Julian Nagelsmann hat bereits angekündigt, dass er am Kader der beiden Testspiele gegen Frankreich und die Niederlande nur noch wenige Veränderungen bis zur EM vornehmen wird. Die Rede ist von ein bis zwei personellen Wechseln.
Eine Rückkehr von Leroy Sané, der zuletzt gesperrt fehlte, ist sehr wahrscheinlich. Der 28-jährige Bayern-Profi war Stammspieler in den ersten Partien unter der Ägide von Nagelsmann und gilt auch gemeinhin als einer der offensiven Leistungsträger. An sich würde Sané in eine Offensive mit Jamal Musiala, Florian Wirtz und Kai Havertz bestens hineinpassen.
Allerdings hat in den vergangenen zwei Spielen Ilkay Gündogan, der zusätzlich die Kapitänsbinde trug, die Position als verkappte zweite Spitze hinter und neben Havertz bekleidet. Aufgrund der Rückkehr von Toni Kroos hat sich die Statik im Mittelfeld generell geändert.
Nagelsmann setzt nun dezidiert auf die Spielmacherqualitäten von Kroos, der zumeist von der temporären Halbverteidiger-Position aus die erste Phase der Spieleröffnung einleitet. Robert Andrich fungiert als Durchlaufstation und zugleich defensive Stütze neben Kroos.
Ilkay Gündogan spielte phasenweise wie ein Stürmer
Gündogan wiederum gestaltet das Spiel, wenn er auf der Sechs eingesetzt wird, eher durch seine ballschleppenden und antreibenden Aktionen. Diese sind im Spielaufbau der DFB-Elf aktuell weniger gefragt, weil die Deutschen entsprechend Nagelsmanns Vorstellungen mit schnellem Passspiel nach vorn kommen sollen.
So wurde Gündogan auf die nominelle Zehnerposition des 4-2-3-1 gestellt, spielte aber in der Realität eher als zweite Spitze, gerade weil Deutschland stets Rauten auf den Flügeln bilden wollte und sich somit Havertz und Gündogan jeweils als Rautenspitze zu positionieren hatten - siehe Grafik.
Daraus resultierend war Gündogan auch nach Ballgewinnen im Raum vor der gegnerischen Abwehr damit beauftragt, Läufe hinter die Abwehr zu unternehmen. Er spielte phasenweise eben wie ein Stürmer.
Grafik: So sah die Rautenstruktur des DFB-Teams gegen Frankreich aus
Statt Ilkay Gündogan: Leroy Sané und Thomas Müller besser geeignet
Nun hat Gündogan in seiner Karriere bereits des Öfteren auf einer hohen Position gespielt. Anders als Kroos wird er nicht als reinrassiger Sechser klassifiziert. So setzte Pep Guardiola in der vergangenen Saison Gündogan immer wieder auf der offensivsten Position im Mittelfeld von Manchester City und damit noch vor Kevin De Bruyne ein.
Gündogan kam zumeist über halblinks, war aber trotzdem Teil der zweiten Linie hinter Erling Haaland, Jack Grealish und Co. Er musste nicht an der Abseitsgrenze agieren, sondern konnte zweite Bälle einsammeln oder sich im Zwischenlinienraum für entsprechende Anspiele positionieren. In diesen Räumen und Kontexten kommen seine Ballverarbeitung und enge Ballführung am besten zum Tragen.
Die traditionelle Durchschlagskraft eines Angreifers besitzt er indes nicht. Deshalb wäre es wenig verwunderlich, sollte Sané in der beschriebenen Rolle hinter und neben Havertz den Vorzug erhalten. Thomas Müller wäre in seiner Funktion als Offensiv-Veteran eine weitere Alternative, gerade auch für Impulse in der zweiten Halbzeit.
Julian Nagelsmann hat sich mit Ilkay Gündogan ein Personalproblem geschaffen
Ebenso könnte sich Deniz Undav ein paar Chancen ausrechnen, gelegentlich als hängende Spitze eingesetzt zu werden. Aus rein sportlicher Sicht wäre es allemal sinnvoll. Gündogan gehört nichtsdestotrotz zu den wichtigsten Spielern im Team und trägt nicht ganz grundlos die Kapitänsbinde.
Insofern hat sich Nagelsmann ein kleines Personalproblem geschaffen. Allerdings kann dem Bundestrainer kein Vorwurf gemacht werden, dass er infolge der Rückkehr von Kroos das taktische System angepasst hat. Gerade auch angesichts dessen, dass die Ballbesitzstruktur gegen Frankreich und die Niederlande derart verbessert wirkte im Vergleich zu den Niederlagen Ende 2023.
Das alles abzuändern, um Gündogan auf die Achterposition zurückzuziehen, wäre frevelhaft. Eine Degradierung des 33-Jährigen zum Reservisten könnte aber ebenso ungute Folgen haben, weil er als Führungsspieler auf dem Rasen gefragt sein könnte. Der Bundestrainer hat also mit Blick auf das Heim-Turnier im Juni und Juli die Qual der Wahl.
Deutschland, Fahrplan bis zur EM 2024: Die Termine im Überblick
Datum | Ereignis |
vrsl. Mitte/Ende Mai | Bekanntgabe vorläufiger EM-Kader |
26.-31. Mai 2024 | Trainingslager |
3. Juni 2024 | Testspiel gegen Ukraine |
7. Juni 2024 | Testspiel gegen Griechenland |
07. Juni 2024 | Einreichung der Spielerlisten bei der UEFA |
14. Juni 2024 | 1. EM-Gruppenspiel gegen Schottland |
19. Juni 2024 | 2. EM-Gruppenspiel gegen Ungarn |
23. Juni 2024 | 3. EM-Gruppenspiel gegen die Schweiz |