"Ich würde Kukoc öfter spielen lassen"

Von Haruka Gruber und Max Marbeiter
2002 krönte sich Svetislav Pesic mit Jugoslawien ausgerechnet in den USA zum Weltmeister
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SPOX: Wie ist der deutsche Basketball insgesamt aufgestellt?

Pesic: Es geht langsam und sicher voran. Mir gefällt, dass ein neues Selbstbewusstsein entsteht und mehr über Basketball berichtet wird. Früher gab es nicht so viele Portale wie SPOX, das sich sehr für unsere Sportart engagiert und das ich sehr viel lese. Die Rahmenbedingungen stimmen: Es werden neue Hallen gebaut und im Ticketing, Marketing und Sponsoring sind wir europaweit ganz vorne dabei. Die BBL ist stabil. Wobei wir weiter dranbleiben und uns vor allem basketballerisch verbessern müssen. Das Niveau der Spiele und die Qualität der Spieler sind verbesserungsbedürftig.

SPOX: Immer wieder kommt Kritik auf, dass deutsche Spieler im Training zu wenig investieren.

Pesic: Deutsche Spieler müssen lernen, zwischen "Basketball spielen" und "Basketball trainieren" zu unterscheiden. Das war immer schon eine Schwäche in Deutschland. Sie dachten lange, dass sie nur in die Halle gehen, um Spaß zu haben. Dabei vergaßen sie, dass ein Spiel nur Spaß macht, wenn vorher hart gearbeitet wird. Vor allem im individuellen Bereich war es im europäischen Vergleich auffällig. Daher müssen die deutschen Spieler ihre Denkweise ändern und den Spaß in der täglichen Trainingsarbeit entdecken. Ich sehe allerdings viele gute Anzeichen, dass es besser wird. Dass deutsche Spieler in ihren Klubs immer mehr in die Verantwortung genommen werden, hilft.

SPOX: Besonders in die Verantwortung genommen wird Heiko Schaffartzik, Leistungsträger bei den Bayern und Kapitän des DBB-Teams. Trotz teils starker Leistungen bei der EM wurde er nach dem frühen Ausscheiden kritisiert. Zu Unrecht?

Pesic: Ich kenne Heiko, seit er bei TuS Lichterfelde angefangen hat. Er ist eine Persönlichkeit und besitzt eine eigene Meinung. Das soll auch so sein. Deshalb machte ich ihn 2012 zum DBB-Kapitän. Ich finde es gut, wenn Spieler mal ansprechen, wenn sie etwas anders sehen als der Vorgesetzte. Ich finde es super, wenn er sagt: "Sorry Coach, das ist nicht der Punkt." Er bekam von mir die Carte Blanche und darf alles sagen, was er will. Das muss er, um der Verantwortung gerecht zu werden. Und er kommt ihr nicht nach, indem er nur den letzten Wurf nimmt. Ein Führungsspieler muss sich in allem einbringen, in der Taktik, bei der Trainingsgestaltung, bei der Organisation von Auswärtsreisen. Ich besitze großen Respekt vor ihm. Gleichzeitig weiß ich, dass ich immer Probleme mit Heiko haben werde. Aber er weiß gleichzeitig, dass er immer Probleme mit mir haben wird. (lacht)

SPOX: Nach gesundheitlichen und privaten Rückschlägen gelang Schaffartzik erst 2009, mit 25 Jahren, der Durchbruch. Was wäre möglich gewesen?

Pesic: In meinen Augen hat Heiko das Optimale herausgeholt. Was wir nie vergessen dürfen: Heiko hatte Talent, doch er war nie der nächste Dirk Nowitzki oder Detlef Schrempf. In seiner Generation waren andere die Überflieger - nur wo sind sie hin? Sie spielen nicht für ein Spitzenteam in der BBL, nicht in der Euroleague und sie sind auch nicht Kapitän der Nationalmannschaft. Im Gegensatz zu den Übertalenten steckte Heiko alles weg. Viele unterschätzen, was für ein großer Kämpfer er ist. Er schuftet und bildet sich mit seinen 30 Jahren so fort, als ob er 20 wäre.

SPOX: Wer Schaffartzik in dieser Saison sieht, könnte glauben, dass das EM-Aus fast spurlos an ihm vorbeiging. War das so?

Pesic: Nein, vor allem die ersten Wochen waren nicht leicht. Während der EM litt ich vor dem Laptop und vor dem Fernseher mit, allerdings wurde es danach noch schlimmer. Heiko, Robin Benzing und Lucca Staiger waren mental kaputt. Sie hatten sich so viel vorgenommen. Selbst mit meiner Erfahrung war es schwierig, mit der Situation umzugehen und sie bei aller Enttäuschung langsam an die neue Mannschaft und das neue Spielsystem heranzuführen. Mittlerweile glaube ich aber, dass sie gestärkt hervorgegangen sind.

SPOX: SPOX-Kommentator Frank Buschmann sagte nach der EM: "Wer Svetislav Pesic kennt, weiß, dass er gerne mit jungen, unfertigen Spielern arbeitet. Und wer ihn noch besser kennt, weiß, dass er es geil gefunden hätte, mit dieser Mannschaft bei der EM anzutreten." Stimmt das?

Pesic: Jetzt ist es schon wieder etwas anderes, ich bin nur auf die Bayern konzentriert. Bei der EuroBasket, als ich die Live-Übertragung in der ARD und auf SPOX verfolgt hatte, hat es einen aber natürlich gereizt. Ob wir alle Spiele gewonnen hätten, weiß ich nicht. Doch in einigen Momenten habe ich mich schon richtig geärgert. Ich sage nicht, dass meine Art des Basketballs automatisch der bessere gewesen wäre, allerdings kam da einfach der Trainer in mir durch.

SPOX: Wie sehen Sie die Perspektiven des DBB-Teams, nachdem die Wild Cards für die WM 2014 anderweitig vergeben wurden?

Pesic: Viel wichtiger als die WM 2014 ist die EM 2015 in der Ukraine. Das wird die Stunde der Wahrheit. Wenn Dennis Schröder und Harris zusagen, an der EM-Quali in diesem Sommer teilzunehmen, besitzt Deutschland eine talentierte Mannschaft - die nicht so unerfahren ist, wie es immer heißt. Die meisten Spieler nahmen bereits an einem oder mehreren Großturnieren teil. Wenn der richtige Mix gefunden wird, mache ich mir nur wenig Sorgen.

SPOX: Was halten Sie von der Idee des DBB, Dirk Nowitzki unbedingt zu einem Comeback bewegen zu wollen? Würden dadurch nicht die anderen blockiert oder gehemmt werden?

Pesic: Wenn Dirk spielen möchte, würde ich mich natürlich auch freuen. Ich denke nur, dass es unrealistisch ist. Wir sollten lieber mit solchen Spekulationen aufhören und sehen, wie Dirk dem Team und dem deutschen Basketball als Botschafter helfen kann. Wenn er Zeit hat, kann er vielleicht während der Vorbereitung bei der Mannschaft dabei sein und den jungen Spielern als Mentor seine Erfahrung vermitteln. Das ist realistisch und wäre schon super. Ich könnte mir vorstellen, dass er sich freuen würde, im Sommer dem DBB helfen zu können, ohne selbst den kompletten Sommer opfern zu müssen. Sollte das gewünscht sein, muss man auf ihn zugehen und ihm sagen, was man will.

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