Da ist ein Trainingsbericht. Ein Rückblick auf die Champions-League-Saison. Eine Einladung zum Medien-Tag. Eine Nachricht, wie viele Tore Karim Benzema in dieser Saison geschossen hat. Dann erinnert man noch an die Basketball-Mannschaft 1993 und noch eine Meldung über einen neuen Sponsoren-Deal.
Über Kylian Mbappe ist kein Wort zu finden. Die Webseitenbesuche wirft zwar 59 Ergebnisse ab, wenn man den Namen des Franzosen eingibt, aber es sind meistens Aufzählungen, in denen der Name gefallen ist. Seit Samstagabend redet die ganze Welt darüber, dass Kylian Mbappe seinen auslaufenden Vertrag bei Paris Saint-Germain um weitere drei Jahre verlängert hat, dafür offenbar mindestens 600 Millionen Euro bekommt und darüber, wie Real Madrid im Regen stehen gelassen wurde.
Nur bei Real Madrid spricht man nicht darüber. Kein Wort wird gesagt, kein Wort wird geschrieben. Sicherlich hängt viel damit zusammen, dass am kommenden Samstag das Champions-League-Finale gegen den FC Liverpool stattfindet und man keinem anderen Thema mehr Gewicht verleihen will.
Doch was soll man bei Real Madrid auch sagen? Trainer Carlo Ancelotti hat sich eh immer zurückgehalten, weil es nicht seine Baustelle war und das Mbappe-Projekt ein Projekt von Florentino Perez war. Der Präsident hat die Hosen an, wenn es um die großen Deals geht. Und nur er. Doch der Baulöwe sagt auch nichts.
Real Madrid: Alles war auf Kylian Mbappe ausgerichtet
Es ist ein Desaster für den 75-Jährigen. Für einen Mann, der beruflich und sportlich fast immer das bekam, was er wollte. Jetzt wurde er öffentlich gedemütigt. Da helfen auch Mbappes warme Worte nicht, dass er sich geehrt fühlte, von Real Madrid begehrt worden zu sein und dass er ein großer Fan ist. Davon kann sich Perez aber nichts kaufen. Es ist nicht so, dass es eine kurzfristige Begehrlichkeit war, sondern ein langfristig und penibel vorbereiterer Plan, um ein neues Aushängeschild zu installieren.
Alles, aber auch wirklich alles war auf Mbappe ausgerichtet. Dass im letzten Sommer Sergio Ramos keinen langfristigen Vertrag bekam und im Sommer Raphael Varane und Martin Ödegaard für knapp 80 Millionen Euro verkauft wurden, war genauso ein Teil des Plans wie die Zurückhaltung bei Erling Haaland, der künftig für Manchester City spielen wird. Real kratzte alles zusammen, um Mbappe zu verpflichten und jetzt ist erstmal die große Leere.
Es sind nicht nur die sportlichen und emotionalen Aspekte, die Real wehtun. Die Verpflichtung von Kylian Mbappe, dem künftig wohl besten Fußballer der Welt, wäre auch ein Sieg gegen die neuen Mächte im Fußball. Hier die alten Reichen, die von Real angeführt werden und zu denen unter anderem der FC Barcelona und Juventus Turin gehören. Drüben die Neureichen, die von Paris Saint-Germain angeführt werden und mit einer finanziellen Kraft kommen, gegen die selbst die Klubs, die Jahrzehnte lang den Fußball bestimmt haben, nicht ankommen.
Dass man ihnen ihren besten Mann wegnimmt, wäre auch ein Triumph auf diesem Schauplatz gewesen.
Real Madrid vernahm die Worte von Kylian Mbappe mit Wohlwollen
Als im Sommer Real Madrid (nach zahlreichen zuvor) richtig ernstmachte und PSG ein Angebot von über 160 Millionen Euro schickte, wusste man, wie wichtig Real dieser Transfer war. PSG lehnte aber ohne zu zögern ab. Dass Mbappe daraufhin öffentlich seine Enttäuschung darüber zum Ausdruck brachte, registrierte man in Madrid wohlwollend. "Meine Position war eindeutig: Ich habe gesagt, dass ich weg will", sagte Mbappe damals in einem Interview mit RMC.
Fast zeitgleich gab er auch der L'Equipe ein Interview. Die Zeitung fragte Mbappe, ob eine Vertragsverlängerung in Paris möglich sei. Mbappe antwortete: "Wir sind noch lange nicht so weit, denn ich wollte diesen Sommer gehen. Ich werde mich nicht wie ein Heuchler verhalten. Ich wollte gehen und dem Klub die besten Voraussetzungen liefern, um meinen Nachfolger zu finden."
