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March Madness - Draft-Experte Torben Adelhardt im Interview: Holmgren? "Kein Team, bei dem er nicht reinpasst"

A.J. Griffin wird als potenzieller Top-5-Pick im kommenden NBA Draft gehandelt.
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Viele dürften da jetzt Paolo Banchero in der Aufzählung vermissen.

Adelhardt: Ja, Banchero ist ein spezieller Fall. Er ist bisher am weitesten von allen, was seine Entwicklung angeht, kann mit dem Ball unheimlich viel anfangen, hat eine tolle Fußarbeit. Er ist am College ein wandelndes Mismatch, kann kleinere Spieler aufposten und an größeren vorbeiziehen. Meine Frage ist, ob diese Vorteile in der NBA gegen bessere und körperlich stärkere Konkurrenz marginalisiert werden. Er ist zudem jemand, der den Ball viel in der Hand braucht, um effektiv zu sein. Aber ich bin mir nicht sicher, ob er gut genug sein wird, um diese Rolle als Nr. 1 in der NBA auszufüllen, oder ob er lernen kann, eine gute Nr. 2 zu werden. Er ist kurz gesagt weniger skalierbar als etwa Holmgren, auch wenn er ebenfalls riesiges Potenzial besitzt. Diese Skalierbarkeit gewichte ich höher als die momentanen Self-Creation Skills, weshalb Banchero und auch Jaden Ivey bei mir aktuell auf 4 und 5 stehen und nicht höher.

Dazwischen steht auf Ihrem derzeitigen Big Board noch A.J. Griffin, ein Wing, der unter anderem mit Jaylen Brown oder Jimmy Butler verglichen wird. Was zeichnet ihn aus und was fehlt ihm noch?

Adelhardt: Er ist der Spieler, bei dem wir die meiste Phantasie mitbringen müssen. Er hatte großes Verletzungspech, musste eine gesamte High-School-Saison aussetzen, hat dafür in der Zeit Reha und Workouts bei den Raptors absolvieren können, weil sein Vater dort als Assistant Coach arbeitet. Er musste langsam an sein körperliches Maximum herangeführt werden, weshalb er zu Beginn der NCAA-Saison ganz anders aussah als jetzt. Aber das wurde mit der Zeit besser, und nun bringt auch er ein spannendes Paket mit: Er hat einen richtig kräftigen Körper, obwohl er einer der jüngsten Spieler des Jahrgangs ist, und er ist zudem einer der besten Shooter auf den Wing-Positionen. Er hat gute Dribbling-Moves, wobei er so viel noch gar nicht zeigen konnte, da seine Rolle in Duke bei einer Starting Five mit fünf möglichen NBA-Spielern eher gering ist. Er ist On-Ball bereits ein guter Verteidiger. Er ist momentan eher Play-Finisher als Play-Creator, aber sein Skillset und sein Körper laden zum Träumen ein. Wenn seine Athletik zurückkommt und sein Medical gut aussieht, ist das jemand, der in anderen Jahren auch schon mal an Nummer eins gepickt wurde. Jedes Team will solche Two-Way-Wings haben. Und wenn sie dann noch so gut werfen können wie er ... ich bin mir bei ihm einfach sicher, dass er eine gute Rolle spielen kann auch in Playoff-Situationen, selbst wenn die On-Ball-Creation nicht so da ist.

Die derzeit weit verbreitete "Top 5" rundet Ivey ab, der einzige Guard, der momentan so hoch geführt wird. Was für ein Spielertyp ist er?

Adelhardt: Im Prinzip ist er ein Combo-Guard, der sich eher zum Playmaker entwickelt hat. Der Vergleich mit Ja Morant gefällt mir gar nicht und ist sehr oberflächlich, weil beide diese krasse Athletik mitbringen und immer wieder zum Korb kommen. Man vergisst da, dass Morant schon am College ein herausragender Passer war, der nicht nur durch seine Athletik für andere kreieren konnte, sondern auch im Pick'n'Roll, Swing-Pässe und so weiter. Ivey ist das nicht, er war oft eher der klassische Off-Guard, erst in seiner zweiten Saison am College hat er sich mehr Richtung On-Ball-Playmaker entwickelt. Und er ist mittlerweile gut darin, seine Rim Pressure so zu nutzen, dass er auch andere finden kann. Der Druck ist wirklich nicht zu unterschätzen: Wenn er einen Block nutzt und Dampf aufnimmt, dann ist für die Defense alles verloren. Das wird er auch in die NBA übertragen können. Shooting ist für ihn der Swing-Skill, und er ist auch defensiv interessant, weil seine Athletik so bemerkenswert ist. Das macht auch ihn zu einem total spannenden Spielertypen für die Liga. Es ist ja heute ohnehin nicht mehr so nötig, dass die Point Guards Super-Brains a la Chris Paul sind.

