Norwegens Pensionsfonds hat mehr Geld: Hintergründe zu Saudis Investitionsvehikel PIF

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Wenn Saudi-Arabien wieder mal einen Fußballstar, einen Klub oder eine Sportart kauft, dann steckt der PIF dahinter. Was hat es damit auf sich?

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300 Millionen Euro Ablöse, 700 Millionen Euro Jahresgehalt: Das (letztlich abgelehnte) Angebot des saudi-arabischen Klubs Al-Hilal für Kylian Mbappé sprengte alle bisher bekannten Dimensionen des ohnehin schwerkranken Fußball-Systems. Man fragt sich ja schon: Haben Saudi-Arabiens finanzielle Reserven eigentlich irgendwelche Grenzen?

Wenn aktuell im Zuge von Investitionen in den Sport von "Saudi-Arabien" die Rede ist, geht es stets um den Staatsfonds PIF (Public Investment Fonds). Über dieses Vehikel kaufte das Königreich unter anderem Anteile an der Sportart Golf, den Premier-League-Klub Newcastle United, berühmte Fußballer wie Cristiano Ronaldo, Karim Benzema - und als nächstes wohl Sadio Mané vom FC Bayern München.

Der PIF wurde 1971 im Auftrag der saudi-arabischen Regierung zum Zweck der Geldanlage gegründet. Zunächst betrieb der Staatsfonds eine konservative Anlagepolitik und fokussierte sich bei seinen Investitionen auf Kredite für nationale Entwicklungsprojekte in den Bereichen Erdöl, Düngemittel, Petrochemie und Elektrizität.

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PIF: Saudi-Arabiens Staatsfonds ist nicht der größte weltweit

Global und im großen Stil agiert der Fonds erst seit 2015. In der Zwischenzeit übernahm Kronprinz Mohammed bin Salman (37) als Vorsitzender die Kontrolle, die Mitarbeiterzahl verzehnfachte sich. Das Hauptziel: die nationale Wirtschaft zu diversifizieren und unabhängig vom Öl zu machen. Im Rahmen des Entwicklungsplans "Vision 2030" soll der PIF zum größten Staatsfonds der Welt aufgebaut werden.

Über das aktuelle Volumen des PIF kursieren verschiedene Zahlen zwischen 550 und 700 Milliarden Euro, bis 2025 soll es auf eine Billion Euro anwachsen. "Der Fonds ist undurchsichtig, eine Black Box. Nur wenige wissen, was dort vor sich geht", sagte Steffen Hertog, Professor der London School of Economics, den Financial Times.

Fest steht: Aktuell ist der PIF bei weitem nicht der größte Staatsfonds der Welt, in den meisten Rankings rangiert er auf Platz sechs hinter Fonds aus Singapur, Kuwait, den Vereinigten Arabischen Emiraten, China und Norwegen. Mit einem Volumen von etwa 1,25 Billionen Euro könnte sich der staatliche Pensionsfonds Norwegens, der sich aktuell mit einem Fonds aus China um die Spitzenposition duelliert, auch den einen oder anderen Mbappé leisten. Doch einstweilen begnügt sich der norwegische Staatsfonds eher mit rund zehn Prozent der Anteile am deutschen Immobilienkonzerns Vonovia oder mit 2,53 Prozent der Anteile an Adidas.

Investitionen in Newcastle United und den Golfsport

Der PIF erwarb oder hielt in den vergangenen Jahren dagegen Anteile an internationalen Firmen wie Uber, Nintendo, Boeing oder Twitter. Nach ersten Versuchen mit Boxkämpfen, dem italienischen Supercup oder der Rallye Dakar, startete er ab 2021 eine großangelegte Sport-Offensive. In jenem Jahr wurde erstmals ein Formel-1-Grand-Prix in Dschidda ausgetragen, die äußerst lukrative Golf-Tour LIV ins Leben gerufen und der Premier-League-Klub Newcastle United übernommen.

