Tomislav Stipic von Slaven Belupo im Interview: "Hoffenheims Idee war, dass Nagelsmann mein Co-Trainer wird"

Tomislav Stipic spricht im SPOX-Interview unter anderem über eine verhängnisvolle Suppe.
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In welcher Hinsicht?

Stipic: Damals nach meinem ersten Training in Hitzhofen habe ich einem kleinen Lokalblatt ein Interview gegeben. Ich habe gesagt, dass ich als Trainer hoch hinaus möchte, dabei sicherlich auch hinfallen, aber wieder aufstehen werde. Meine Frau hat dieses Lokalblättchen ohne mein Wissen aufgehoben und es mir dann nach fast zehn Jahren unter die Nase gehalten. Sie meinte: 'Guck' an, was du damals gesagt hast! Du musst weitermachen, wo ist dein Mut aus diesem Interview geblieben? Ich habe Vertrauen in dich, glaube an dich selbst.' Das war ein totaler Schlüsselmoment für mich. Sie hatte mich emotional durchgeschüttelt und mit ihren Worten Recht. Im Januar 2018 traf ich Marco Pezzaiuoli dann zufällig am Rande eines Spiels wieder. Wir sprachen über unsere Erfahrungen in China, als er mir auf einmal erzählte, dass er nach Frankfurt geht und mich haben möchte.

Haben Sie dann also ein Jahr Pause gemacht?

Stipic: Nein. Ein Agent, der Kontakte zum chinesischen Fußballverband besaß, hatte mich dort empfohlen. Daraufhin habe ich von August bis November 2017 als Berater für die chinesische U19-Nationalelf fungiert und mitgeholfen, das Team auf die Asienmeisterschaft in Indonesien vorzubereiten. Auf diesem Weg haben wir das Qualifikationsturnier in Kambodscha ohne Gegentor gewonnen. Anschließend hat mich mein Kumpel Goran Vucevic, ehemaliger Bundesligaspieler beim 1. FC Köln, 14 Tage beim FC Barcelona zur Hospitation bei Ernesto Valverde und in La Masia untergebracht.

Stipic: "Mein ganz klarer Auftrag war: Ausbildung!"

Im Sommer 2018 starteten Sie dann mit der U19 der SGE in die Saison. War dieser Weg zurück in den Jugendbereich nach Ihrer Zeit beim FC Ingolstadt ein Rückschritt für Sie oder gab es als Trainer der zweiten Mannschaft auch eine Perspektive in Richtung Profiteam?

Stipic: Es waren viele bekannte deutsche Trainer mit Profierfahrung in der Verlosung, daher habe ich mich sehr darüber gefreut, dass die Wahl auf mich fiel. In den Gesprächen mit Marco und Fredi Bobic wurde mir auch aufgezeigt, dass ich bei einem möglichen Abwerben von Adi Hütter in die engere Auswahl für seine Nachfolge käme, sollte ich bis dahin gute Arbeit abgeliefert haben. Das Gesamtpaket war für mich sehr attraktiv, daher war es für mich eher Fort- als Rückschritt.

Die Frankfurter U19 zählte zu den jüngsten Teams der Liga, einige Spieler mussten sich erst an die Bundesliga gewöhnen. In der Tabelle stand man daher meist im unteren Drittel, geriet aber nie in Abstiegsgefahr. Was war das Saisonziel?

Stipic: Mein ganz klarer Auftrag war: Ausbildung! Leute wie Marco, die die Ausbildung der Spieler unabhängig von Ergebnissen an erste Stelle setzen, sterben in Deutschland aus. Am Ende der Saison haben fünf Spieler des Teams einen Profivertrag erhalten, mit Innenverteidiger Felix Irorere hat sogar ein 15-Jähriger in der U19 gespielt. Natürlich ging es auch darum, nicht abzusteigen, doch solange wir einen gesicherten Tabellenplatz innehatten, lag das Hauptaugenmerk darauf, die Spieler weiterzuentwickeln.

Im März 2019 wechselten Sie dann überraschend zum akut abstiegsgefährdeten Grashopper Club Zürich. Wie kam es dazu und wie hat man bei der Eintracht reagiert, als Sie den Klub auf einmal mitten in der Saison innerhalb von vier Tagen verließen?

Stipic: Mich hat dieses Angebot einfach umgehauen - erst Recht, nachdem ich kapierte, was dahintersteckte. Der Rekordmeister der Schweiz wollte mich unbedingt haben. Von Frankfurter Seite hieß es zwar, ich solle geduldig bleiben und auf meine Chance warten, aber ich wollte die Grashoppers unbedingt trainieren. Daher habe ich darauf gepocht, den Vertrag aufzulösen. Manche haben mich verstanden und es mir gegönnt, manche leider nicht.

Stipic über seinen 34-Tage-Job in Zürich

Was steckte denn genau dahinter?

