Vor einem Jahr sagten Sie über den Meistertitel von ManCity, das Team habe "eine neue Form von Fußball entwickelt hat, die über allem stand". Was meinten Sie damit, und wie hat sich City in der letzten Saison weiterentwickelt?
Krawietz: Sie haben damals alle anderen Mannschaften in der Liga auf eine absolut beeindruckende Art und Weise dominiert. Sie haben mit ihrem Fußball dafür gesorgt, dass die Gegner das schlichtweg nicht mehr verteidigen konnten. In dieser Saison haben sie unter Beweis gestellt, dass das kein Zufall, sondern das Ergebnis systematischer Überlegungen und konkreter Umsetzung war. 201 Tore in zwei Spielzeiten, das ist Fließbandarbeit. Sie haben jetzt ihre Spielweise noch etwas ausgedehnt und verfolgen mittlerweile eine sehr pragmatische Herangehensweise. Viele Mannschaften haben sich insofern angepasst, dass sie in der Lage sind, das kompakter zu verteidigen. City gelingt es jetzt nicht mehr so oft, fünf oder sechs Tore in einem Spiel zu schießen. Sie kommen nicht mehr so oft zum freien Torschuss, haben aber mit ihrer Ballbesitzphilosophie dafür gesorgt, dass die Gegner kaum mehr selbst zum Angreifen kommen.
Liverpool ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich konstanter geworden, patzte nicht mehr gegen kleinere Vereine, die Wichtigkeit der beiden Außenverteidiger hat zugenommen - in welcher Hinsicht hat man das Spiel verfeinert?
Krawietz: Wir haben die Qualität unseres Ballbesitzes verbessert. Wir bekommen nun auch unter hohem gegnerischen Angriffspressing einen zielgerichteten, spielerischen Aufbau hin - und dies mit einer sehr hohen Zuverlässigkeit. Wir haben diesbezüglich insofern Variabilität geschaffen, dass wir immer wieder neue Aufbauformationen spielen lassen können. Wir geben dazu kurze Signale an unsere Spieler und sie sind dann in der Lage, darauf sehr variabel zu reagieren. Beispielsweise, wenn sich Aufbauformationen verändern sollen, wir den Flügel etwas höher schieben oder ein Spieler vermehrt zwischen den Ketten agieren soll. Das gibt uns die Möglichkeit, über die gesamten 90 Minuten dominanter und konstanter aufzutreten. Wir wissen jetzt, dass wir auch in den letzten Minuten mit einer Einwechslung oder einer kleinen Systemumstellung noch einmal neue Situationen schaffen, die die Wahrscheinlichkeit auf einen Treffer erhöhen.
Die beiden Außenverteidiger Andrew Robertson und Trent Alexander-Arnold gehören ligaweit zu den Top-6 der Vorlagengeber. Wie wichtig sind sie für Liverpools Spiel?
Krawietz: Wir versuchen natürlich, unsere Außenverteidiger in Situationen zu bringen, in denen sie die letzte gegnerische Linie durchbrechen können. Die beiden haben dazu die Fähigkeiten, weil sie wahnsinnig schnell sind und mit ihrem guten Timing den richtigen Pass abwarten können, um im richtigen Moment in die richtige Position zu kommen. Dass wir an der Präzision der Hereingaben arbeiten, wenn wir dieses Mittel der Spielverlagerung und -beschleunigung mit Durchbrüchen über die ballentfernte Seite anwenden, ist klar. Wir definieren dabei Zielbereiche für die Hereingaben und arbeiten insbesondere an Laufwegen für die Abnehmer.
Nach dem Rückspiel gegen Barcelona war der schnell ausgeführte Eckball von Alexander-Arnold weltweit ein Thema. Nach dem Spiel widersprachen sich die Protagonisten aber etwas: Torschütze Divock Origi meinte, die Ausführung sei abgesprochen gewesen, Alexander-Arnold bestand auf spontane Eingebung. Was ist wahr?
Krawietz: Wir haben das wochenlang einstudiert! (lacht) Nein, das war tatsächlich Trents Reaktionsschnelligkeit geschuldet. Tatsache ist, dass wir schnell ausgeführte Standardsituationen immer wieder thematisieren, wir uns verschiedene Szenarien rund um einen Eckball oder Freistoß überlegen und dies wiederkehrend ansprechen. Wir fördern und fordern von unseren Spielern aber bei allem, was wir uns ausdenken, dass sie variabel bleiben. In diesem Fall mündeten langfristiges Training und ständige Wiederholungen in eine wunderbar spontane Aktion.
Laut eines Berichts des Independent seien die Balljungen seit dem Hinspiel gegen Barcelona extra für solche Situationen geschult worden, weil man in Liverpool festgestellt habe, dass Barcas Spieler nach Freistoß- oder Einwurf-Entscheidungen gegen sich auffallend oft lamentieren und abgelenkt seien. Ist da etwas dran?
Krawietz: Nein. Als wir nach Liverpool kamen, gab es dort nicht das sogenannte Multi-Ball-System. Das heißt, es stand genau ein Ball zur Verfügung und wo auch immer der im Aus gelandet ist, musste man ihn erst wieder Richtung Spielfeld bringen. Das haben wir mit unserer Ankunft geändert und die Balljungen vorher darauf geschult, dass sie die Kugel zügig wieder zur Verfügung stellen sollen, wenn es Einwurf oder Eckball für uns gibt. Die schnelle Spielfortsetzung ist schon auch Trainingsinhalt bei uns, weil man damit immer wieder einen Vorteil erzielen kann.
Tottenham gegen Liverpool: Die letzten fünf direkten Duelle
Datum | Heim | Auswärts | Ergebnis |
31.03.2019 | FC Liverpool | Tottenham Hotspur | 2:1 |
15.09.2018 | Tottenham Hotspur | FC Liverpool | 1:2 |
04.02.2018 | FC Liverpool | Tottenham Hotspur | 2:2 |
22.10.2017 | Tottenham Hotspur | FC Liverpool | 4:1 |
11.02.2017 | FC Liverpool | Tottenham Hotspur | 2:0 |