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NBA Finals – "Größer als Basketball": Pascal Siakam widmet grandioses Spiel 1 seinem Vater

Pascal Siakam war der Star in Spiel 1 der NBA Finals.
© getty

Pascal Siakam wandelte in Spiel 1 der NBA Finals auf den Spuren von Shaquille O'Neal und widmete den Sieg im Anschluss seinem verstorbenen Vater. Es war dabei nur die jüngste Episode einer Laufbahn, in der das Unmögliche immer wieder möglich gemacht wird.

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Es wäre untertrieben, die Playoffs 2019 als "Stahlbad" für Pascal Siakam zu bezeichnen. Nach seiner Coming-Out-Party in der Regular Season lesen sich die direkten Duelle für den Kameruner in den vergangenen drei Serien wie folgt: Joel Embiid, zweimaliger All-Defensive Team Center. Giannis Antetokounmpo, möglicher Defensive Player of the Year 2019. Und nun Draymond Green, DPOY 2017, einer der besten Defensiv-Spieler der jüngeren NBA-Geschichte.

Siakam hat sich diese Aufmerksamkeit und den Respekt gegnerischer Coaches - und Spieler - verdient. Jeder weiß, wie gut er sich entwickelt hat und wie wichtig er für die Offense der Raptors ist, wenn er ins Rollen kommt. "Man muss den Hut vor ihm ziehen", sagte Green nach Spiel 1.

"Er ist ein 'Guy' geworden, einer, für den man planen muss. Er hat viel Arbeit investiert und das respektiere ich. Ich muss ihn aus dieser Serie rausnehmen", sah sich Green selbst in der Verantwortung. "Ich habe ihn früh einen Rhythmus finden lassen, das muss besser werden."

Immerhin: Viel schlechter als in Spiel 1 kann es aus Warriors-Perspektive auch gar nicht werden.

Klay Thompson: "Wir spielen nicht gegen Kawhi"

Der defensive Game-Plan der Warriors zielte darauf ab, Raptors-Superstar Kawhi Leonard zum Passgeber und nicht zum Scorer zu machen. Das gelang vor allem in der ersten Hälfte gut, am Ende blieb Leonard mit 23 Punkten klar unter seinem Playoff-Schnitt. Nur opfert man durch die vielen Double-Teams auch etwas, zumal die Dubs ihre Defensiv-Possessions nicht immer sauber zu Ende spielten.

Spieler wie Marc Gasol, Danny Green oder eben Siakam wurden immer wieder zu offenen Würfen eingeladen, weil entscheidende Rotationen verschlafen wurden, nachdem Leonard gedoppelt wurde. "Wir haben Kawhi recht gut verteidigt. Aber wir spielen nicht gegen Kawhi, sondern gegen die Toronto Raptors", analysierte Klay Thompson richtigerweise.

In Game 1 bewiesen die Kanadier ein weiteres Mal, dass sie eben nicht nur aus dem Superstar bestehen. Gasol erzielte 20 Punkte, Green 11, Fred VanVleet 15. In den Schatten gestellt wurden sie trotzdem allesamt von Siakam, der mit 32 Punkten sogar einen neuen Bestwert in den Playoffs aufstellte.

Pascal Siakam glänzt im direkten Duell mit Draymond Green

Mehr als die bloße Punktzahl beeindruckte dabei, WIE Siakam an seine Punkte kam. Die Warriors gaben ihm den Dreier, er versenkte zwei von drei Versuchen. Sie switchten viel, sodass er teilweise Mismatches auch gegen Stephen Curry bekam, die er konsequent bestrafte. Aber auch isoliert, in Eins-gegen-Eins-Situationen gegen Green, kam Siakam an Punkte.

Green hat vor dem Start der Serie seinen Anspruch formuliert, der "beste Verteidiger aller Zeiten" zu sein, Siakam zeigte sich davon unbeeindruckt. 16 seiner 32 Punkte kamen laut nba.com/stats mit Green als primärem Verteidiger. Seine Schnelligkeit, gepaart mit den langen Armen, der tollen Fußarbeit und der Athletik frustrierten selbst Green, der sonst so selten ein individuelles Matchup verliert.

Den vielleicht größten Schaden richtete Siakam indes wieder mal in Transition an. Etliche Male enteilte er der eher fahrigen Warriors-Defense insbesondere nach deren Ballverlusten und erbeutete seinem Team einfache Punkte. Siakams größte Stärke - sein Motor - stellte wohl den größten Unterschied zwischen beiden Teams dar.

