FC Bayern München verliert die Tabellenführung - und bekommt eine ehemalige BVB-Debatte

Hasan Salihamidzic schlug nach der Niederlage gegen Leverkusen Alarm.
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Der FC Bayern zeigt aktuell zwei Gesichter: Hier der Triumphzug in der Champions League, dort die von Patzern geprägte Bundesliga-Saison. Ausgerechnet vor dem Gipfeltreffen mit Borussia Dortmund verloren die Münchner die Tabellenführung, woraufhin eine ehemalige BVB-Debatte losbrach.

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"Geistes- und Gemütsart; besondere Art des Denkens und Fühlens" ist die Definition des Wortes "Mentalität" laut Duden. Im Fußball wird dieser abstrakte Begriff gerne als Erklärung für Ergebnisse herangezogen, die man sich anders nicht erklären kann. Beispielsweise, wenn eine Mannschaft nach einem überzeugenden Sieg überraschend und ohne allergrößte Gegenwehr gegen einen nominell schwächeren Gegner verliert.

Passiert so etwas regelmäßig, entwickelt sich eine sogenannte Mentalitäts-Debatte - wie in den vergangenen Jahren bei Borussia Dortmund. Seit den beiden Meisterschaften von 2011 und 2012 scheiterte der BVB in der Bundesliga bei seinen Titelambitionen zwar stets in erster Linie an den übermächtigen Münchnern, laut genereller Deutung aber immer auch an der eigenen Mentalität.

Aktuell hat die nun schon etwa zehn Jahre andauernde Debatte aber ihre wohl längste Pause, denn der BVB leistet sich in der Bundesliga kaum noch unnötige Punktverluste. Abgesehen vom Remis im Revierderby gegen den FC Schalke 04 (der aktuell bekanntlich eh nicht zu besiegen ist) gewann Dortmund seit der Winterpause jedes Bundesligaspiel, der FC Bayern patzte unterdessen munter vor sich hin.

Aus neun Punkten Rückstand wurde somit ein Punkt Vorsprung. Ausgerechnet vor dem direkten Aufeinandertreffen am 1. April erfolgte die Wachablösung an der Tabellenspitze. Während das M-Wort in Dortmund aktuell für Meistertitel steht, wird der FC Bayern seinerseits von einer Mentalitäts-Debatte heimgesucht. Tatsächlich: Der eigentlich unersättliche, immer siegesgeile Mia-san-mia-Klub hat eine Mentalitäts-Debatte.

Hasan Salihamidzic eröffnet die Mentalitäts-Debatte

Den finalen Auslöser gab die hochverdiente 1:2-Niederlage bei Bayer 04 Leverkusen am Sonntag. Diese Pleite war weder auf eine ungewöhnliche Taktik, noch auf übermäßige Rotation, unfaire Schiedsrichter-Entscheidungen oder eine zu kurze Ruhepause zurückzuführen. Der FC Bayern hatte sogar eine Woche frei, wohingegen Leverkusen noch am Donnerstag in der Europa League aktiv war.

Laut Sportvorstand Hasan Salihamidzic war die Sache deshalb klar: Im Zuge seiner etwa dreiminütigen Brandrede zur Lage der Bayern-Nation in den Katakomben der BayArena sprach er gleich viermal das Wort "Mentalität" aus - und sicherheitshalber auch jede Art-verwandte Begrifflichkeit.

"So wenig Antrieb, so wenig Mentalität, so wenig Zweikampfführung, so wenig Durchsetzungsvermögen habe ich selten erlebt", sagte Salihamidzic beispielsweise. Oder: "Die Mentalität war heute gar nicht da." In Leverkusen hätte die Mannschaft seiner Meinung nach gedacht, "dass sie mit der Qualität alles erledigen kann - aber das kann sie einfach nicht". Laut Trainer Julian Nagelsmann sei die Leistung über weite Strecken "ganz schwach" und "träge" gewesen.

Salihamidzic äußerte die Vermutung, dass sich die Münchner in den internationalen Spielen etwas mehr anstrengen würden als bei den allwöchentlichen Bundesliga-Kicks: "Diese Mentalität, diesen Biss, diese Gier, diesen Hunger müssen wir Spiel für Spiel auf den Platz bringen. So wie wir das in den großen Spielen machen, so wir wir das gegen Paris gesehen haben."

Bayer Leverkusen, FC Bayern München
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FC Bayern: Diskrepanz zwischen CL und Bundesliga

Tatsächlich gibt es beim FC Bayern in dieser Saison eine extreme Diskrepanz zwischen den Leistungen auf nationaler und internationaler Bühne zu beobachten. In der Champions League gewannen die Münchner dank herausragender Leistungen acht von acht Spielen - und zwar gegen Mannschaften wie Paris Saint-Germain, den FC Barcelona oder Inter Mailand.

In der Bundesliga hat der FC Bayern dagegen nach 25 Spieltagen erst 52 Punkte vorzuweisen, weniger waren es zu diesem Zeitpunkt letztmals in Dortmunds letzter Meistersaison 2011/12. Auf drei maue Remis zum Rückrundenauftakt folgten zwei Siege, das verheerende 2:3 bei Borussia Mönchengladbach ("weichgespültes Pack"), drei Siege und nun das 1:2 in Leverkusen.

Kimmich kritisiert "Nachlässigkeiten in der Konzentration"

Joshua Kimmich, der den FC Bayern in Leverkusen zwischenzeitlich sogar mit 1:0 in Führung gebracht hatte, sprach von "Nachlässigkeiten in der Konzentration, die wir uns ankreiden lassen müssen". Die beiden Leverkusener Tore resultierten aus Elfmetern. Erst kam Benjamin Pavard gegen Amine Adli zu spät, dann Dayot Upamecano.

Vor allem die Defensiv-Statistiken veranschaulichen die Diskrepanz zwischen den Auftritten in der Champions League und der Bundesliga ganz hervorragend. Auf internationaler Bühne blieb der FC Bayern in sieben von acht Spielen ohne Gegentor, in der Bundesliga dagegen nur in acht von 25. Insgesamt hagelte es bereits 27 Gegentore.

Die Offensive trifft dagegen auch in der Bundesliga zuverlässig. Nur beim 0:1 gegen den FC Augsburg in der Hinrunde schoss der FC Bayern kein Tor, im Schnitt gelangen bisher fast drei Treffer pro Spiel. Bezeichnend: Obwohl die Münchner in der Tabelle einen Punkt hinter Dortmund liegen, haben sie eine um 21 Treffer bessere Tordifferenz vorzuweisen.

Statistisch ist der FC Bayern dem Rivalen also deutlich überlegen - worauf es beim direkten Duell in zwei Wochen dann ankommt? "Wir müssen Mentalität und Gier auf den Platz kriegen", findet Hasan Salihamidzic.

FC Bayern vs. BVB: Das Restprogramm in der Bundesliga

SpieltagBVBFC Bayern
26Bayern München (A)Borussia Dortmund (H)
27Union Berlin (H)SC Freiburg (A)
28VfB Stuttgart (A)TSG Hoffenheim (H)
29Eintracht Frankfurt (H)Mainz 05 (A)
30VfL Bochum (A)Hertha BSC (H)
31VfL Wolfsburg (H)Werder Bremen (A)
32Borussia M'Gladbach (H)Schalke 04 (H)
33FC Augsburg (A)RB Leipzig (H)
34Mainz 05 (H)1. FC Köln (A)
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