"Ich würde Kukoc öfter spielen lassen"

Von Haruka Gruber und Max Marbeiter
2002 krönte sich Svetislav Pesic mit Jugoslawien ausgerechnet in den USA zum Weltmeister
© getty

Vor fast 30 Jahren startete Svetislav Pesic mit dem legendären Nachwuchsteam um Toni Kukoc und Vlade Divac die Basketball-Globalisierung und stürzte die USA in Selbstzweifel. Dennoch musste er sich ungefragt von NBA-Scouts belehren lassen. Der Bayern-Coach erinnert sich - und spricht über die NBA-Fixierung in Europa, die Verärgerung über das DBB-Team und Tibor Pleiß' Ambitionen.

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SPOX: Herr Pesic, mit David Stern verabschiedete sich am Samstag jener NBA-Commissioner aus dem Amt, der die Globalisierung der NBA maßgeblich vorangetrieben hat. Ist die Übermacht der NBA im Basketball Fluch oder Segen?

Svetislav Pesic: Dass inzwischen jedes europäisches Basketball-Talent irgendwann davon träumt, in der NBA zu spielen, ist eine zwangsläufige Folge der letzten 20 Jahre, seit das Dream Team 1992 erstmals an den Olympischen Spielen teilnehmen durfte. Damals kam die NBA nicht nur nach Barcelona, um die Goldmedaille zu holen. Sie wollte sich als Produkt inszenieren und verkaufen. Das haben sie sehr geschickt umgesetzt. Auf der anderen Seite profitierten wir Europäer davon, dass die NBA Grenzen überschritten hat. Es bringt dir langfristig mehr, wenn du gegen Bessere spielst und auch mal verlierst, als wenn du immer nur unter dir bleibst und gewinnst.

SPOX: Wie nahmen Sie die NBA anfangs wahr?

Pesic: Ich erinnere mich noch sehr gut an die Junioren-EM 1986 in Gmunden, Österreich. Damals kam ein junger NBA-Scout zu mir und sagte: "Coach, ich habe mir einige Spiele angesehen und möchte Ihnen einen Tipp geben: In Ihrem Team gibt es diesen Toni Kukoc, er ist ein großes Talent. Ich würde ihn öfter spielen lassen." Ich nickte höflich und sagte: "Vielen Dank für den Ratschlag, darauf wären wir selbst nie gekommen." (lacht) Damals dachte die NBA, wir wären ein Basketball-Entwicklungsland.

SPOX: Ein Jahr später erschütterten Sie mit Jugoslawien erstmals die Grundfesten, als Sie mit den damals blutjungen Kukoc, Vlade Divac und Dino Radja bei der Junioren-WM 1987 in Bormio das US-Team um Gary Payton und Larry Johnson gleich zweimal besiegten.

Pesic: Die Tage in Bormio waren der eigentliche Startschuss für die Globalisierung des Basketballs. Wir hatten mit Kukoc, Divac und Radja eine herausragende Generation. Erstmals zeigten wir den Amerikanern, dass wir in Europa etwas von Basketball verstehen. In der Vorrunde gewannen wir gegen die USA, indem wir von außen das Spiel dominierten. Kukoc erzielte 37 Punkte und verwandelte elf von zwölf Dreiern! Im Finale stellten wir die Taktik komplett um auf das Inside-Game: Divac machte 21 Punkte, Radja 20 Punkte. Danach kam US-Coach Larry Brown zu mir und bedankte sich für die Lehrstunde. Er sagte damals: "Ich bin glücklich zu sehen, dass außerhalb der USA Basketball gespielt wird."

SPOX: Obwohl Europa in den vergangenen 20 Jahren deutlich aufgeholt hat, ist der NBA-Traum bei den heutigen DBB-Nachwuchsspielern allgegenwärtig. Ärgert Sie das?

