Malaika Mihambo im Interview: "Man kann sich nicht sicher sein, ob man am Monatsende bei Null rauskommt"

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Beim Weitsprung-Finale fiel auf, dass viele Konkurrentinnen deutlich muskulöser sind als Sie, gerade im Oberkörper. Auch die Sprungtechniken unterschieden sich teilweise deutlich voneinander. Erlaubt Ihr Sport in dieser Hinsicht viel Varianz?

Mihambo: (überlegt) Ja, ich denke schon. Aber gerade was die Körperform angeht, gibt es Athleten, die dann mehr Probleme haben und zum Hauptwettkampf abnehmen müssen. Oder ein paar wenige, die zunehmen müssen - das geht natürlich in beide Richtungen. Ich habe auch lange Zeit eher zu wenig gewogen. Was die Technik angeht: Es gibt die Kraftspringer, und dann gibt es die etwas zierlicheren und dafür schnelleren Athleten, die eben mehr über die Geschwindigkeit kommen. Jeder Athlet hat seinen eigenen Sprungstil, wobei natürlich alle ein gewisses Maß an Kraft und Geschwindigkeit mitbringen.

Es gibt also keinen "Gruppenzwang" für Sie, wie eine 100-Meter-Sprinterin auszusehen.

Mihambo: (lacht) Nein, ich denke nicht, dass das geht. Es wäre aber bestimmt interessant, eine Analyse der Top-20 Weitspringerinnen und Weitspringer der Geschichte zu machen und sich anzuschauen, wie die aussehen und was es für Unterschiede gibt.

Gibt es Freundschaften in der Weitsprunggrube?

Mihambo: "Freundschaft" wäre vielleicht zu hoch gegriffen, aber doch etwas recht nahes dazu. Eine "gute Bekanntschaft" kann man schon haben. In anderen Disziplinen geht das schon, im Zehnkampf, Stabhochsprung oder teilweise im Wurfbereich.

Warum ist es dort einfacher?

Mihambo: Weil die Athleten noch enger zusammen sind. Gerade wenn man es mit dem Mehrkampf vergleicht: Dort ist man über zwei Tage zehn oder zwölf Stunden zusammen und muss immer wieder abschalten. Wenn man abschaltet, hat man mehr Zeit, sich auf andere Personen einzulassen. Das ist bei uns immer schwierig: Wir sind eineinhalb Stunden zusammen und in dieser Zeit geht es ans Eingemachte. Zwischen den Sprüngen haben wir ungefähr acht Minuten. In dieser Zeit muss ich mich anziehen, vielleicht etwas trinken, mit meinem Trainer sprechen und schauen, welche technischen Feinheiten ich umsetzen muss, und ich muss mich wieder fokussieren. Und das alles in acht Minuten. (lacht)

Hätten Sie gern mehr Zeit zwischen den Versuchen? Oder vielleicht auch weniger?

Mihambo: Weniger auf keinen Fall, weil dann das Leistungsniveau nicht mitkommt. Ich habe dieses Jahr einmal die Erfahrung gemacht, dass wir in einem Wettkampf sehr wenige Athletinnen waren. Das Wettkampfgericht schaffte es nicht, uns genügend Pausen zu geben. So hatten wir nur sehr wenig Zeit und es wurde eher zu einem Weitsprung-Ausdauerwettkampf. Das ist einfach nicht zielführend. Mit längeren Pausen habe ich persönlich keine Probleme. So habe ich mehr Zeit, um mich auf etwas Anderes zu konzentrieren, komme aber auch wieder zurück zu meiner Spannung. Anderen Athleten fällt das teilweise schwerer.

Über Ihr WM-Gold 2019 haben Sie einmal gesagt: "Damals flog mir der Erfolg einfach zu." Drei Jahre später haben Sie alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Wie haben Sie sich in diesen drei Jahren verändert?

Mihambo: Ich habe auf jeden Fall sehr viel dazugelernt. Sportlich gesehen hatte ich 2020 die Phase, in der ich kurzzeitig aus kurzem Anlauf gesprungen bin. Ein Jahr später bin ich zurück zum langen Anlauf, war aber nicht mehr so schnell wie 2019. Dazu kamen technische Instabilitäten.

Das heißt ...

Mihambo: ... dass jeder Anlauf unterschiedlich war und ich nicht wusste, wie ich wieder einen stabilen Anlauf bekomme. Als es nicht mehr so lief und ich keinen Ansatzpunkt hatte, weil das Gefühl fehlte und teilweise auch das Leistungsvermögen, nagte das psychisch an mir. Ich dachte: "Irgendwie kann ich es nicht mehr. Ich würde jetzt gern noch ein halbes Jahr ohne Wettkampf trainieren, bis ich wieder so stabil bin." Aber das geht nicht, die Saison läuft weiter und die Aufmerksamkeit ist immer da, ob ich einen guten oder schlechten Wettkampf mache.

Wie sind Sie aus diesem Tal herausgekommen?

Mihambo: Ich habe gelernt, mich durch diese Täler durchzukämpfen, weiterzumachen und immer positiv zu bleiben. Egal, ob ich gerade den Erfolg liefern konnte oder nicht. Und ich musste realistisch bleiben und meine Leistungen einordnen: Manchmal lag mein Durchschnittsniveau bei 6,80 m, manchmal war gerade eine "7 Meter x" drin. Wichtig war, dass ich trotzdem an mich geglaubt habe, selbst wenn ich sportlich gerade nicht alles zeigen konnte.