Die gesamte Fußballwelt ging davon aus, dass der Transfer klappt und bei Real übte man sich auch nicht sonderlich in Zurückhaltung, wenn nach Mbappe gefragt wurde. Perez lächelte gerne in den Interviews, als wollte er andeuten, dass das Ding schon längst unter Dach und Fach ist. Man musste, so schien es, kein Insider mehr sein, um zu erahnen, dass im Sommer der neue Galaktische kommt. So gesehen ist es eine Demontage in mehreren Akten für Real, von der man sich erst einmal erholen muss.
Der Champions-League-Titel würde da sicherlich helfen, aber für das Selbstwertgefühl müsste Real im Sommer dann eigentlich auch auf dem Transfermarkt nachlegen. Doch wer ist galaktisch genug, um Mbappe einigermaßen vergessen zu lassen? Die bei Real Madrid gut unterrichte Marca schreibt, dass die Königlichen nun 200 Millionen Euro Spielraum für Transfers habe, dazu viel Luft im Gesamtvolumen bei den Gehältern
Real Madrid: Das Fundament steht, aber es fehlt ein Galaktischer
Vernünftig wäre es tatsächlich, auf einigen Positionen Spieler zu verpflichten, die vom Alter und von der sportlichen Perspektive in die Mannschaft wachsen könnten. Größen wie Luka Modric (36), Karim Benzema (34), Marcelo (34) und Toni Kroos, der in einem halben Jahr 33 wird, stoßen in eine Altersstruktur, in der man die Augen für die Zukunft öffnen muss.
Man hat mit Eduardo Camavinga (19), Vinicius Junior, Rodrygo (beide 21), aber auch mit Eder Militao (24) und Federico Valverde (23) Spieler unter der 25er Grenze, die Hoffnung machen, dass Real für die weite Zukunft gut aufgestellt ist. All diese Spieler haben in dieser Saison unter Carlo Ancelotti auch einen großen Schritt in ihrer Entwicklung gemacht.
Mit dem 22 Jahre alten Aurelien Tchouameni könnte von der AS Monaco ein weiterer Spieler dazu kommen. Es gibt international viele Interessenten für den Mittelfeldspieler, aber Real scheint mit der unverhofften Kaufkraft nun die besten Karten zu haben. Wird es Perez reichen, dass sich da eine Truppe zusammenstellt, die Perspektive hat oder braucht er einen Transfer nach seinem Gusto? Galaktisch eben.
Real Madrid: Könnte Mohamed Salah ein Thema werden?
Wer könnte da in Frage kommen? Robert Lewandowski macht wenig Sinn, wenn Karim Benzema in dieser Form auf dem Weg zum Ballon D'Or ist. Harry Kane zumindest für diese Saison genauso. Ob die von Marca genannten Rafael Leao (AC Milan) oder Darwin Nunez (Benfica) schon "groß" genug sind, darf man diskutieren.
Interessant könnte die Situation um Mohamed Salah werden. Der Ägypter wurde gemeinsam mit Tottenhams Heung-Min Son (je 23 Tore) Torschützenkönig der Premier League und bekam den goldenen Schuh. Darüber hinaus wurde Salah zum Playmaker of the Season für seine 20 Torvorlagen. Sein Kontrakt in Liverpool läuft 2023 aus. Dass es noch zu keiner Unterschrift gekommen ist, liegt an den Finanzen.
Salah wäre mit seinen bärenstarken Leistungen in der besten Liga der Welt durchaus ein präsentables Kaliber für Real Madrid. Der bald 30-Jährige wäre keine Wunderkind-Verpflichtung wie Mbappe, aber eine sportliche Verstärkung allemal, die Sinn machen könnte.
Erst kürzlich bezeichnete Salah Real Madrid als die "stärkste Mannschaft" der Champions-League-Geschichte und zollte seinen Respekt, nachdem vorherige Aussagen, wonach er lieber auf Real anstatt auf Manchester City treffen würde, für Wirbel sorgten. Reals Federico Valverde sprach sogar davon, dass die Aussagen die Madrider Mannschaft vor dem Finale am Samstag motiviert hätten.
Es ist nicht vermittelt, dass Jürgen Klopp nun wegen Real nervös geworden ist. Klar ist aber, dass Real Madrid vor einem Transfersommer steht, in dem eine Brise Mbappe immer wehen wird.