und mehr auf, dass Minshew kein Franchise-Quarterback ist. Minshew bleibt eine gute Übergangslösung, umso mehr, weil er so wahnsinnig günstig ist. Aber die Jags sind ein junges Team, das nach wie vor im Umbruch ist, und seine langfristige Quarterback-Antwort noch nicht gefunden hat.
  • Indianapolis Colts: Noch dürfen Colts-Fans abwarten, was letztlich aus dem Philip-Rivers-Experiment wird. Dass er nicht die langfristige Lösung ist, ist unbestreitbar klar. Rivers hat seine guten und schlechten Momente, aber der große Sprung der Colts-Offense im Vergleich zum Vorjahr ist bisher ausgeblieben, und man darf doch sehr skeptisch sein, dass der noch erfolgt.
  • Chicago Bears: Mitch Trubisky ist nicht die Antwort. Nick Foles ist nicht die (langfristige) Antwort. Und an diesem Punkt sollten diese beiden Aussagen keinerlei Kontroverse mehr lostreten. Chicago hat eine Top-5-Defense in diesem Jahr, und die Hoffnung, dass Foles irgendwann heiß läuft und das Team einen ernsthaften Run starten kann. Für die Zukunft sollte der Plan auf der wichtigsten Position auf mehr als Hoffnung aufbauen.
  • Washington Football Team: Dass Dwayne Haskins unter Ron Rivera nicht der langfristige Starter sein wird, sollte außer Frage stehen - genau wie die Tatsache, dass Kyle Allen nicht die Qualität für einen Starter-Job hat. Spannend wird allerdings, was passiert, falls Washington jetzt mit seiner Defensive Line und ein paar offensiven Akzenten beginnend mit Gibson und McLaurin anfängt, ein paar Spiele zu gewinnen. Zumindest im Draft dürfte es dann schwierig werden.
  • New Orleans Saints: Brees hat sich im Laufe der Saison stabilisiert, trotzdem ist schwer vorstellbar, dass die Saints in die kommende Saison mit Brees als Starter gehen. Der nach wie vor absurde Vertrag, den New Orleans Taysom Hill gegeben hat, könnte Hill allein per Ausschlussverfahren zum Favoriten auf den Starter-Job nächstes Jahr machen. Mittelfristig aber braucht New Orleans einen neuen Plan.
  • New York Giants: Mit noch etwas Zurückhaltung, die weitere Saison sollte aber definitiv ein Bewerbungsgespräch für Daniel Jones sein. Er hat in Momenten immer wieder Potenzial angedeutet, insbesondere mit dem Deep Pass und als Runner. Und er hat immense Schwächen, beginnend mit seinem Pocket-Verhalten. Das Spiel wirkt häufig noch zu schnell für ihn - und dann hat er immer wieder Phasen, in denen er aus schlechten Umständen mehr herausholt. Jones am Montagmorgen zu evaluieren muss aktuell maximal frustrierend für die Coaches sein. Nicht unbedingt, weil er so schlecht wäre, sondern eben eher, weil alles inkonstant ist. Sollten die Giants hoch picken und Jones so weiter spielen wie bisher, muss ein Quarterback aber eine sehr realistisch diskutierte Option sein.
  • New England Patriots: Auch die Pats sollten die weitere Saison als Quarterback-Bewerbungsgespräch sehen. Cam Newton hat nach seinem furiosen Saisonstart merklich abgebaut, auch wenn die Umstände ihm selbstredend überhaupt nicht helfen. Sind es vielleicht noch Nachwirkungen aus der Corona-Erkrankung? Ist er anderweitig angeschlagen? All das ist natürlich komplett spekulativ. New England wird über die kommenden Wochen und Monate überlegen müssen, ob man um Cam herum ein Team aufbaut - oder ob man in einen größer angelegten Umbruch geht.

Murphys Lawyer, Özgür Boztas: Warum lief offensiv in der zweiten Hälfte bei den Steelers nichts mehr? Was hat sich an der Steelers-Offense geändert im Vergleich zu letztem Jahr? Ist es nur die Rückkehr von Big Ben oder spielt der Einfluss von Matt Canada eine größere Rolle?

Es war ja nicht das erste Spiel, in dem Pittsburgh ein Spiel scheinbar ohne Not eng werden ließ oder einen Gegner unnötig lange im Spiel hielt. Gegen die Eagles beispielsweise, gegen die Texans, oder auch gegen Denver. Und während sich in einigen dieser Spiele die größte Schwachstelle der Steelers - die Coverage-Unit - schlicht irgendwann bemerkbar machte, so hatte doch auch die Offense immer wieder merkliche Durchhänger.

In keinem Spiel war das vermutlich deutlicher zu sehen als gegen die Titans am Sonntag, als Pittsburgh nach einem Field-Goal-Drive zu Beginn der zweiten Hälfte noch zwei Punts und zwei Turnover mit den weiteren vier Offense-Drives fabrizierte. Was dabei einfach auffällt, ist die generelle Spielweise der Steelers in diesem Jahr.

Ben Roethlisberger wird den Ball unheimlich schnell los, schneller als jeder andere Quarterback in der NFL. Die ganze Offense ist extrem um das Kurzpassspiel und Yards nach dem Catch aufgebaut, Deep Shots sieht man nur vereinzelt. Und mit sehr gemischten Ergebnissen.

Die Steelers sind dafür gut aufgestellt: Sie haben exzellente Receiver nach dem Catch, Roethlisberger ist im Kurzpassspiel sehr verlässlich und konstant und mit Claypool haben sie jetzt auch eine legitime Outside-Waffe, die Defenses vertikal respektieren müssen.

Mit der grundsätzlichen Herangehensweise habe ich kein Problem, im Gegenteil, der Ansatz scheint gut zu den Mitteln zu passen, die die Steelers haben. Aber einen klaren Nachteil hat sie eben: Es gibt keinen Spielraum für Fehler. Das merkt man häufiger, vor allem natürlich, wenn sie in lange Down-and-Distance-Situationen kommen - und aktuell zumindest hält sich das Vertrauen in die Offense dann wiederum in Grenzen.

Die Steelers haben einen starken Kader und offensiv wie defensiv Philosophien, die sehr gut zu den eigenen Qualitäten passen. Sie sind weit davon entfernt, ein Team ohne erkennbare Schwäche zu sein - aber kurz vor der Saison-Halbzeit muss man hier auch klar hinzufügen, dass es ein solches Team aktuell generell nicht gibt.