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NBA - Mavs-Gesundheitsdirektor Casey Smith im Interview: "Kobe und LeBron haben ständig nach Dirk gefragt"

Dirk Nowitzki und Kobe Bryant respektierten sich als Rivalen.
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Sie kamen im Jahr 2004 nach Dallas. Damals war Dirk bereits Franchise Player des Teams. Wie lief Ihr erstes Treffen?

Smith: Wir hatten gerade das gesamte medizinische Team ausgetauscht. Ich fing im Juli an, betreute die Summer League und so weiter, und Dirk kam erst Ende August oder Anfang September zurück. Damals machten sich alle Sorgen um seine Gesundheit, insbesondere seine Knöchel und seine Knie, weil er in den vorigen Jahren ein paar Probleme gehabt hatte. Deswegen drängten mich alle, mit ihm zu arbeiten. Es half mir, dass ich Dirk vorher schon ein bisschen kannte. Ich war mit Steve Nash befreundet und hatte zuvor ja für die Phoenix Suns gearbeitet. Nash war zwar zu dem Zeitpunkt kein Suns-Spieler, aber er verbrachte den Sommer in Arizona und trainierte im Sommer mit uns, weil seine Eltern dort lebten. Steve hat mir dann auch mit Dirk und generell in Dallas geholfen.

Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Eindruck von Dirk?

Smith: Zunächst erlebte ich ihn ja als einen unserer Konkurrenten in der Western Conference. Er sprach nicht viel, als er jung war, wirkte eher schüchtern, und wir dachten immer: Wir können uns nicht von diesem stillen Typen fertigmachen lassen! Als ich mit ihm arbeitete und seine Mentalität kennenlernte, wurde es ein anderer Eindruck. Bei jedem Spieler, egal wie talentiert er ist, wächst mein Respekt ungemein, wenn ich seine Einstellung zur Arbeit sehe. Das kann ein Hall-of-Famer wie Dirk Nowitzki sein, aber auch jemand wie J.J. Barea, der sich vor allem dadurch eine lange professionelle Karriere ermöglicht hat. Bei unserem aktuellen Team zähle ich auch Dwight Powell oder Maxi Kleber dazu, Jungs, die einfach kompromisslos dafür arbeiten, ihren Traum zu verwirklichen.

Welcher Moment ließ Sie realisieren, dass Nowitzki eine spezielle Arbeitseinstellung hatte?

Smith: Das war im ersten Training Camp. Das ist normalerweise sehr schwer, nach dem Spiel wollen die Spieler nur noch stretchen, aber Dirk wollte immer nach dem Training noch weitermachen, eine Stunde oder länger. Manchmal im Kraftraum, manchmal auch in Zusammenarbeit mit Holger (Geschwindner, d. Red.) oder anderen Coaches. Es hat ihm einfach nie gereicht.

Holger Geschwindner und Dirk Nowitzki arbeitet schon seit vielen Jahren zusammen.
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Holger Geschwindner und Dirk Nowitzki arbeitet schon seit vielen Jahren zusammen.

Wenn Sie einen Spieler zum ersten Mal sehen, wie schätzen Sie dessen physischen Zustand ein?

Smith: Mein erster Blick gilt der bisherigen Krankheitsakte. Frühere Verletzungen sind der zuverlässigste Indikator dafür, ob und welche Verletzungen ein Spieler in seiner weiteren Karriere haben wird. Es geht auch darum, herauszufinden, wie sich diese Verletzungen ereignet haben. Und dann ist es so, dass wir ja lange zusammenarbeiten und deswegen jeden Tag ein paar Sachen ausprobieren. Spieler sollen nicht denken, dass sie in einem Labor sind, daher gibt es nicht einfach sechs Stunden durchgängig Tests, sondern ich sehe mir sie über einen längeren Zeitraum aus unterschiedlichen Perspektiven an. Das ist auch wichtig, um Vertrauen aufzubauen. Wenn die Spieler mich kennen und ich sie kenne, bekomme ich ein kompletteres Bild als durch einen Tag voller Tests.

Lässt sich denn wirklich einigermaßen zuverlässig vorhersagen, wie lange ein Spieler beispielsweise auf hohem Niveau spielen kann, wenn er so und so viel trainiert und auf sich achtet?

Smith: Es gibt biomechanische und anatomische Indikatoren, die einen Einfluss auf Verletzungen haben. Gegen manche davon kann man gezielt trainieren, gegen andere nicht, eine Fehlstellung der Hüfte etwa bekommt man nicht durch Übungen weg. Aber es ist keine perfekte Wissenschaft. Wir haben Spieler mit tollen Knien gesehen, die sich trotzdem verletzt haben, und es gibt auch Spieler mit komischer Mechanik, die ewig spielen. Also sind nur gewisse Vorhersagen möglich.

In der jüngeren Vergangenheit war Stephen Curry ein Spieler, bei dem man nach den ersten paar Jahren dachte, die Knöchel würden niemals halten, dann fand er auf einmal eine Möglichkeit, sich zu stabilisieren.

Smith: Bei Dirk war es durchaus ähnlich. Als ich hier anfing, hieß es auch immer nur, er hat miese Knöchel. Er hat keine miesen Knöchel. Er hatte Dinge, an denen er arbeiten musste, aber das haben wir getan und deshalb waren die Knöchel für ihn ab einem gewissen Punkt keine Problemzone mehr. Als ich ihn kennenlernte, identifizierten wir seine Hüfte und sein unteres Abdomen als Bereiche, in denen er stärker werden musste, um stabiler zu werden. Dadurch nahmen wir Stress von seinen Knöcheln und er hat das bis zum Ende seiner Karriere durchgezogen.

Sie hatten Holger Geschwindner schon kurz angesprochen. Dirks Mentor hat sich mit teils sehr eigenen Methoden um sein Spiel und seine Gesundheit gekümmert. Wie sah Ihr Austausch mit Geschwindner über die Jahre aus?

Smith: Holger und ich hatten von Anfang an in vielen Dingen die gleiche Ansicht, was die Biomechanik und solche Dinge angeht. Holger ist manchmal etwas forsch in seiner Kommunikation, da kommt der verrückte Professor raus, aber seine Methoden haben mich schon immer überzeugt. Sie hatten offensichtlich auch einen sehr positiven Einfluss auf Dirk. Aber ich fand ihn überhaupt nicht verrückt, mir hat der Austausch immer gut gefallen. Ich habe viel von ihm gelernt und ich hoffe, das beruhte auf Gegenseitigkeit. Sein Ruf kommt oft einfach daher, dass er Physiker ist und die Dinge aus einer anderen Perspektive sieht. Das ist aber sehr wertvoll. Wir haben einiges davon in unsere Arbeit mit aufgenommen und auch Dirk hat einige Übungen an andere Spieler weitergegeben.