"Ich bin viel zu abergläubisch"

Michael Kohlmann ist seit 2015 Davis-Cup-Teamchef. An seiner Seite: Niki Pilic (l.) und Dirk Dier
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SPOX: Sie haben den Posten des Davis-Cup-Kapitäns mal als Ihren Traumjob bezeichnet. Gilt das trotz der harschen Niederlage bei Ihrer Premiere gegen Frankreich immer noch?

Kohlmann: Traumjob? Ich weiß gar nicht, ob ich das jemals so gesagt habe...

SPOX: Dann stimmt das überhaupt nicht?

Kohlmann: Ich habe nur Folgendes gesagt: Wenn man als Trainer arbeitet, steckt man sich Ziele. Dann gibt es gewisse Aufgaben, die man irgendwann einmal machen möchte. Und da gehörte für mich ganz klar der Davis-Cup-Coach dazu. Dass das jetzt relativ zügig gegangen ist, habe ich natürlich so nicht erwartet. Das hat sich so ergeben und diese Aufgabe finde ich wunderbar.

SPOX: Aber der Kaltstart gegen Frankreich nur drei Wochen nach Ihrer Ernennung lief nicht optimal.

Kohlmann: Klar, die Woche in Frankfurt war schwierig. Die Vorbereitung lief relativ kurzfristig an, die Situation war für alle neu, aber es ist und bleibt für mich eine besondere Aufgabe. Und ich versuche den Spielern auch immer wieder zu vermitteln, dass diese Davis-Cup-Wochen nicht nur für den Betreuerstab, sondern auch für die Profis etwas Spezielles sind. Es muss das Hauptziel sein, dass wir dort als Mannschaft, als ein gemeinsames Team auftreten.

SPOX: Sollte das nicht jedem klar sein?

Kohlmann: Tennis ist ein Einzelsport. Ich muss es immer wieder herausstellen, dass die Jungen auch merken, dass der Davis Cup wirklich etwas Spezielles ist, hier spiele ich für mein Land.

SPOX: Dass Sie so schnell Teamchef wurden, lag ja vor allem an den Querelen zwischen Ihrem Vorgänger Carsten Arriens und Philipp Kohlschreiber. Machen Sie in Sachen Kommunikation gezielt etwas anders?

Kohlmann: Ich habe klar gesagt, wenn ich das mache, fangen wir alle bei null an. Ich stehe ständig in Kontakt mit den Spielern und versuche sie davon zu überzeugen, dass Mannschaftserfolge in der Öffentlichkeit unglaublich positiv aufgenommen werden. Dies haben wir ja in den vergangenen zwei Jahren beim deutschen Fed-Cup-Team erlebt.

SPOX: Wer hat dafür gesorgt, dass Niki Pilic als Berater im Trainerstab an Bord ist?

Kohlmann: Dies war eine gemeinsame Entscheidung des DTB-Präsidiums und mir. Ich empfand die Woche in Frankfurt mit Niki an meiner Seite super angenehm. Er war immer ansprechbar, hatte immer eine klare Meinung. Am Ende muss ich die Entscheidungen treffen, aber es ist natürlich von großer Hilfe, einen Mann mit so einer enormen Kompetenz dabei zu haben.

SPOX: Wie müssen wir uns seine Rolle vorstellen?

Kohlmann: Niki saß mit am Platz. Er hat sich jede Trainingseinheit angesehen und auch die Einheiten der Franzosen beobachtet. Wir haben ständig miteinander kommuniziert und jeden Tag über die Form unserer Spieler diskutiert.

SPOX: Am Wochenende laufen die Davis-Cup-Viertelfinals. Es drohen Ihnen harte Lose in der Relegation. Gibt es einen Wunsch?

Kohlmann: Ein Heimspiel wäre toll. Aber darüber hinaus bin ich viel zu abergläubisch, jemanden zu nennen. Es gibt keine leichten Lose. Wir müssen nicht nur mit jedem Gegner leben, wir können es auch. Wir haben auf jeden Fall gegen jede Mannschaft die Chance zu gewinnen.

SPOX: Die Doppel wurden zuletzt häufig abgegeben. Sie haben in Frankfurt den Wunsch geäußert, dass Ihre Jungs häufiger Doppel zusammen spielen sollten auf der Tour. Wie läuft es mit der Umsetzung?

Kohlmann: Schon im Frühjahr war es so, dass sie sich mehr miteinander verabredet haben. Das ist der erste Schritt. Irgendwann wünsche ich mir wieder ein deutsches Topdoppel. Im Moment haben wir das Problem, dass wir mit Andre Begemann nur einen Top-50-Spieler haben. Er muss sich also einen ausländischen Partner suchen, weil er sonst nicht in die großen Turniere reinkommt. Das ist alles nicht ganz leicht.

SPOX: Wie kann die Lösung aussehen?

Kohlmann: Ich denke, es hilft schon, wenn ein bisschen mehr Zeit miteinander verbracht wird. Wenn die Leute häufiger zusammen trainieren und spielen, lernen sie sich automatisch besser kennen. Dann müssen wir nicht immer erst in der Davis-Cup-Woche ein ganz neues Pärchen zusammensetzen. In einem Doppel hilft es gewaltig, wenn man gut miteinander auskommt. Das macht manchmal den Unterschied aus.

SPOX: Und Jan Choinski, Maximilian Marterer und Daniel Masur, das sind Ihre Schützlinge im B-Kader, werden alle Topprofis und Davis-Cup-Spieler?

Kohlmann: Ja... (lacht) Das hoffen wir! Die drei Jungs sind Riesentalente und haben die richtige Einstellung. Sie sind jetzt 18, 19 und 20 Jahre alt und können es schaffen. Aber es ist halt ein langer, harter Weg dahin zu kommen, was sie sich selber wünschen. Und wir vom Verband natürlich auch.

SPOX: Ist die Entscheidung Profi zu werden in diesem Alter schon gefallen?

Kohlmann: Ja, wenn die Jungs das jetzt nicht zu 100 Prozent versuchen würden wollen, wären sie nicht im B-Kader. Dorthin schafft man es nur, wenn man das Ziel vor Augen hat, Profi zu werden.

SPOX: Die Drei stecken nicht in einer Ausbildung?

Kohlmann: Nein, die Förderung ist auch so ausgelegt. Und was das Trainingspensum angeht, kann man sich nicht erlauben, nebenher noch etwas anderes zu machen.

SPOX: Diese Entscheidung erfordert eine gehörige Portion Mut.

Kohlmann: Absolut, das ist schon ein harter Schritt. Ich habe es damals versucht, dann aber festgestellt, es ist ein bisschen früh für mich. Also bin ich wieder zurück zur Schule gegangen und habe das Abitur nachgeholt. Das ist für jeden unterschiedlich, manche sind noch nicht soweit. Das ist eine Familienentscheidung, die man nicht von heute auf morgen trifft. Eine große Sache eben. Aber die Jungs haben bislang so erfolgreich gespielt, dass es ihnen die Entscheidung ein bisschen leichter macht, diesen großen Schritt zu wagen.

SPOX: In den Top 100 der ATP stehen momentan vier Teenies...

Kohlmann: Es gibt wirklich nur noch Ausnahmespieler, die mit 18 Jahren schon nach ganz oben kommen wie ein Alexander Zverev.

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