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Third and Long Week 11: Kaepernick, Jackson und die Probleme der Patriots-Offense

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt in seiner wöchentlichen Kolumne zurück auf Woche 11 in der NFL.
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Lamar Jackson, Playoff-Teams, Dallas, Brady - eure Fragen

Alexander Schäfer und Simon: Was denkst du, wie lange wird Lamar Jackson so weiterspielen? Gab ja in der Vergangenheit viele mobile Quarterbacks, die ein bis zwei wirklich gute Saisons hatten, wonach es dann abwärts ging. Wird er es über mehrere Jahre schaffen? Wer hat realistische Chancen, diese Ravens zu schlagen?

Ich denke, hier muss man mit den jeweiligen Begriffen und Definitionen vorsichtig sein, einfach weil unter dem Oberbegriff "mobile Quarterbacks" gerne falsche Konnotationen kursieren. Das tatsächliche sportliche Problem ist dabei nämlich übergreifend: Eine Offense in der NFL wird früher oder später aus schematischer Sicht entschlüsselt, und wer sich nicht anpassen kann, der hat verloren.

Das mag bei einer Offense, die auch auf die Rushing-Fähigkeiten ihres Quarterbacks setzt, dann beispielsweise der Fall sein, wenn er als Runner nicht mehr so effizient ist wie zuvor, und dann als Passer nicht gut genug ist, um das auszugleichen. Bei Lamar Jackson sehen wir ja aber schon jetzt in seinem zweiten Jahr, dass er immense Fortschritte als Passer gemacht hat.

Seine Beinarbeit ist besser, in der Folge ist seine Accuracy konstanter, er bewegt sich besser in der Pocket, er behält die Augen Downfield, er trifft engste Fenster und er ist sehr sicher aus Empty Sets, also auch ohne Play Action.

Wenn wir gezielt auf Offenses schauen, die um einen Running-Quarterback herum aufgebaut sind - in der jüngeren Vergangenheit wäre etwa Carolina ein gutes Beispiel -, dann ist im Endeffekt immer die große Frage: Wie kann sich die Offense weiterentwickeln? Und auch hier sehen wir bei den Ravens sehr positive Tendenzen, wenn wir von der vergangenen auf diese Saison schauen.

Deshalb ist das für mich ein relativ klarer Fall: Lamar Jackson wird so weiterspielen, solange er und die Ravens-Offense sich weiter entwickeln. Womöglich bedeutet das irgendwann weniger designte Quarterback-Runs, doch für den Moment ist Baltimore damit unfassbar erfolgreich und Jackson ist in diesen Designs individuell nichts anderes als ein echter Game-Changer.

Und auch hier wieder: Baltimore hat sich in seinen Run-Designs verbessert, seine Run- und Pass-Designs noch besser miteinander kombiniert und den Kader weiter spezifisch auf diese Art Offense ausgerichtet, gerade was die Rolle der Tight Ends angeht. Ich glaube, das wir noch nicht einmal den Zenit dieser Version der Ravens-Offense kennen, und die Liga ist aktuell noch nicht in der Lage, sich daran anzupassen.

Und ich glaube auch, dass generell Quarterbacks die auch einen Wert als Runner haben - Jackson ist hier natürlich die oberste Spitze, vielleicht aller Zeiten - die NFL über die nächsten Jahre stärker prägen werden. Russell Wilson, Kyler Murray, Deshaun Watson, Dak Prescott, Carson Wentz: Quarterbacks, die als Scrambler Schaden anrichten und zumindest gelegentlich auch bei designten Runs ein Faktor sein können. Schlicht als Ergänzung zum Passspiel.

pascaalho: Welche Teams mit einem negativen Record haben deiner Meinung nach noch realistische Chancen auf die Playoffs?

Die NFC können wir hier gleich direkt ausschließen, da gibt es zu viele zu gute Teams in der Spitze, dass es hier durchaus möglich ist, dass wir am Ende zwei Wildcard-Teams mit zwölf Siegen haben. Seit mindestens 2002 gab es nur ein Mal mehr als zwei Teams in der NFC mit mindestens acht Siegen über die ersten elf Spieltage (3, 2017) - dieses Jahr haben wir fünf!

In der AFC gibt es dafür einige Optionen. Cleveland (4-6) will ich noch nicht komplett abschreiben, auch wenn ich es bei den Browns mit all der Unruhe, all den Diskussionen, den offensiven Problemen nicht nur, aber insbesondere in der Red Zone und jetzt der Suspendierung von Myles Garrett einfach nicht sehe.