Nach monatelangen Querelen und Rechtsstreitigkeiten zwischen LIV und den traditionellen Golf-Vereinigungen PGA Tour und DP World Tour verkündeten die drei Rivalen zuletzt überraschend eine Fusion. Gewissermaßen übernahm der PIF somit Anteile an einer ganzen Sportart. Im Tennis könnte bald Ähnliches passieren, die ATP bestätigte bereits Gespräche mit dem PIF.

Newcastle entwickelt sich seit der etwa 350 Millionen Euro schweren Übernahme hervorragend. Die meisten Neuzugänge und Trainer Eddie Howe schlugen ein, überraschend qualifizierte sich die Mannschaft bereits in der ersten vollen Saison unter PIF-Führung für die Champions League. Bei Manchester Citys Übernahme aus Abu Dhabi stellte sich Erfolg einst nicht sofort ein, dem von Katar alimentierten Paris Saint-Germain fehlt sogar bis heute ein wirklich schlüssiger Plan.

Cristiano Ronaldo wechselte im Januar 2023 zu Al-Nassr. Sein Vertrag bis 2025 soll ihm järhrlich 200 Millionen Euro einbringen.
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Der PIF lenkt die vier größten Klubs Saudi-Arabiens

Neuerdings versucht der PIF, die nationale Saudi Professional League zu einer der besten Fußball-Ligen der Welt zu machen. Knallender Auftakt des Kauf-Rauschs war Al-Nassrs Verpflichtung von Cristiano Ronaldo Anfang des Jahres, dem Vernehmen nach kassiert der 38-jährige Portugiese jährlich 200 Millionen Euro. Verpflichtungen von Kylian Mbappé und Lionel Messi - längst ohnehin schon Tourismus-Botschafter von Saudi-Arabien - scheiterten zwar, es folgten aber zahlreiche weitere Stars wie Karim Benzema (35) oder Roberto Firmino (31).

Fast alle unterschrieben entweder bei Al-Nassr, Al-Hilal, Al-Ittihad oder Al-Ahli. Seit Juni hält der PIF an jedem der vier Top-Klubs 75 Prozent. Die Mannschaften sollen offensichtlich halbwegs gleichmäßig aufgerüstet werden, um einen spannenden Titelkampf zu garantieren. Regularien wie in Europa, wo gleichzeitige Beteiligungen an mehreren Klubs oder Ausgaben für Ablösesummen oder Gehälter beschränkt sind, gibt es in Saudi-Arabien nicht. "Wenn sie noch fünf Jahre so weiterarbeiten, kann die Saudi Professional League eine der fünf besten Ligen der Welt werden", prophezeite Ronaldo neulich.

Dass alternde Fußballer für einen letzten lukrativen Vertrag in die Ferne ziehen, ist nichts Neues. In den späten 1970er-Jahre ging es zu New York Cosmos, später lockten China oder Katar. Die Saudi Professional League zieht anders als diese ehemaligen Destinationen aber auch renommierte Spieler im besten Fußball-Alter wie Ruben Neves (26) und Marcelo Brozovic (30) an - oder vielversprechende Trainer wie Matthias Jaissle.

Von Europa nach Saudi-Arabien: Wechsel im Sommer 2023

Spieleralter Klubneuer KlubAblöse
Malcolm (26)Zenit St. PetersburgAl-Hilal60 Mio.
Ruben Neves (26)WolverhamptonAl-Hilal55 Mio.
Sergej Milinkovic-Savic (28)Lazio RomAl-Hilal40 Mio.
Riyad Mahrez (32)Manchester CityAl-Ahli30 Mio.
Jota (24)CelticAl-Ittihad29,1 Mio.
Allan Saint-Maximin (26)Newcastle UnitedAl-Ahli27,2 Mio.
Seko Fofana (28)RC LensAl-Nassr25 Mio.
Kalidou Koulibaly (32)FC ChelseaAl-Hilal23 Mio.
Edouard Mendy (31)FC ChelseaAl-Ahli18,5 Mio.
Marcelo Brozovic (30)Inter MailandAl-Nassr18 Mio.
Jordan Henderson (33)FC LiverpoolAl-Ettifaq14 Mio.
Alex Telles (30)Manchester UnitedAl-Nassr7 Mio.
Karim Benzema (35)Real MadridAl-Ittihadablösefrei
Roberto Firmino (31)FC LiverpoolAl-Ahliablösefrei
N'Golo Kanté (32)FC ChelseaAl-Ittihadablösefrei
Moussa Dembélé (27)Olympique LyonAl-Ettifaqablösefrei

