Tomislav Stipic von Slaven Belupo im Interview: "Hoffenheims Idee war, dass Nagelsmann mein Co-Trainer wird"

Tomislav Stipic spricht im SPOX-Interview unter anderem über eine verhängnisvolle Suppe.
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Hatte sich denn der Rückritt des Präsidenten für Sie angebahnt?

Stipic: Nein, das kam total überraschend.

Wie schnell haben Sie dann anschließend gemerkt, dass die neue Führung um Präsident Stephan Rietiker nicht auf Sie stand?

Stipic: Als er mich zu unserem ersten Gespräch einlud, hat er in kurzer Zeit mehrfach wiederholt, dass ich mir keine Sorgen zu machen bräuchte und bis Saisonende weiterarbeiten werde. Das kam mir aufgesetzt vor. Ich hatte ihn da schon ein wenig durchschaut, wie sich herausstellen sollte. Er hat das nach seiner Amtsübernahme auch vor der Mannschaft geäußert und gemeint, ich sei der beste Trainer, den man derzeit haben könne - und nach drei Unentschieden wurde ich dann entlassen. Ein Großteil der Mannschaft war fassungslos.

Stipic: "Ich hatte auch ein Angebot aus der deutschen 3. Liga"

Wie haben Sie reagiert?

Stipic: Ich war kein bisschen darauf vorbereitet. Vor allem, da wir in den drei letzten Spielen an Selbstverständnis und Stärke gewonnen hatten. Ich saß zu dem Zeitpunkt bei mir zu Hause und habe im Garten gearbeitet. Auf einmal rief der Präsident an und sagte, ich sei entlassen. Ich habe ihn gefragt, ob das ein Witz sei. Er meinte nur: Sie sind nicht mein Mann. Begründung gab es keine.

Würden Sie nun rückblickend betrachtet das Kapitel Zürich gerne aus Ihrer Vita streichen?

Stipic: Nein, ich würde es wieder genauso machen und bereue überhaupt nichts. Ich hatte in der kurzen Zeit gar nicht die Möglichkeit, Fehler zu machen und bin aus dieser Extremsituation total gestärkt hervorgegangen. Was ich mitnehme ist, dass es im Fußball manchmal am wenigsten um den Fußball selbst geht. Der ehrlichste Teil des Fußballgeschäfts findet immer auf dem Spielfeld statt. Ich bin ein markanter Trainer, dessen Berufung der Fußball ist. Leider empfinden viele im Fußball tätige Menschen ihn nicht als Privileg, sondern als Mittel zum Zweck, um ihre Macht zu steigern. Es geschieht viel im Verborgenen, sodass Interessenkonflikte häufig an der Tagesordnung sind.

Wie sind Sie anschließend mit dem frühen Aus umgegangen?

Stipic: Zürich war für mich eine gute Erfahrung, daher habe ich auch ein gutes Gefühl mitgenommen. Eine Woche nach meiner Entlassung hätte ich bei HJK Helsinki in Finnland unterschreiben können. Ich hatte auch ein Angebot aus der deutschen 3. Liga, zudem haben sich Klubs aus der Schweiz, China und Saudi-Arabien gemeldet. Ich wollte mir aber Zeit lassen.

"Bei uns spielt Jeffren Suarez, der 34 Spiele für Barcelona gemacht hat"

Mittlerweile arbeiten Sie erstmals in Ihrem Heimatland Kroatien bei Slaven Belupo, einem Klub aus der Stadt Koprivnica, die mit 30.000 Einwohnern rund 70 Kilometer nordöstlich von Zagreb an der Grenze zu Ungarn liegt. Was war ausschlaggebend für diesen Wechsel?

Stipic: Ich wollte Erstligatrainer bleiben. Die Bindung zu meinem Heimatland war natürlich ein Faktor, meine Eltern wohnen wieder dort. Die kroatische Liga genießt auf dem internationalen Trainermarkt zudem einen sehr guten Ruf, auch die Aussicht auf eine Teilnahme am internationalen Geschäft ist gegeben. Ich habe im Sommerurlaub mit meiner Familie zufällig den Sportdirektor in einem Restaurant kennengelernt. Er wusste nicht, dass ich Trainer bin und ich wusste nicht, dass er Sportdirektor ist. Als er später einen Trainer suchte, meldete er sich bei mir.