Die Jaguars (4-6) finde ich interessanter, weil Jacksonville offensiv explosiv und defensiv aggressiv sein kann. Bisher haben sie das dieses Jahr zu selten konzentriert auch aufs Feld gebracht, doch der ausstehende Schedule (Titans, Raiders, Falcons auswärts, Buccaneers, Chargers, Colts daheim) ist nicht nur machbar - es geht auch gegen mehrere direkte Konkurrenten im theoretischen Wildcard-Rennen. Und im Gegensatz zu Cleveland ist auch in der Division noch mehr möglich.

Die Chargers wären ansonsten noch zu nennen. Aber mit dieser Offensive Line, der andauernden Selbstzerstörung und den Problemen in der Defense - dass die Chargers dort stehen, wo sie stehen, ist kein Zufall oder Pech. Dieses Team hat einen merklichen Rückschritt im Vergleich zu vergangener Saison gemacht und ich sehe sie unter dem Strich als ein 6-10-Team.

Burton77767: Wie gut ist Dallas wirklich? Das war vor allem defensiv keine überzeugende Leistung gegen die Lions?

Das ist genau richtig beobachtet, und da reden wir nicht nur vom Lions-Spiel. Vielmehr haben wir eine deutliche Regression im Vergleich zur vergangenen Saison bei den Cowboys, und das auf allen Ebenen der Defense.

Byron Jones konnte seine Elite-Corner-Saison in der Vorsaison bisher nicht bestätigen, das Linebacker-Duo bestehend aus Jaylon Smith und Leighton Vander Esch ist insbesondere in Coverage deutlich anfälliger - einzig im Pass-Rush kann man insgesamt Fortschritte vermelden, weil Demarcus Lawrence nach einigen Startschwierigkeiten in der Saison angekommen ist, Robert Quinn sich als eine gute Verpflichtung entpuppt hat und mit Michael Bennett ist hier sogar noch Luft nach oben.

Doch wenn wir davon ausgehen, dass die Defense in der Summe nicht ihr Vorjahreslevel hat, kann das schon eben zu schwierigeren Spielen führen - wie etwa einer unerwartet engen Partie gegen Jeff Driskel und Bo Scarbrough in Detroit.

Die Offense auf der anderen Seite hat einfach, das lässt sich inzwischen festhalten, zwei Gesichter. Das eine Gesicht ist das, wenn sie das Passspiel öffnen, wenn die Play-Designs greifen, wenn Dak Prescott insbesondere auch bei Early Downs werfen darf. Das andere Gesicht ist die konservative, Run-Establishment-Fratze, die Dallas nur zu gerne ebenfalls zeigt. Prescott spielt zu gut dieses Jahr, als dass man ihm den Ball unnötig häufig aus der Hand nehmen sollte.

In der Summe ergibt das ein gutes, manchmal eben sehr gutes Team. Aber eben nicht mehr. So wie die Eagles sich aktuell verkaufen, sollte Dallas trotzdem als Division-Favorit in das letzte Saisondrittel gehen. In den dann anstehenden NFC-Playoffs würde ich sie Stand heute aber als das schwächste Team sehen.

Regular season Phil und appletechnikblog: Sieht Brady in deinen Augen mittlerweile wirklich so aus als sei er eben nur noch Durchschnitt? Ist das Ende also jetzt in Sicht? Oder ist der Einfluss einer schwächelnden Offensive Line und eines mieses Receiving-Corps doch ziemlich groß? Ist Brady endgültig über den Zenit?

"Nur noch Durchschnitt" wäre mir zu drastisch, auch wenn er am Sonntag wirklich nicht gut war. Ansonsten reden wir, auf die Saison gesehen, in meinen Augen relativ konstant vom etwa zehntbesten Quarterback der Liga. Mal vielleicht Platz 8, mal Platz 12, aber in dieser Range.

Auffällig ist, dass er mit Druck deutlich größere Probleme hat als in den vergangenen Jahren. Das geht auch auf sein Pocket-Movement zurück, das einfach nicht diese Effizienz und Antizipation hat, an die wir uns bei Brady über die letzten drei, vier Jahre extrem gewöhnt haben. Und kombiniert man das dann mit der Tatsache, dass er auch deutlich häufiger unter Druck steht als in den vergangenen drei Jahren, ist das Ergebnis natürlich unschön.

