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NBA - Mavs-Gesundheitsdirektor Casey Smith im Interview: "Kobe und LeBron haben ständig nach Dirk gefragt"

Dirk Nowitzki und Kobe Bryant respektierten sich als Rivalen.
© getty
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Chandler hatte in Dallas prompt eins seiner besten Jahre. Wie kann es denn angehen, dass so jemand durch den Medizincheck fällt?

Smith: Ich kann nicht beurteilen, warum es passiert ist, jedes Team hat andere Gewichtungen. Er hatte in den Jahren vorher viele Probleme, aber er kam mit der richtigen Einstellung zu uns und hat sich helfen lassen. Ich habe ihn aber nicht gesund gemacht, das kam schon von ihm selbst. Ich muss dazu sagen: Bei jedem Check hat man auch die Vertragslaufzeit im Hinterkopf. Ein Team, das einen Spieler für fünf Jahre verpflichten will, geht mit einer anderen Gewichtung an diesen Check als eins, bei dem es um nur die nächste Saison geht.

Auch während den Finals waren Sie dann gefragt, als Nowitzki seine Version des "Flu Games" hatte. Wie lief dieses Spiel damals aus Ihrer Perspektive ab?

Smith: Er hatte sich vorher schon nicht gut gefühlt. Es war ja eine Sinus-Infektion und die baut sich normalerweise über mehrere Tage auf. Wir hatten am Abend noch gesprochen und am Morgen des Spiels rief er mich an, weil es ihm noch schlechter ging. Wir haben ihn dann untersuchen lassen, er war ja auch nicht beim Shootaround, aber wir entschieden, erstmal kein Statement abzugeben. Er sagte: "Ich werde spielen. Es spielt keine Rolle. Wir müssen nicht darüber reden, dass ich krank bin, wenn ich spiele. Das würde nur Sinn ergeben, wenn ich nicht spiele." Deswegen haben wir uns daran gehalten. Als das Spiel dann los ging, konnte man natürlich eindeutig sehen, dass er sich nicht gut fühlte. Cuban war fuchsteufelswild und fragte, was denn hier los sei. Ich sagte ihm, dass Dirk hohes Fieber hatte und sich schon den ganzen Tag schrecklich fühlte. Da wurde er ganz kleinlaut und sagte nur: "Oh, okay." Aber das war einfach Dirk, er wollte unbedingt spielen. Das hätte er wohl nur dann nicht getan, wenn er keine Flüssigkeiten hätte bei sich behalten können.

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"The Last Dance" hat noch einmal erklärt, dass es sich bei Jordan um eine Lebensmittelvergiftung handelte. Wäre Dirks Version dann nicht das bessere Flu Game?

Smith: (lacht) Eigentlich haben wir hier das gleiche Problem. "Sinus Infection Game" klingt ja ähnlich sperrig wie "Food Poisoning Game." Ich akzeptiere "Flu Game" für beide Spiele, obwohl beiden keine Grippe zugrunde lag.

Wenig später gewannen die Mavs dann ihren bisher einzigen Titel. Hat sich Dirk dadurch Ihrer Meinung nach verwandelt?

Smith: Jeder große Athlet wird am Ende an seinen Erfolgen gemessen, gerade im Basketball. Denken Sie an Karl Malone, Charles Barkley, Steve Nash - das sind alles großartige Spieler, die alle darin übereinstimmen, dass in ihrer Karriere nur die Meisterschaft fehlt. Ich denke, wenn das ausbleibt, dann fehlt in gewisser Weise die letzte Bestätigung. Das ist der Unterschied von Sport zu Kunst oder Musik. Wir können großartige Kunst um ihrer Selbst willen wertschätzen. Aber Sport ist ein Wettbewerb. Deswegen geht es am Ende immer darum, wer gewonnen und wer verloren hat. Das liegt in der Natur der Sache - ob es nun fair ist, weiß ich nicht, aber es ist unser Bezugsrahmen.

Nowitzki spielte danach noch bis 2019 weiter, hatte eine enorm lange Karriere. Dabei hatte er gerade nach 2004 nur wenige Verletzungen. Nach Ihrer Einschätzung: Wie viel davon ist Glück und wie groß ist der Anteil der erwähnten Arbeitseinstellung?

Smith: Ich glaube, die Arbeitseinstellung hat einen großen Einfluss auf das Glück. Er hat über die Jahre sehr gut darauf geachtet, sich gut zu ernähren, die richtigen Behandlungen zu machen, richtig zu schlafen ... das sind sehr wichtige begünstigende Faktoren, auch wenn sie nicht vor einer plötzlichen Unfall-Verletzung retten. Die meisten großartigen Spieler sind großartige Schläfer. Ein regelmäßiger Schlafrhythmus ist für die Gesundheit sehr wichtig.

Lässt sich gerade letzter Punkt auch jungen Spielern gut vermitteln?

Smith: Man kann es ihnen sagen, wie viele Vorteile regelmäßiger Schlaf hat. Aber junge Spieler bleiben natürlich junge Spieler. Und die meisten von uns müssen das einfach über die Jahre selbst lernen. Das ist daher immer ein interessanter Tanz mit den jungen Spielern, wenn es um den Schlaf geht. Aber viele sind auch empfänglich für unsere Tipps.

Welche sind das konkret?

Smith: Sie sollen alle Bildschirme rund eine Stunde bevor sie schlafen gehen abstellen. Oder, wenn das nicht geht, zumindest das Handy auf Nachtmodus schalten. Außerdem raten wir ihnen, den Raum etwas runterzukühlen, die Vorhänge zu schließen und etwas zu tun, um ein wenig abzuschalten, beispielsweise ein Buch lesen, meditieren oder Musik hören. Gerade der Punkt mit den Bildschirmen ist allerdings schwierig umsetzbar bei der jüngeren Generation.

Sie arbeiten nun seit 2000 mit NBA-Spielern. Sind jüngere Spieler heute etwas rezeptiver für solche Ratschläge oder ist das immer gleich geblieben?

Smith: Ich glaube, es wird erkannt, dass es zunehmend wichtig ist, Methoden zu erlernen, um den Fokus zu behalten. Vor allem Social Media sorgt dafür, dass die Spieler quasi rund um die Uhr berieselt werden können, das ist aber in dieser Form nicht gesund. Deswegen ist es umso wichtiger zu lernen, wie man den Bullshit rausfiltern kann. Das merken viele Spieler von sich aus, gerade jetzt, wo über die letzten Jahre auch vermehrt über mentale Gesundheit gesprochen wird. Aber dafür stehen wir ihnen auch weiterhin zur Verfügung.