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Third and Long Week 11: Kaepernick, Jackson und die Probleme der Patriots-Offense

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt in seiner wöchentlichen Kolumne zurück auf Woche 11 in der NFL.
© getty

Eine turbulente NFL-Woche liegt hinter uns. Die Ausraster im Spiel zwischen Cleveland und Pittsburgh, gefolgt vom Workout von Colin Kaepernick, dominanten Ravens, wackligen Patriots und einem Zittersieg der Cowboys. In seiner wöchentlichen Kolumne blickt SPOX-Redakteur Adrian Franke zurück - und ein Stück weit voraus.

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Wie geht es für Colin Kaepernick weiter?

Das war natürlich das Thema am Samstag: Colin Kaepernick hatte schließlich sein von der Liga angesetztes Workout, und hinterher sind wir nur begrenzt schlauer als vorher.

Wobei - so ganz stimmt das nicht. Einige Fragen konnten wir klären. Und einige andere Fragen wurden im Gegenzug wieder aufgeworfen.

Es gibt sehr, sehr viele verschiedene Aspekte und Blickwinkel dazu. Ich hatte in unserem Live-Podcast im Vorlauf zu Week 11 bereits etwas dazu gesagt (gibt's hier im Re-Live, ab Minute 18:08), aber vielleicht etwas koordinierter in einigen Punkten:

  • Die ganze Aktion wirkte von Anfang an vonseiten der Liga extrem merkwürdig. Warum an einem Samstag statt, wie üblich, an einem Dienstag? So stellte man, in Kombination mit dem generellen kurzen Vorlauf von nur ein paar Tagen, quasi sicher, dass keine Top-Entscheidungsträger vor Ort sein können. Und es erfordert nicht viel Vorstellungskraft, um zu sagen, dass nur ein Top-Entscheidungsträger (im Endeffekt der GM und der Owner) die Entscheidung einer Kaepernick-Verpflichtung treffen können.
  • Und dann weiter: Warum so kurzfristig, warum ausgerechnet jetzt? Warum nicht mit mehr Vorlauf für Kaepernick, aber auch für die Teams? Welchen Grund gab es, das innerhalb von fünf Tagen durchprügeln zu müssen? Warum gab man erst Tage nach der Ankündigung die Coaches bekannt, die durch das Workout führen sollen?
  • Nur zur Erinnerung: Ein solches Pro-Day-Style-Workout hat normalerweise wochenlang, detailliert geplante Choreographien und spezifisch darauf abgestimmtes Training. All das macht keinen Sinn und zumindest ich sehe keine logische Erklärung dafür, in der die NFL nicht zumindest merkwürdig aussieht. Dass sie das generell angesetzt haben, dafür darf man die Liga auch loben, weil vermutlich an der These etwas dran ist, dass Teams Kaepernick sehen, aber ihn aufgrund der öffentlichen Aufmerksamkeit nicht zu einem Workout einladen wollten. So bitter das auch ist. Nur warum macht man sich dann mit den ganzen Setup so angreifbar?

Die Kaepernick-Seite: Verständnis, aber auch Kritik

  • Damit auf die Kaepernick-Seite. Ja, dass die NFL keine Medien vor Ort beim Workout haben wollte, ist ebenfalls merkwürdig und lässt sich nur damit erklären, dass die Liga die Bühne so klein wie möglich halten wollte. Die Gefahr für Kaepernick dabei ist offensichtlich: Hätte das Workout so wie von der NFL angesetzt stattgefunden, hätte es anschließend nichts anderes als anonyme Scout-Berichte gegeben. Und die können das Bild in der Öffentlichkeit wahnsinnig prägen.
  • Ein Beispiel: Ja, ich habe mir alle Würfe dieses Workouts angeschaut. Die meisten waren gut, es gab aber auch einige Accuracy-Wackler, insbesondere tief. Als ESPN am Sonntag ein Segment zu Kaepernick hatte, wurde einer der schlechtesten Würfe in dem Video-Beitrag wie repräsentativ eingespielt. Wäre das alles gewesen, was ich davon gesehen habe, wäre mein Eindruck ein anderer gewesen.
  • Aber Kaepernicks Reaktion, das Workout im Prinzip eine Stunde bevor es tatsächlich stattfinden sollte, eine Stunde nach hinten und auf ein High-School-Feld zu verlegen - damit hat er sich auch keinen Gefallen getan. Nicht nur, weil Mensch gewordene Alarmsirenen wie Stephen A. Smith das als Vorwand nutzen, um ihm zu unterstellen, dass er nur eine Show daraus machen wollte; sondern ganz schlicht auch, weil das bei Teams nicht gut ankommt.
  • Schauen wir den Zeitplan nochmal an. Teams haben am Dienstag erfahren, dass dieses Workout stattfinden soll. Das heißt, Reiseplan-Änderungen für Pro-Scouts mussten durchgeführt werden und immerhin über 20 Teams planten, Scouts zum ursprünglichen Workout zu schicken. Von diesen Teams blieb beim tatsächlichen Workout nur ein kleiner Teil übrig; zum Teil vielleicht aus Trotz, zum Teil mit Sicherheit aber auch einfach, weil noch eine Planänderung in den Schedule der Scouts nicht rein gepasst hat, so blöd das klingt.
  • Was hätte Kaepernick also machen sollen? Ich kann komplett nachvollziehen, dass er nicht einfach ein privates Workout haben wollte. Er hätte beides machen können: Das von der Liga angesetzte Workout, um sich hier nicht angreifbar zu machen, und dann einfach eine Stunde später das öffentliche, auf YouTube gestreamte Workout. Auch wenn da natürlich dann kein Scout mehr gekommen wäre, so hätte sich zumindest jeder selbst ein Bild von seinen Würfen und seiner physischen Verfassung machen können.