Darüber hinaus ist das Passspiel weniger gefährlich als letztes Jahr, was maßgeblich auch am Fehlen von Rob Gronkowski liegen könnte. Die Patriots haben auf die Saison gesehen gar nicht so sehr vertikal, aber insbesondere in der Mid-Range (zehn bis 20 Yards Downfield) Probleme, vergleicht man es etwa mit letztem Jahr. Das war stets Gronk-Territorium.

Es ist ein Zusammenspiel vieler Dinge. Brady hat sich in der Pocket verschlechtert, die Waffen sind schlechter, man ist ausrechenbarer geworden und die Offensive Line ist deutlich schlechter. Das letzte Saisondrittel wird hier sehr spannend: Lässt Bradys Arm nach, wenn es kälter und windiger wird? Können Isaiah Wynn, N'Keal Harry und Mo Sanu der Offense insgesamt eine neue Richtung geben? Und finden die Patriots ihre Matchup-Waffen für ein vertikales Passspiel auch ohne Tight Ends? Brady ist immer noch gut genug, aber er wird die Offense nicht alleine tragen.

Marvin Schaller: Ist es an der Zeit, sich aus Tampa Bays Sicht nach einem neuen Quarterback umzusehen?

Ja, auch wenn das Spiel gegen die Saints mal wieder auch ein Beispiel für Winston-Pech war - diese "Rücken-Interception" von Howard und die absurd abgefälschte Interception wenig später, da kann man Winston keine großartigen Vorwürfe machen. Bei den anderen Picks sieht das natürlich anders aus.

Die Turnover sind einfach ein Problem und in dieser Offense werden sie auch nicht weniger werden. Das ist dann vielleicht auch der andere Punkt: Die Offense von Bruce Arians verlangt viel vom Quarterback und hat erhöhtes Turnover-Risiko; und Winston hat zusätzlich dazu zu viele individuelle Aussetzer, die weitere Turnover hinzuzufügen, dass unter dem Strich der Ball zu häufig an den Gegner geht.

Neben der Tatsache, dass so Spiele verloren werden, hat das auch den Effekt, dass das Narrativ rund um Winston immer weitere Nahrung erhält; teilweise gerechtfertigt, teilweise ungerechtfertigt. Winston braucht anderswo einen Neustart, in einer anderen Offense. Und die Bucs brauchen einen Neustart mit einem Quarterback, der die individuellen Turnover runter schraubt und dabei trotzdem aggressiv im vertikalen Passspiel agiert.

Die Frage ist nur: Ist Bruce Arians bereit, einen Rookie-Quarterback heranzuziehen? Denn in der Free Agency werden sie einen solchen Quarterback vermutlich nicht finden. Andy Dalton wäre dafür vermutlich meine Wahl.

Niklas und lgw1899: Siehst du im Cardinals-Backfield eine Wachablösung? Oder glaubst du, Johnson bekommt wieder seine übliche Rolle?

Was auch immer der Grund dafür ist, aber Johnson ist definitiv nicht ansatzweise in Topform. Das mag ein Verletzungsproblem sein - er hatte ja bereits mit einigen Blessuren auch dieses Jahr wieder zu kämpfen -, es mag auch sein, dass er sich ein paar Prozentpunkte schont, nachdem er bezahlt wurde.

So oder so: Die Realität ist, dass Kenyan Drake bereits im Training vor dem 49ers-Spiel den Großteil der - medial beobachteten - Snaps mit der Starting-Offense absolviert hat. Und in Arizona hat man im Zuge des Drake-Trades kein Geheimnis darum gemacht, dass man Drake für die Free Agency nach der Saison auf dem Zettel hatte. Das hat mich schon stutzig gemacht, wenn man sieht, wie sich Chase Edmonds neben Johnson präsentiert hat.

Doch die Realität ist auch, dass Edmonds deutlich explosiver aussah als Johnson über die ersten Wochen - und dann kam Drake und sah vom ersten Spiel weg viel besser in dieser Offense aus als Johnson bisher. Vielleicht überlegt Arizona, sich von Johnson zu trennen, das würde ich nicht mehr ausschließen. Für den Moment sind Drake und Edmonds die besseren Optionen für die Offense und Drake bis auf weiteres in meinen Augen der Starter.

Finanziell wäre ein Johnson-Abgang nur via Trade realistisch. Sechs Millionen Dollar an Dead Cap würden bleiben, würde Arizona einen Trade-Partner finden. Angesichts von Johnsons Vertrag müsse man ihn aber ohne Gegenwert abgeben.

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