Pascal Siakam auf den Spuren von Shaquille O'Neal

Die Raptors wirkten an diesem, für sie historischen, Tag hungriger. Von der beeindruckenden Kulisse in Toronto ließen sie sich nicht einschüchtern, sondern beflügeln. Defensiv spielten sie eine, abgesehen von einigen Schwächen beim Rebound, nahezu perfekte Partie, in der sie den Warriors unglaublich gut ihre Stärken nahmen.

Und offensiv profitierten sie davon, dass einer, der erst vor wenigen Jahren mit dem Basketball anfing und noch letzte Saison ein Energizer von der Bank war, eine unheimlich dominante Vorstellung aufs Parkett zauberte. Seit Shaquille O'Neal im Jahr 2004 hatte kein Spieler mehr mindestens 30 Punkte bei 80 Prozent oder mehr aus dem Feld in den Finals aufgelegt.

Siakam schaffte dies bei seinem Debüt auf der größten Bühne. Man kam aus dem Staunen kaum mehr heraus, zumal sich eine solche Leistung in den letzten beiden Runden nicht mehr unbedingt angekündigt hatte. Gegen die Sixers, aber vor allem gegen die Bucks hatte sich Siakam schwer getan. Siakam ist der Favorit auf den MIP-Award, aber gerade diese Serie hatte gezeigt, dass der Wurf - und mit ihm die Effektivität im Halbfeld - noch immer teilweise kommt und geht.

Die Statistiken von Pascal Siakam in den Playoffs

GegnerPunkteReboundsAssistsFG3FG
Magic (5 Spiele)18,08,43,053,3%36,4%
Sixers (7 Spiele)19,46,42,144,1%27,3%
Bucks (6 Spiele)14,56,52,340%25%
Spiel 1 vs. Warriors327514/172/3

Nick Nurse schwärmt von Siakams Mentalität

Spiel 1 wiederum zeigte nun, wie schnell Siakam dazulernt und wie gefährlich er trotzdem sein kann, wenn er schnelle Entscheidungen trifft. Seine Entwicklung verläuft in riesigen Schritten. Das zieht sich durch seine gesamte (kurze) Laufbahn, was auch sein Head Coach nach der Partie mit einer Anekdote untermauerte.

"Es ist jetzt zwei Jahre her. Nachdem wir ausgeschieden sind, ist er direkt am nächsten Tag in die Halle gegangen und sagte: ‚Ich muss lernen, wie man wirft. Ich sehe, dass man in den Playoffs in der Lage sein muss, zu werfen, wenn man auf dem Court stehen will'", sagte Nick Nurse. Siakam änderte seinen Wurf, in dieser Saison traf er bereits 36,9 Prozent von Downtown, Tendenz steigend.

"Ich höre oft, wie er gefragt wird, ob er von alledem überrascht ist", so Nurse. "Er sagt immer wieder: 'Nein, das ist das, was ich mir schon immer für mich ausgemalt habe.' Ich glaube, das ist ein sehr kraftvolles Statement. Er glaubt an sich selbst und arbeitet mit großem Ehrgeiz dafür."

Pascal Siakam widmet den Sieg seinem Vater

Es ist dieser Ehrgeiz und dieses Selbstvertrauen, die Siakam binnen weniger Jahre von einem Priesterseminar in Kamerun zu einem College-Stipendium in den USA, von einem rohen Athleten zu einem Nr.27-Pick und nun von einem reinen Energizer zu einem "Guy" in den NBA Finals gemacht haben. Siakam widmete den Sieg wie schon seine gesamten Playoffs seinem Vater Tchamo, der 2014 in einem Autounfall ums Leben gekommen war.

"Die Leute sagen mir immer: 'Wir wissen, dass er stolz auf dich ist.' Ich würde das gerne von ihm hören. Das wäre wirklich cool", sagte Siakam nach dem Spiel seines bisherigen Lebens. "Ich habe eine größere Bestimmung. Ich spiele für etwas, das größer ist als Basketball."

Die Raptors tun gut daran, diese Mentalität auf die ganze Serie zu übertragen. Die Geschichte von Siakam zeigt, dass ein solcher Glaube an sich selbst verdammt viel möglich macht.

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