Findet Colin Kaepernick jetzt ein Team? Wer könnte Interesse haben?

  • Welche Teams waren letztlich beim tatsächlichen Workout noch vor Ort? Das wissen wir inzwischen ja: Kansas City, die Jets, Philly, Tennessee, Buffalo, Detroit, San Francisco, Washington. PFT vermeldete, dass es zumindest bislang keine konkrete Anfrage infolge der Trainingseinheit gab.
  • Das Problem damit ist doch: Was genau hätte Kaepernick denn bei diesem Workout zeigen können, damit sich ein Team sagt: Wir nehmen den unvermeidbaren medialen Zirkus einer Verpflichtung in Kauf? Ich würde behaupten, dass man bei einem Workout mit Pässen ohne Defense so sehr gar nicht überzeugen kann.
  • Hier sind die positiven, rein sportlichen Takeaways: Kaepernick hat sich gut bewegt und sein Arm hat definitiv noch die Power. Aber das sagt uns einfach nicht viel aus, und ich vermute, dass im Endeffekt Teams genau zu diesem Schluss kommen werden: "Er ist vielleicht besser als unser aktueller Backup, aber er ist nicht so gut, dass es uns das ganze Drumherum wert wäre." Traurig, keine Frage.
  • Zum Abschluss vielleicht eine positive Note: Welche Teams könnten denn tatsächlich, in welchem Szenario auch immer, Interesse haben? Zunächst einmal ist völlig klar, dass wir hier vorerst ausschließlich von einer Backup-Rolle sprechen. Kein Team wird Kaepernick nach drei Jahren als Starter holen, weshalb ich auch der Meinung bin, dass ein langfristig geplantes Workout im Frühjahr für alle Beteiligten viel sinnvoller gewesen wäre.

Also, welche Teams? Wo wären Owner und Management stark genug und gewillt, Kaepernick zu holen? Und wo wäre er gleichzeitig ein Backup-Upgrade sowie ein Scheme-Fit? Zwei Teams stehen für mich ganz oben:

  1. Mein erster Gedanke waren die Panthers. Der neue Owner David Tepper scheint diese Franchise in vielerlei Hinsicht modernisieren zu wollen, Kaepernicks Freund und Mit-Protestler Eric Reid ist bereits in Carolina und Kaepernick wäre eine interessante Option für diese Offense, in der es große Quarterback-Fragezeichen gibt. Tepper hat sogar mit Reid über Kaepernick gesprochen.
  2. Kansas City fände ich ebenfalls sehr spannend. Ein glasklarer so definierter Backup-Spot unter einem tollen Head Coach in Andy Reid, der bereits mehrfach in seiner Karriere gezeigt hat, dass er mit dem Medienrummel um einen seiner Spieler fertig wird. Chiefs-Besitzer Clark Hunt hat zudem bereits vor einer Weile öffentlich erklärt, dass er kein Problem damit hätte, Kaepernick zu verpflichten.

Realistisch glaube ich, dass das nicht passieren wird und dass wir Kaepernick nicht mehr in der Liga sehen werden. Aber dass das Workout überhaupt stattgefunden hat und dass es mutmaßliches Interesse zumindest in der Form von Neugier einiger Teams gibt, öffnet die Tür zumindest wieder ein wenig. Und ja, im Gegensatz zu Stephen A. Smith und Konsorten denke ich schon, dass Kaepernick noch spielen will, wenn sich die Gelegenheit ergibt.

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