HWA: "GM und Ford sind die Favoriten"

Hans-Werner Aufrecht leitet seit fast 30 Jahren die Geschicke der DTM
© dtm media

Hans-Werner Aufrecht als Godfather der neuen DTM zu bezeichnen, ist passend. Seit 1986 führt er den Vermarkter ITR, das Mercedes-Einsatzteam trägt bis heute seinen Namen. Bei SPOX spricht der 76-Jährige DTM-Boss über die Entwicklung seiner Serie, das zukünftige Reglement, neue Marken aus Japan und den USA und die Fehler der Formel 1.

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SPOX: Herr Aufrecht, die DTM hat sich zur Saison 2015 verändert, vom bekannten Format der Formel 1 abgewandt und fährt zwei Rennen pro Wochenende. Einen ähnlichen Ablauf gab es schon zu den erfolgreichsten Zeiten der Tourenwagenserie. Warum wollten Sie back to the roots gehen?

Hans-Werner Aufrecht: Unser Ziel war ganz klar: Mehr Action für die Zuschauer und den Kampf wieder auf die Strecke zu bringen. Der soll nicht über die Ingenieure erfolgen. Was passieren muss, um das zu erreichen, darüber haben wir zwei Jahre lang intensiv nachgedacht. Ich gebe Ihnen komplett recht: Das ist ein Schritt back to the roots. Wir haben ausdrücklich zwei verschiedene Varianten ausgearbeitet: Sonntags ein Rennen mit Boxenstopp, samstags eins ohne. Ob wir bei diesem System bleiben, wissen wir noch nicht. Wir schauen uns die Reaktionen der Zuschauer ganz genau an und werden unsere Schlüsse ziehen.

SPOX: In den letzten Jahren ist die DTM nur ein Rennen gefahren und hat teilweise sogar auf Trainings am Freitag verzichtet. Letzteres sollte bezwecken, dass die Setups nicht immer perfekt sind, aber vor allem Kosten sparen. Das neue Format dürfte allerdings mehr Geld kosten.

Aufrecht: Es gibt kaum zusätzliche Fahrzeit, wir haben sie nur anders auf Freitag, Samstag und Sonntag aufgeteilt. Die Kilometerleistung ist nicht viel größer. Aber klar: Dass beim Rennen mehr passieren kann als bei einem Training, brauchen wir nicht zu diskutieren. Die Hersteller werden das merken. Aber für den Zuschauer ist es zwingend notwendig, dass wir mehr Rennen fahren. Er ist der Gewinner dabei, dass die Hersteller sich darauf eingelassen haben.

SPOX: Schon 1986 haben Sie die Führung der ITR übernommen, des Rechteinhabers und Vermarkters der DTM. Welche Schulnote würden Sie der Entwicklung geben?

Aufrecht: Ich muss ganz klar betonen, dass heute das Verständnis der Hersteller für diesen Sport ein ganz anderes ist, als es früher war. Die DTM ist 1996 gescheitert - für mich, weil die Hersteller damals nicht kooperativ waren, wenn es um die Kosten ging. Man sieht nach wie vor, wie schwer sich die Formel 1 damit tut, Reglements zu gestalten, die eine Budgetreduzierung zur Folge haben. In der neuen DTM seit 2000 sind die Hersteller dazu bereit und haben den Willen, es umzusetzen. Das ist die entscheidende Voraussetzung für Erfolg. Die Hersteller haben Verständnis für den Sport und nicht nur ihre eigenen Interessen, wie es früher der Fall war und heute noch in der Formel 1 üblich ist. Das ist eine glatte 1 wert, andere Bereiche wie der Eventcharakter vielleicht eher eine 2 bis 3.

SPOX: Seit Oktober 2012 kooperiert die DTM beim Reglement mit der asiatischen Super-GT-Serie. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?

Aufrecht: Der Anspruch der Hersteller Audi, BMW und Mercedes an das neue Reglement der Saison 2012 war, dass es nicht nur eine regionale und nationale Bedeutung bekommt. Es sollte in den Märkten repräsentiert werden, die für die Hersteller interessant sind. Da gehören der asiatische Raum und auch der amerikanische dazu. Dem wollten wir Rechnung tragen. Wir sind perfekt im Zeitplan. Ich denke, wir dürfen uns jetzt schon freuen, wenn in der Saison 2017 alle mit dem gleichen Reglement fahren. Was für mich das Positivste ist: Die Hersteller gehen aufeinander zu, arbeiten und verabschieden Neuerungen miteinander. Die Kooperation ist also sehr gut.

