NBA

"Tonnen von Emotionen"

Stephen Currys überragende Saison könnte mit etwas Pech vorzeitig beendet sein
© getty

Als Stephen Curry sich in Spiel 4 das Knie verdrehte, ging ein kollektiver Schock durch die Basketball-Welt. Eine Diagnose gibt es jetzt, sie lässt die Golden State Warriors nicht gerade vor Optimismus strotzen. Auch wenn die Dubs im Anschluss eine beeindruckende Reaktion zeigten, scheint das nahezu abgeschlossene Meister-Rennen schlagartig wieder völlig offen.

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Draymond Green kniete sich langsam hin und legte seinen Arm um Stephen Curry, der mit Tränen in den Augen vornübergebeugt auf der Warriors-Bank saß. "Geh' raus hier", flüsterte Green seinem Kumpel ins Ohr. "Erlaube es den Leuten nicht, dich so zu sehen. Wir kümmern uns darum. Wir werden dieses Spiel für dich gewinnen."

Curry gehorchte. Erst wischte er sich die Tränen ab, dann humpelte er Richtung Kabine. Und in der Folge hielten die Warriors, hielt Green Wort. Inspiriert von den Emotionen ihres MVPs legten die Dubs in Halbzeit zwei eine denkwürdige Vorstellung hin, stellten einen Dreier-Rekord (VIDEO) auf und verprügelten Houston nach Strich und Faden.

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"Jemanden wie ihn so zu sehen, nachdem er sich verletzt hat", erklärte Marreese Speights, "das haben wir in unserem Herzen gespürt. Er wird normalerweise nie emotional in dieser Art. Er bewahrt sich immer die Fassung."

Durchhalteparolen der Warriors

Die Fassung bewahren - das ist ein gutes Stichwort, nicht nur für Curry oder die Warriors, sondern für die gesamte Basketball-Gemeinde. Seit Monaten galt Golden State als nahezu sicherer Meister - gegen kein Team hatten sie mehr als einmal verloren und natürlich die beste Saisonbilanz der Geschichte aufgelegt. "Solange sich Curry oder Green nicht verletzen..." war bei vielen Meister-Picks der einzige Zusatz.

Und jetzt? Jetzt ist Curry verletzt. Man weiß nur noch nicht, wie schwer - am Montag soll eine MRT-Untersuchung Aufschlüsse geben. Noch am Sonntag geisterten Gerüchte durch die Arena, es handle sich um eine Innenbanddehnung. Das bedeutet in leichten Fällen, dass Curry um die zwei Wochen pausieren müsste - es kann sich aber auch deutlich länger hinziehen.

Dementsprechend strotzte Steve Kerr nach dem Spiel auch nicht gerade vor Optimismus. "Es tut mir unglaublich leid für Steph. Aber wir müssen nach vorne blicken", sagte der Dubs-Coach nach dem Spiel und Shaun Livingston pflichtete ihm bei: "Wir müssen immer noch spielen und dürfen uns nicht auf Dinge konzentrieren, die wir nicht kontrollieren können. Wir müssen im Moment bleiben. Wenn einer von uns ausfällt, muss jemand anderes in die Bresche springen."

Charakterstärke vs. Schläfchen

In Spiel 4 gelang das großartig - gerade Green, Klay Thompson und Andre Iguodala zeigten einmal mehr tolle Leistungen, insgesamt traf das Team 21 Dreier. "Wir haben heute sehr viel Charakter bewiesen", erkannte Andrew Bogut richtig an und erklärte damit gleichermaßen, weshalb Golden State selbst ohne Curry noch deutlich über Gegner Houston anzusiedeln ist.

Der Playoff-Sonntag hatte mehrere symbolträchtige Szenen, zwei davon gehören hier jedoch erwähnt. Zum einen Grizzlies-Coach Dave Joerger, der sich nach dem Ausscheiden seines Teams den Tränen nah bei seinem Team bedankte, das trotz aller Verletzungen nie aufgegeben hatte. Zum anderen James Harden, der während des vierten Viertels mit geschlossenen Augen am Seitenrand lag.

Die Rockets wirkten schon länger wie ein Team, das eigentlich nur noch in den Urlaub wollte, das erbärmliche dritte Viertel in Spiel 4 war da nur das jüngste Beispiel. Sie werden Golden State nicht gefährlich werden und vermutlich schon bald diverse Umstrukturierungen vornehmen. Nur sind die Rockets eben auch nur einer von vier Gegnern auf dem Weg zum potenziellen Repeat.

Die Aufgaben werden nicht leichter

In der nächsten Runde werden wohl die Clippers warten und schon die sind alles andere als ein dankbarer Gegner, selbst mit Curry hatte Golden State mit ihnen mehrfach Probleme. Ganz zu schweigen von einem potenziellen Matchup mit San Antonio oder OKC in den Conference Finals.

Das Titelrennen scheint schlagartig wieder völlig offen, zumal ein "cleared to play" bei Curry auch nicht gleichbedeutend mit einem "ready to play" sein müsste. In Spiel 4 hatte er ja auch die ärztliche Freigabe, wirkte aber schon vor seinem Sturz stark limitiert. Umso mehr schmerzte es den (wahrscheinlichen) Back-to-Back-MVP, dass er sich nicht in einen Rhythmus spielen konnte.

"Natürlich fühlen wir uns nach dem Sieg gut, aber wir sind auch besorgt", gab Green daher zu. "Wir wissen, dass wir es immer noch schaffen können. Wir sind selbstbewusst und gleichzeitig besorgt, wir erleben Tonnen von Emotionen."

Meister mit Sternchen?

Curry selbst konnte, nachdem er nach dem Spiel im kleinen Kreis noch gebetet hatte, immerhin schon wieder mit einem leisen Lächeln folgendes Statement abgeben: "Ich bin ausgerutscht. Ich bin gefallen. Ich bin verletzt. Mein Team ist großartig. Ende."

Wenn es doch nur so einfach wäre. Ohne den Teufel an die Wand malen zu wollen, wären die gesamten Playoffs, die gesamte Saison mit einem Sternchen versehen, sollte Curry nun tatsächlich ausfallen und die Warriors ohne ihren Anführer ausscheiden. "x oder y ist Meister geworden, ABER nur, weil Golden State nicht bei voller Kraft war..."

Insofern wird man selbst in San Antonio, Los Angeles, Oklahoma City oder Cleveland die Daumen drücken, dass der MVP sich schnell wieder erholt. Denn das ist ja das Blöde an der Sache: Niemand, der sich in irgendeiner Form für den Sport interessiert, will die Playoffs ohne den besten Spieler der Welt erleben. Drücken wir die Daumen.

Stephen Curry im Steckbrief

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