Stipic: Als ich Trainer in Aue war, schneite es dort zu Jahresbeginn 2015 heftig. Ich erfuhr, dass ein Jugendtrainer von Grashoppers mit seinem Team eine Deutschland-Tour machte und dringend einen Platz zum Trainieren suchte. Wir haben ihm dann unsere Halle zur Verfügung gestellt. Einer der Jungs aus dem damaligen GC-Trainerteam war Timo Jankowski, der 2018 Nachwuchschef in Zürich wurde. Wir freundeten uns an und ich habe ihm später geholfen, ein großes Curriculum zur Ausbildungsphilosophie der Grashoppers zu schreiben. Er hospitierte in Frankfurt ein paar Tage bei mir, beobachtete meine Arbeit und sprach ohne mein Wissen mit meinen Spielern über mich. Er gab dem GC-Präsidenten schließlich den Tipp, mich zu verpflichten.

Ihr Start in Zürich geriet gelinde gesagt turbulent. Das erste Spiel verlor man gegen den amtierenden Meister und Tabellenführer Young Boys Bern in der 95. Minute, die zweite Partie in Sion wurde am grünen Tisch mit 0:3 gewertet, nachdem GC-Fans wiederholt Feuerwerkskörper auf das Spielfeld geworfen hatten und die Begegnung daraufhin abgebrochen werden musste. Und dann wurde zehn Tage nach Ihrer Verpflichtung auch noch die gesamte Vereinsführung um Präsident Stephan Anliker entlassen.

Stipic: Bedauerlicherweise ist es so gekommen. Anschließend wurde eine neue Führung und ein neuer Aufsichtsrat installiert. Wir haben dann dreimal in Folge unentschieden gespielt, darunter das erste Zu-null-Spiel nach 15 Partien.

Eigentlich eine ordentliche Bilanz, wenn man bedenkt, dass Ihr Vorgänger Thorsten Fink vor seiner Entlassung nur einen Punkt aus zehn Spielen holte. Waren es politische Gründe, weshalb Sie bereits nach fünf Spielen und 34 Tagen im Amt wieder gehen mussten?

Stipic: Ja, zumindest wurde mir der positive sportliche Trend nicht vorgeworfen. Ich war eben nicht der Trainer der neuen Führung. Ich habe das extrem bedauert, da ich bei noch acht ausstehenden Spielen und fünf Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz sehr zuversichtlich war. Am Ende ist der Klub mit zwölf Punkten Rückstand zum ersten Mal nach 70 Jahren wieder abgestiegen. Ich bleibe dabei: Mit mir wären die Grashoppers definitiv nicht abgestiegen.

Sie kannten den Schweizer Fußball und Ihre künftigen Spieler zuvor kaum. Warum sagten sie dennoch zu?

Stipic: Ich hatte in Frankfurt eine Komfortzone. Ich stand noch zweieinhalb Jahre unter Vertrag, hatte keine sportlichen Sorgen, konnte in Ruhe reifen und auf den nächsten Schritt warten. Oder aber ich nehme in Zürich die Möglichkeit wahr, meine Vorgeschichte mit den beiden Abstiegen auszumerzen. Das war letztlich genau der Moment, auf den ich gewartet habe. GC lag komplett am Boden, das Selbstwertgefühl der Spieler war im Keller. Doch dort gab man mir die Chance, den Verein innerhalb von drei Monaten zu retten und mich auch wieder interessant zu machen. Ich habe mir gesagt, dass ich die Qualität und Resistenz dafür habe und immun gegen die Vorbehalte der Medien bin. Leider wurde mir diese Möglichkeit nach sehr kurzer Zeit genommen.

Tomislav Stipic als Trainer von Grashoppers Zürich.
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Tomislav Stipic als Trainer von Grashoppers Zürich.

Stipic: "GC war ein glamouröser Verein"

Gerade rund um Ihre Verpflichtung fragten sich viele in der Schweiz, wer denn dieser unbekannte Trainer sei. Wie sind Sie als Mensch damit umgegangen, dass man Sie fast wie einen Außerirdischen beäugte?

Stipic: Man hat als ausländischer Trainer in der Schweiz ein wenig das Gefühl, dass die Medien dort lieber ihre Landsmänner auf diesen Positionen sähen. Ich habe Ähnliches auch im deutschen Boulevard gelesen, als Young-Boys-Trainer Gerardo Seoane bei Gladbach im Gespräch war. Da stand geschrieben, weshalb es denn schon wieder einen ausländischen Trainer in der Bundesliga bräuchte und man müsste ja sogar einen Sprachkurs belegen, um seinen Namen auszusprechen. Ich war aber ungeachtet dieser Vorbehalte sehr entschlossen, weil ich einfach eine solch tote Mannschaft zum dritten Mal übernehmen wollte. Ich war mir sicher, nach meinen gemachten Erfahrungen der Richtige zu sein. GC war ein glamouröser Verein, es war genau die Bühne, die ich haben wollte. Ich bin diese Aufgabe mit viel Bescheidenheit und Demut angegangen und habe Tag und Nacht gearbeitet.