SPOX: Ziel dieser Zusammenarbeit war auch die Etablierung einer dritten Rennserie in Nordamerika, die oftmals als DTM America betitelt und ursprünglich schon zur Saison 2015 starten sollte. Allerdings scheint sich der Aufbau mittlerweile zur Hängepartie entwickelt zu haben.

Aufrecht: Es ist keine Hängepartie. Die Kooperation mit den USA ist bereits im Jahr 2014 gestartet. Das Handicap ist aktuell die Laufzeit der deutschen Achtzylindermotoren. Aus Kostengründen haben wir beschlossen, dass sie bis zum Ende der Saison 2016 laufen. Danach sind wir in der Lage, das Projekt umzusetzen. Dass unsere amerikanischen Freunde den Start so lange zurückgeschoben haben, bis wir soweit sind, ist für mich selbstverständlich. Ab der Saison 2018 werden wir in Amerika fahren.

SPOX: Werden dann nur asiatische und europäische Hersteller vertreten sein?

Aufrecht: Für uns und die japanischen Kollegen ist es eine Voraussetzung, dass ein amerikanischer Hersteller dabei ist. Die Verhandlungen laufen gut. Aktuell sind General Motors und Ford die Favoriten für einen Einstieg.

SPOX: Sie haben die in der DTM verwendeten Acht-Zylinder-Motoren angesprochen, die aktuell einen Einsatz der japanischen Fahrzeuge in Deutschland verhindern. Bei Lexus, Nissan und Honda sind 2,0-Liter-Turboaggregate mit vier Zylindern in den Autos. Das neue Klasse-1-Reglement sieht vor, dass ab der Saison 2017 überall die kleineren Vier-Zylinder-Motoren verwendet werden. Wie groß sind die Chancen, dass dann mehr Hersteller in Deutschland starten als Audi, Mercedes und BMW?

Aufrecht: Für mich ist das Reglement 2017 ein ganz entscheidender Punkt. Wenn das alles klappt, sind wir dort, wo ich immer sein wollte. Ich gehe fest davon aus, dass ein Austausch zwischen deutschen und japanischen Herstellern stattfindet und auch die Japaner in der DTM starten. Die Markenvielfalt wird steigen. Die Anzahl der Fahrzeuge aber wird ungefähr gleich bleiben. Das hat einen entscheidenden Vorteil: Es müssen nicht mehr Autos produziert werden, trotzdem werden die Märkte erschlossen.

SPOX: Der Umstieg auf vier Zylinder erinnert ein wenig an das Downsizing in der Formel 1. Dort wurden aus acht zur Saison 2014 sechs Zylinder, viele Fans reagierten ablehnend. Befürchten Sie eine ähnliche Entwicklung bei der DTM?

Aufrecht: Ich glaube nicht, dass das am Downsizing liegt. Es liegt daran, dass der Kampf nicht auf der Strecke geführt wird. Der Fahrer muss das tun, was die Ingenieure sagen. Genau von diesen Formel-1-Problemen wollen wir als DTM wegkommen. Wir wollen wesentlich mehr Leistung, wir wollen die Aerodynamik deutlich reduzieren. Wir wollen härtere Reifen, weniger Grip, mehr Power. Das ist der Schlüssel, um die Fans zu begeistern. Wir wollen Drifts sehen und keine Marionetten, die die Autos fahren. Das ist gemeinsam mit den Herstellern verabschiedet. Für sie ist es genauso wichtig. Es sind ihre Kunden, ihre Zuschauer. Sie zu begeistern, ist ihre Aufgabe.

SPOX: Also fürchten Sie keinerlei negative Auswirkungen?

Aufrecht: Nein. Die Motortypen der neuen DTM-Autos laufen seit dieser Saison in Japan quasi schon. Dort kann man beobachten, was für einen Lärm sie entwickeln. Die Rückmeldungen sind hervorragend. In der Formel 1 hat sich in den Achtzigern auch niemand über den Turbomotor und seinen Sound beschwert - etwa bei den berühmten BMW und Porsches. Da war von Problemen nichts zu hören. Das bestätigt sich auch in Japan. Die Formel 1 hat ein anderes Problem.

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