Wen sollte man während des Turniers ansonsten im Auge behalten? Wer könnte noch einen Sprung machen oder seine Position vielleicht auch verschlechtern?

Adelhardt: Bennedict Mathurin kommt mir da in den Sinn. Arizona ist vielleicht Titelkandidat Nr. 1, und wenn er im Final Four Most Outstanding Player wird, dann könnte es einen Sprung geben. Er hat ein gutes Skillset für die Liga, kann passen, werfen und als Slasher auftreten. Er hat einen guten Wurf aus der Bewegung, ist sehr athletisch, ein guter Cutter, und er hat sich auch als Ballhandler sehr positiv entwickelt. Vielleicht schafft er es sogar in die Top 5. Tari Eason von LSU ist ein Power-Wing, der momentan vielleicht noch ein wenig unterschätzt wird. Titelverteidiger Baylor hat mit Kendall Brown und Jeremy Sochan, der früher bei Ulm gespielt hat, auch zwei Kandidaten. Sochan erinnert ein wenig an Brandon Clarke, er bringt von allem etwas, hat ein tolles Spielverständnis, kann selbst ein bisschen kreieren, ist athletisch und kann variabel verteidigen. In die andere Richtung könnte es vielleicht bei TyTy Washington gehen, wenn Kentucky ein schwaches Turnier spielt, weil er für einen Guard ein ziemlich ungewöhnliches Skillset mitbringt und sich Leute, die ihn ohnehin kritisch sehen, durch eine Enttäuschung sicherlich bestätigt sehen würden.

Haben Sie noch einen persönlichen Favoriten? Team oder Spieler.

Adelhardt: Team und Spieler! Ich sehe Stephen Currys Alma Mater gerne zu, den Davidson Wildcats. Sie spielen eine interessante NBA-Offense, mit viel Off-Ball Movement und vielen Screens. Sie haben mit Lee Hyun-Jung den vielleicht besten Shooter des Jahrgangs, gerade aus der Bewegung. Er hat eine gute Länge für einen Wing, ohne der größte Athlet zu sein, aber er ist total clever und könnte als Shooting Wing reizvoll sein. Er wird zumeist ans Ende der ersten oder an den Anfang der zweiten Runde projiziert, vielleicht helfen ihm ein oder zwei Upsets da noch weiter.

Lee Hyun-Jung besticht durch seinen überragenden Shooting Touch.
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Lee Hyun-Jung besticht durch seinen überragenden Shooting Touch.

Es ist ja noch lange hin bis zum Draft, Anmeldungen etc. stehen alle noch aus. Aber vielleicht als erste Einschätzung: Wie ist der Jahrgang allgemein zu sehen?

Adelhardt: Ich sehe ihn recht positiv, im Gegensatz zu vielen anderen. Wobei ich mir das auch bewusst angewöhnt habe. Ich weiß noch, wie vor zwei Jahren ständig vom schlechtesten Jahrgang seit Jahrzehnten die Rede war, und nun sehen wir, wie wir alle über LaMelo Ball, Anthony Edwards oder Tyrese Haliburton denken. Es war sicher nicht der tiefste Jahrgang, aber das war einfach zu negativ. Auf dieses Jahr bezogen: Ich bin mir nicht sicher, ob ein Franchise Player dabei ist, da muss sicherlich einiges zusammen kommen, aber ich sehe eine große Riege an Wings, die ihren Platz finden werden. Es sind ziemlich sicher mehrere All-Stars dabei und darüber hinaus gibt es viele Spieler, die vielleicht eher Rollenspieler werden, aber bestens zum Zeitgeist der Liga passen. Es braucht einfach jedes Team Wings, die dribbeln, passen und werfen können. Davon gibt es eine ganze Menge.

Dann brauchen wir zum Ende natürlich noch eine Prognose. Wer schneidet am Ende die Netze ab?

Adelhardt: Gonzaga erreicht das Final Four, das will ich als Holgrem-Fan einfach sehen. Virginia Tech ist für mich das Dark Horse, die Hokies sind zwar bloß ein 11-Seed, haben jetzt aber das ACC Tournament gewonnen und sich souverän gegen Duke im Finale durchgesetzt. Sie spielen auch eine sehr schöne, NBA-artige Offense. Das wäre der Deep Cut, ansonsten tippe ich noch auf die 1-Seeds Arizona und Kansas. Etwas langweilig vielleicht. Im Finale dann Arizona gegen Gonzaga, und, wie gesagt: Ich bin Holmgren-Fan.

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