Pesic: Das Umfeld bei vielen Talenten stimmt nicht. Es wird der Eindruck vermittelt, dass großer Erfolg ohne Arbeit möglich ist. Natürlich verfügen wir über gute Nachwuchsspieler, doch der Sprung zum Profi ist nicht leicht, weshalb es unklug ist, direkt in die NBA zu gehen. Für viele wäre es besser, erst ins europäische Ausland zu wechseln. Wie Nemanja Nedovic, der bei Roter Stern Belgrad einer meiner Spieler war. Als er im Sommer gedraftet wurde, hat sich jeder gefreut: er selbst, die Familie, ganz Serbien. Jetzt spielt er in der D-League. Divac, Drazen Petrovic, Arvydas Sabonis oder Peja Stojakovic waren nicht zufällig große Stars in Europa, bevor sie in die NBA gingen und sich dort durchsetzten. Selbst Dirk Nowitzki behauptete sich erst in der Bundesliga. Die Jungen unterschätzen, wie wichtig es ist, vorher Enttäuschungen zu erleben, daraus Stärke zu ziehen und daran zu wachsen. Erst dann ist man bereit für die NBA. Es gibt einem das nötige Selbstvertrauen zu wissen, dass man vor dem ersten Trainingstag beim NBA-Team in den Locker Room gehen und den Mitspielern sagen kann: "Ich habe zuhause die Landes-Meisterschaft, die Euroleague und mit meiner Nationalmannschaft die Goldmedaille gewonnen. Und du?"

SPOX: Entsprechend gefallen dürfte es Ihnen, dass Tibor Pleiß in die spanische Liga wechselte, um sich so auf die NBA vorzubereiten.

Pesic: Exakt, Tibor macht es genau richtig. Er arbeitet immer hart an sich - und er zeigt Geduld. Sein erstes Jahr bei Laboral lief nicht so gut, er spielte nur durchwachsen und die Coaches trauten ihm nicht so viel zu. Dennoch kämpfte er sich durch und ist inzwischen eine der ersten Optionen bei einem Euroleague-Klub und blüht richtig auf. Er hat sich sehr gut auf die NBA vorbereitet.

SPOX: In Spanien, der zweitbesten Liga hinter der NBA, wurde Pleiß bereits viermal zum Spieler der Woche gewählt. Finden Sie es sehr schade, dass er dem Werben der Bayern im Sommer nicht erlag?

Pesic: Nein, wir haben nicht mit ihm gesprochen. Das ist nur Spekulation. Wobei ich sicher bin, dass er sich genauso gut entwickelt hätte, wenn er zu uns gekommen wäre.

SPOX: Was war mit Elias Harris? Sein Name wurde vor der Saison bei den Bayern diskutiert, er unterschrieb im Dezember allerdings in Bamberg.

Pesic: Grundsätzlich ist jeder deutsche Spieler interessant, allerdings haben wir auf seiner Position derzeit genug Spieler. Seine Entscheidung, in die Bundesliga zu wechseln, finde ich perspektivisch sehr gut. So kann er in seiner Heimat Einsatzzeiten bekommen und unter den besten Rahmenbedingungen trainieren. In der NBA wäre er nicht so gut aufgehoben.

SPOX: Wann ist der FC Bayern soweit, einen europäischen Superstar zu verpflichten?

Pesic: Ich schließe es nicht aus, aber womöglich würde es zu früh kommen. Noch ist die Zeit nicht gekommen. Wir können einfach nicht dasselbe bezahlen wie die Spitzenmannschaften der Euroleague, jetzt mischt zusätzlich Fenerbahce groß mit. Auch Klubs wie Valencia oder Khimki Moskau, die nicht einmal in der Euroleague spielen, können sich teurere Spieler leisten. Selbst serbische Teams besitzen bessere Chancen, europäische Top-Talente zu bekommen, weil es dort die sogenannte "Sportsteuer" gibt: Wenn ein Spieler 100.000 Euro netto verdient, kostet er den Verein dank der Sportsteuer nur 120.000 Euro - in Deutschland wären das 200.000 Euro oder mehr.

Seite 1: Pesic über die Globalisierung des Basketball und Tibor Pleiß

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