PIF: Pikante Verbindungen zum FC Chelsea

Auffällig ist die hohe Anzahl an Spielern des FC Chelsea, die in diesem Sommer nach Saudi-Arabien wechselten. Nachdem die neuen Eigentümer um den US-Amerikaner Todd Boehly und die Clearlake Capital Group in der vergangenen Saison 611 Millionen Euro für Neuzugänge ausgegeben hatten, schoben sie nun Altlasten wie Edouard Mendy (31), N'Golo Kanté (32) oder Kalidou Koulibaly (32) nach Saudi Arabien ab. Wohl auch, um Financial-Fairplay-Sanktionen abzuwenden. Hakim Ziyech (30) könnte noch folgen.

Pikant: Der PIF hat dem Vernehmen nach auch Geld in die Clearlake Capital Group investiert. Automatisch liegt der Verdacht nahe, dass man sich deshalb im Fußball gegenseitig hilft. Tatsächlich sind unlautere Absprachen aber eher unwahrscheinlich.

Schon bei der Übernahme musste Clearlake der Premier League versichern, dass der PIF aufgrund des gleichzeitigen Newcastle-Engagements aktuell und künftig keine Rolle bei Chelseas Geschäftsgebaren spiele. Gleichzeitig darf kein Clearlake-Kapitalgeber mehr als fünf Prozent eines einzelnen Fonds halten, der PIF wäre somit bestenfalls einer von vielen.

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Wie Saudi-Arabien Sportswashing betreibt

Saudi-Arabiens größte Vision ist es, die Fußball-WM 2030 auszurichten. Das Königreich erwägt eine gemeinsame Bewerbung mit Ägypten und Griechenland. Die Vergabe soll im kommenden Jahr erfolgen, längst bestehen beste Beziehungen zur FIFA und Präsident Gianni Infantino. Bereits in diesem Dezember findet die Klub-WM, noch einmal nach dem alten Modus ausgetragen, ehe 2025 die neue Mega-Klub-WM mit 32 Teilnehmern folgt, erstmals in Saudi-Arabien statt. Aus der Gastgebernation teilnehmen wird der amtierende Meister Al-Ittihad, mittlerweile verstärkt durch Benzema und Kanté.

Wie beim rivalisierenden Nachbarland Katar dient Saudi-Arabiens Investitions-Offensive nicht nur der Diversifikation der Öl-abhängigen Wirtschaft, sondern auch dem Sportswashing. Auf diesem Weg wollen sich wegen Menschenrechtsverletzungen kritisch beäugte Staaten salonfähig machen und von Missstände ablenken. In Saudi-Arabien, einer absoluten und radikal-islamischen Monarchie, werden Frauen, Minderheiten und Homosexuelle schikaniert, Presse- und Meinungsfreiheit existieren nicht.

Kronprinz Mohammed bin Salman wird von US-Geheimdiensten eine direkte Beteiligung am Mord des Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018 vorgeworfen. Laut der Financial Times hat der PIF daraufhin für monatlich 110.000 Euro ein New Yorker PR-Unternehmen beauftragt, diplomatischen Schaden von Saudi-Arabien abzuwenden.

Mehr Wirkung als jede PR-Kampagne dürften aber all die Star-Transfers haben. Für unfassbare Gehälter verraten europäische Spieler schon mal ihre eigenen Prinzipien. Jordan Henderson (33) inszenierte sich beispielsweise lange als Unterstützer der LGBT+-Gemeinde und lief bei seinem Ex-Klub FC Liverpool zuletzt mit einer Regenbogen-Binde auf. Im Vorstellungsvideo nach seinem Wechsel zu Al-Ettifaq wurde sie per Schwarz-Weiß-Filter gekonnt übertüncht.