"Poldi schrieb mir 'nen Abschiedsbrief"

Adolf Katzenmeier war lange Zeit Lukas Podolskis Sitznachbar im Mannschaftsbus des DFB-Teams
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SPOX: Wie lief es mit anderen Spielern ab?

Katzenmeier: Ähnlich. Gerade die Spieler, die neu nominiert wurden, sind öfter mal zum Masseur oder Arzt gegangen, um nachzuhören, wie das in der Nationalmannschaft alles so abläuft. Das hat es manches Mal auch vereinfacht, über die Behandlung den Zugang zum einzelnen Spieler zu bekommen.

SPOX: Gab es auch welche, mit denen Sie gar nicht konnten?

Katzenmeier: Nicht unbedingt, aber mit Stefan Effenberg hatte ich Schwierigkeiten. Ihn habe ich kaum zum Termin bekommen. Mal kam er später, mal gar nicht. Ich weiß noch, wie wir zu Zeiten von Berti Vogts in Thailand beim Abendessen saßen und ich danach dann den Effenberg behandeln sollte. Ich hatte mich mit ihm abgesprochen. Als ich vom Tisch aufstand, um mich fertig zu machen, lachte dann auf einmal Mario Basler laut los.

SPOX: Wieso?

Katzenmeier: Er war ja ein guter Freund von Effenberg und meinte, er würde im Leben nicht bei der Behandlung auftauchen. Ich habe dann eine ganze Weile im Massageraum gewartet - länger als ich dachte. Mir war es dann auch scheißegal, ob er noch kommt oder nicht. Doch auf einmal klopft es an der Tür. Basler kam mit Effenberg im Arm herein und sagte: Da hast du ihn (lacht).

SPOX: Zu einem früheren Zeitpunkt, bei der EM 1992 in Schweden, haben Sie dem bewusstlosen Guido Buchwald beim Spiel gegen Schottland die verschluckte Zunge herausgeholt. Er hat Sie daraufhin in den Finger gebissen. Die Wunde haben Sie bis heute.

Katzenmeier: Zu dieser Geschichte muss ich etwas länger ausholen: Fünf Minuten vor der Sache mit Guido prallte auch Stefan Reuter mit einem Schotten zusammen. Er hatte eine stark blutende Risswunde in Stirnhöhe. Ich habe schon aus einem Meter Entfernung das Handtuch auf ihn geworfen, als ich zusammen mit Teamarzt Professor Heinrich Heß auf den Platz lief. Heß ging dann mit Reuter in die Kabine, weil die Wunde genäht werden musste.

SPOX: Und er war dann nicht da, als der Vorfall mit Buchwald passierte?

Katzenmeier: Genau. Ich saß mit Professor Winfried Kindermann zusammen auf der Bank. Der hatte aber anders als Heß keine Erlaubnis, den Platz zu betreten. Bei Guido war der Fall ähnlich, auch er wurde im Luftzweikampf erwischt - aber an der Schläfe. Er ist wie Wackelpudding nach unten gefallen und war vollkommen weg.

SPOX: Wie ging es dann weiter?

Katzenmeier: Der Schiedsrichter erkannte die Situation sehr gut, pfiff sofort ab und ließ mich aufs Feld. Guidos Hände verkrampften, der Hals war überstreckt. Damit war klar, dass die Zunge zurückgefallen ist. Ich habe dann mit meinem Daumen seinen Ober- und Unterkiefer auseinandergedrückt und konnte so mit meinem Zeigefinger die Zunge erwischen. Da war eine Spannung drauf, das können Sie sich nicht vorstellen.

SPOX: Aber er war noch immer bewusstlos?

Katzenmeier: Ja. Ich habe die Zunge gehalten und leicht daran gezogen, aber sie hat nicht nachgegeben. Die Sanitäter wollten ihn dann wegtragen, aber das habe ich unterbunden. Es handelte sich ja um eine lebensbedrohliche Situation. Der Schiedsrichter ließ dann auf meinen Vorschlag Professor Kindermann aufs Feld, der Guidos Kinn nach unten drückte. Dann gab die Zunge endlich nach, ich zog sie heraus und drehte Guidos Kopf zur Seite. Dann wurde er wach.

SPOX: Wie wach?

Katzenmeier: So wach, dass er sofort sagte: 'Was ist denn los?'. Ich antwortete ihm: 'Nichts ist los.' Er war in einem Dämmerzustand. Wir haben ihn dann hinter das Tor gelegt, damit das Spiel weitergehen konnte. Dort sah ich, dass aus seinem linken Ohr Blut herauslief. Da bin ich so erschrocken, weil ich befürchtete, er hätte vielleicht einen Schädelbasisbruch. Ich nahm eine Mullkompresse und bin damit in sein Ohr hinein. Guido schrie auf einmal: 'Aua, du tust mir weh.' Wir haben ihn letztlich mit dem Krankenwagen in die Uniklinik Göteborg gefahren.

SPOX: Haben Sie mit ihm in den Jahren danach noch über diesen Vorfall gesprochen?

Katzenmeier: Natürlich, immer wieder mal. Erst vor kurzem fragte ich ihn, ob er damals wusste, dass ich bei ihm war. Er hatte ja 'DU tust mir weh' gerufen. Er meinte: 'Ich habe gewusst, du bist da.'

Seite 1: Katzenmeier über "Litfaßsäule" Asamoah und Poldis Abschiedsbrief

Seite 2: Katzenmeier über Termine mit Effenberg und Buchwalds verschluckte Zunge

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