Zudem äußert sich Krawietz im Interview zum berühmten Eckball gegen den FC Barcelona, der Rolle der Liverpooler Balljungen, Finalgegner Spurs und zum Video der Toten Hosen.
Herr Krawietz, das letzte Interview mit SPOX ist ein Jahr her und fand wie dieses anlässlich des bevorstehenden Champions-League-Endspiels statt. In dem Rhythmus könnte es zwischen uns weitergehen, oder?
Peter Krawietz: Von meiner Seite spricht nichts dagegen. (lacht)
Lassen Sie uns kurz auf das Finale 2018 zurückblicken: Liverpool verlor mit 1:3 gegen Real Madrid und zuvor nach nur 30 Spielminuten mit Mo Salah einen Leistungsträger verletzungsbedingt, anschließend patzte Torhüter Loris Karius zweimal schwer. Bitterer hätte der Abend kaum laufen können.
Krawietz: Klar. Ein Finale zu verlieren, ist grundsätzlich bitter. Da ändert das Wie letztlich nicht viel. Dieses Spiel war davon geprägt, dass wir im Vorfeld mit Verletzungen und angeschlagenen Spielern zu kämpfen hatten. In den ersten 30 Minuten haben wir unseren Plan sehr gut umgesetzt, doch mit dem Aus von Salah musste sich unser Spiel systematisch verändern. Danach konnten wir nicht mehr diese Wucht nach vorne entwickeln, die es gegen eine solch erfahrene und abgezockte Truppe wie Real gebraucht hätte.
Wie bewerten Sie das Foul von Sergio Ramos an Salah nun im Rückblick?
Krawietz: Sagen wir es so: Es hat mich damals nicht überrascht, dass dieser Spieler gegen diesen, unseren Spieler im Zweikampf versucht, mit allen Mitteln zu agieren. Ob gewollt oder nicht gewollt, hat er seinem Team einen großen Gefallen getan.
Wie sind Sie persönlich nach dem Spiel mit dem todtraurigen Karius umgegangen?
Krawietz: Wir haben ein paar Worte gewechselt. Ich habe versucht, ihn in dieser Situation nicht allein zu lassen. Ihn nur zu trösten, hätte nicht gefruchtet. Fußball ist ein Mannschaftssport, daher sind in solchen Momenten Trainer wie Mitspieler in der Pflicht, zur Seite zu stehen und Einigkeit zu demonstrieren. Das ist auch geschehen. Am Tag danach bekamen wir dann die Information aus der medizinischen Abteilung, Loris' Zusammenprall habe ganz offensichtlich dazu geführt, dass er das Spiel anschließend nicht mehr im Vollbesitz seiner Kräfte zu Ende spielen konnte. Wenn wir zum Zeitpunkt des Unfalls gewusst hätten, in welcher Art er beeinträchtigt ist, hätten wir ihn mit Sicherheit ausgewechselt.
Liverpool holte im Sommer mit Alisson Becker einen neuen Torwart. Wäre das auch passiert, wenn Karius diese Fehler nicht unterlaufen wären?
Krawietz: Man will sein Team ja immer optimal aufstellen. Dafür muss man am Ende einer Saison Bilanz ziehen und schauen, welche Möglichkeiten man hat und wo man Optimierungsbedarf sieht. All diese Eindrücke wirft man zusammen und trifft Entscheidungen. Neue Spieler verpflichten zu wollen, ist das eine, dass sie dann auch kommen, das andere. Die Gesamtsituation hat es letztlich hergegeben, dass wir uns für einen Wechsel im Tor entschieden haben.
Letztes Jahr haben wir das Interview kaum geführt, da kam die Nachricht, dass die Premier League ab der Saison 2019/20 eine Winterpause einführen wird. Wie sehr haben Sie sich als Verfechter einer Winterpause in England darüber gefreut?
Krawietz: Nur bedingt. Ich kenne jetzt die neuesten Überlegungen möglicherweise nicht ganz genau. Fakt ist aber, dass die vorgesehenen Pläne nichts mit einer Winterpause zu tun haben, wie man sie aus Deutschland kennt. Es geht letztlich um ein spielfreies Wochenende für jedes Team im Januar, Februar. Das bedeutet eine Entlastung, löst aber noch lange nicht das große Problem der Überbelastung aufgrund der Überterminierung rund um die Weihnachtszeit. Wir nehmen aber auch diese kleinen Schritte in die richtige Richtung sehr, sehr wohlwollend zur Kenntnis. (lacht)
Anfang Mai hat der FC Liverpool hauchdünn die erste Meisterschaft seit 1990 verpasst. Wie enttäuscht waren Sie?
Krawietz: Die Freude darüber, was unsere Mannschaft geleistet und wie sie sich vor allem entwickelt hat, hat nach einer Stunde der Enttäuschung nach dem letzten Ligaspiel eindeutig überwogen. Wir haben in den letzten Wochen der Premier-League-Saison das Maximale herausgeholt. Für unsere Entwicklung war es ein ganz großer Schritt, die Sache unter höchstem Druck mit einer wahnsinnigen Konstanz und zeitgleicher Teilnahme an der Champions League bis zum Schluss durchzuziehen. Es in dieser Kombination aus beiden Wettbewerben geschafft zu haben, macht mich wirklich stolz.
Im Januar haben Sie beim Kicker gesagt, Sie würden lieber die Meisterschaft statt die CL gewinnen, wenn Sie die Auswahl hätten. Kann die Aufgabe in Liverpool erst dann beendet sein, wenn diese große Sehnsucht der Menschen gestillt ist - erst recht jetzt, wo man so kurz davorstand?
Krawietz: Viel wichtiger ist immer die gesamte Arbeit. Wir richten nicht alles nur an der Meisterschaft aus, sondern wollen eine langfristige Entwicklung und Verbesserung einleiten. Vor diesem Hintergrund ist die Meisterschaft zweifelsfrei ein Ziel und unser maximaler Wunsch - wohlwissend jedoch, dass Liverpool auch in den nächsten Saisons sehr wahrscheinlich nicht die finanzstärkste Kraft in England sein wird. Daher bleibt das ein wahnsinnig ambitioniertes Ziel. Wir werden es weiter versuchen. Dass aber die Kaderqualität und -breite ein wesentlicher Faktor dafür ist, kann nicht außer Acht gelassen werden.
FC Liverpool: Der Weg ins Champions-League-Finale
Runde | Gegner | Hinspiel | Rückspiel |
Gruppenphase | Paris St.-Germain | 3:2 | 1:2 |
Gruppenphase | SSC Neapel | 0:1 | 1:0 |
Gruppenphase | Roter Stern Belgrad | 4:0 | 0:2 |
Achtelfinale | FC Bayern München | 0:0 | 3:1 |
Viertelfinale | FC Porto | 2:0 | 4:1 |
Halbfinale | FC Barcelona | 0:3 | 4:0 |