Was für ein Verein ist Slaven Belupo?

Stipic: Ein sehr familiärer und stabiler Werksklub mit einem einzigen Sponsor namens Podravka. Das ist ein Nahrungsmittelkonzern, der zusammen mit dem Pharmazeutikunternehmen Belupo 8000 Menschen beschäftigt. Von der fußballspezifischen Qualität ist das die beste Mannschaft, die ich je trainiert habe. Bei uns spielt Jeffren Suarez, der 34 Spiele für Barcelona gemacht hat und 2010 im Clasico traf, oder die kroatische Stürmer-Legende Ivan Krstanovic, der fast 100 Tore in der Liga geschossen hat. Das Niveau ist wirklich ausgezeichnet, alle Stadien haben Hybridrasen und der Ball läuft schnell. Hier gibt es definitiv bessere Individualisten mit größeren technischen Fertigkeiten als in der ersten Schweizer Liga.

Auch wenn Sie im Profibereich mit noch keiner Ihrer Mannschaften eine gemeinsame Sommervorbereitung absolviert haben und Sie nun zum vierten Mal eine Mannschaft im Abstiegskampf übernahmen, ist in Koprivnica ein Aufschwung zu erkennen: Der Vorsprung das rettende Ufer wurde seit Ihrer Amtsübernahme von drei auf neun Punkte ausgebaut. Dazu steht man im Pokal-Halbfinale und hat bei einem Einzug ins Endspiel die Chance, im nächsten Jahr in der Europa-League-Qualifikation zu spielen.

Stipic: Ja, es läuft gut. Das habe ich mir jetzt auch einmal verdient. (lacht) Als ich kam, standen wir auf dem letzten Tabellenplatz und hatten die mit Abstand schlechteste Abwehr sowie den schwächsten Angriff. Doch das hat mich schon in Zürich nicht gestört, ganz im Gegenteil. Nun haben wir vor der Coronapause acht Punkte aus den letzten fünf Partien geholt. Ich freue mich riesig auf die erste gemeinsame Saisonvorbereitung und darauf, die Mannschaft über den Sommer hinweg strukturieren und formen zu können.

Stipic: "Es war wie eine Fata Morgana"

Wie einst in Zürich verloren Sie auch dort Ihr erstes Spiel in der 90. Minute. Die zweite Partie bei Hajduk Split ging dann um die Welt: Ihre Mannschaft erzielte das vermeintliche 1:1 in der Schussviertelstunde, doch der Ball war gar nicht im Tor. Während Ihre Mannschaft mit dem Jubeln beschäftigt war, fuhr Hajduk einen Konter und traf zum 2:0. Was war genau passiert?

Stipic: Es war wie eine Fata Morgana. Die Sonne stand tief hinter dem Tor, deshalb hat keiner die finale Flugbahn des Balles wirklich gesehen. Unser Stürmer hat schon gejubelt, als der Ball noch in der Luft war. Dann hat das Netz gewackelt, sodass alle dachten, der Ball wäre drin. Wir haben uns in der Halbzeit geschworen, dass wir die Partie drehen können, weil wir die bessere Mannschaft waren. Wir waren so positiv aufgeladen, dass unser Torwart nach dem vermeintlichen Ausgleich einfach überreagiert hat und aus seinem Kasten in Richtung Bank rannte, während der Gegenangriff lief. Doch das hatte letztlich auch etwas Gutes: Anschließend blieben wir sieben Spiele in Folge ohne Gegentor. (lacht)

Herr Stipic, als Sie im September 2014 in Aue erstmals als Trainer im Profibereich auftauchten und am Saisonende abstiegen, lösten Sie den Vertrag auf eigenen Wunsch auf. Wenn Sie nun auf die seitdem vergangene Zeit zurückblicken: Ist es dieser Rücktritt, den Sie am meisten bereuen?

Stipic: Ja. Ich bin dankbar und froh über alle Erfahrungen, die ich seitdem gemacht habe. In Aue hatte ich aber alles, um als Mensch und Trainer glücklich zu sein: Der Verein stand bedingungslos hinter mir, von den Fans habe ich große Unterstützung erfahren und die Werte der Leute waren deckungsgleich mit meinen.