Fast 400 Millionen Euro ausgegeben: Warum der BVB in der Bundesliga heftiger wildert als der FC Bayern

FC Bayern, Borussia Dortmund, Oliver Kahn, Hans-Joachim Watzke
© getty

Seit Jahren wird dem FC Bayern vorgeworfen, in der Bundesliga zu wildern und durch Transfers die Konkurrenz zu schwächen. Die Fakten sagen allerdings etwas anderes und beweisen: Es ist Borussia Dortmund, das in der Liga fast 400 Millionen Euro investiert hat. Warum das so ist - und warum es noch heftiger wird.

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Nicolas Ludwig Mühlegg spielt, wenn man den lokalen Medien glauben darf, eine grundsolide Saison. Beim 1:1 gegen Viktoria Kirchderne schoss der 22-Jährige zuletzt ein wichtiges Tor für die SG Castrop-Rauxel. Ein wichtiges Tor, weil in der Westfalener Bezirksliga Staffel 09 ein heißer Abstiegskampf herrscht und jeder Punkt gebraucht wird.

Dass der FC Bayern München auf der Suche nach einem neuen Linksverteidiger dennoch nicht bei Mühlegg vorstellig wird, liegt nicht nur an den 99 Gegentoren, die die SG bisher kassiert hat, sondern auch, weil Mühlegg nicht ins Beuteschema des Rekordmeisters passt.

Zu dieser Feststellung kam Paul Breitner vor Jahren, als der Chefgrantler des deutschen Fußballs noch beim FC Bayern arbeitete: "Wir haben die Verpflichtung, besser zu werden. Dabei hilft uns der linke Verteidiger von Castrop-Rauxel nicht."

Es lief damals wieder mal die Diskussion, dass der FC Bayern die unmittelbare Konkurrenz schwächt, indem man die besten Spieler der Verfolger wegkauft und Breitner musste die Münchner Transferstrategie verteidigen.

FC Bayern: Der Konkurrenz-Einkauf begann in Gladbach

Er konnte die Diskussionen nicht verstehen: "Es ist Aufgabe jeder Firma der Welt, regelmäßig das vermeintlich beste Produkt noch weiter zu verbessern. Wir sind ein mittelständisches Unternehmen, das im Jahr über 500 Millionen Euro umsetzt und Fußball produziert. Wir haben die Verpflichtung, besser zu werden." Und da hilft eben eher ein Spieler von der unmittelbaren Konkurrenz und nicht einer aus der Bezirksliga.

Es war auch ein Eingeständnis, dass der FC Bayern durchaus bei den Konkurrenten sichtet, um den Kader zu verstärken. Dass man damit auch die anderen Klubs schwächt, "interessiert uns nicht". Das sagten über die Jahre dann fast alle Münchner Verantwortlichen.

"Bayern München hat noch nie einen Spieler angeworben, um einen seiner Konkurrenten zu schwächen", sagte einst Karl-Heinz Rummenigge. "Der Gedanke, einen Gegner mit einem Transfer zu schwächen, kommt im Transfer-Prozess überhaupt nicht vor", so Oliver Kahn. Herbert Hainer, Hasan Salihamidzic und selbst Matthias Sammer wurden aktenkundig mit der gleichen Kernaussage.

Nur Uli Hoeneß - natürlich - gab vor Jahren mal zu: "Das haben wir früher mal gemacht, aber das kann nur ein Nebenaspekt sein." Er hat damit angefangen und ein Erbe hinterlassen. Man kann bei Karl "Calle" Del'Haye anfangen, den die Bayern 1980 von Borussia Mönchengladbach losgeeist haben, an Bruno Labbadia, Andreas Herzog, Robert Lewandowski und Co. erinnern und die Geschichte vorerst bei Dayot Upamecano und Marcel Sabitzer zu Ende erzählen.

FC Bayern: Borussia Dortmund investierte 148 Millionen mehr

Besonders geschröpft wurde die Kader-Qualität des BVB, vor allem ab Mitte der 2010er Jahre, als Mats Hummels, Mario Götze und Lewandowski sich auf den Weg nach München machten. In Dortmund war man da besonders sauer, weil ein Fundament zerstört wurde, dass es bis ins Finale der Champions League schaffte. Man kann sich nun als BVB-Verantwortlicher darüber aufregen oder man sagt sich: "Hey, das kann ich auch."

Blickt man auf die letzten zehn Jahre zurück, war es tatsächlich nicht der FC Bayern, sondern die Borussia aus Dortmund, die sich in der Liga nach Herzenslust bediente und dabei so tief in die Tasche griff wie sonst kein anderer Bundesligist. Demnach holten die Dortmunder seit der Saison 2011/12 29 Spieler aus der Bundesliga und gaben für sie 386,2 Millionen Euro aus. Der FC Bayern holte 21 Bundesliga-Spieler für "nur" 238,2 Millionen Euro. Macht einen Unterschied von satten 148 Millionen Euro.

Über die Trefferquote lässt sich herrlich diskutieren. Zwar gab es für den BVB einige Volltreffer wie Ilkay Gündogan, der 2011 für 5,5 Millionen Euro aus Nürnberg kam und sich zu einem Weltklasse-Mittelfeldspieler entwickelte. Freude hatte man auch an Marco Reus (für 17,1 Millionen Euro aus Mönchengladbach) oder etwa auch noch Sokratis Papastathopoulos (für 9,9 Millionen Euro aus Bremen), um nur einige zu nennen.

Aber Dortmund hatte nicht nur Glück. Ob die 30 Millionen Euro für Andre Schürrle eine gute Investition waren, die 22 Millionen im gleichen Transferfenster für Götze bei der Rückholaktion aus München oder das 67-Millionen-Paket bestehend aus Maximilian Philipp, Ömer Toprak, Jeremy Toljan und Abdou Diallo? Letzteren konnte man immerhin mit Gewinn verkaufen. Bei Nico Schulz, der für 25 Millionen Euro aus Hoffenheim kam, wird es genauso kein Plusgeschäft mehr wie bei Thorgan Hazard (25,5 Millionen Euro) oder Julian Brandt (25 Millionen Euro).

FC Bayern, BVB und Co.: Eine ZDF-Grafik zeigt die Ausgaben der Bundesliga-Klubs.
© ZDF
FC Bayern, BVB und Co.: Eine ZDF-Grafik zeigt die Ausgaben der Bundesliga-Klubs.

FC Bayern: Die Trefferquote ist höher als beim BVB

Die Behauptung, dass es der FC Bayern ist, der die Liga leerkauft und damit vielleicht auch keine Rücksicht auf Verluste nimmt, hat zumindest in der letzten Dekade nur bedingt eine Berechtigung. Dortmund hat in Spielzeiten, in denen man durch Verkäufe hohe Einnahmen generierte, vor allem in Neuzugänge aus der Bundesliga investiert. Das ist legitim und zeigt auch, in welchen Sphären sich die Bundesliga längst befindet.

Für die Topklubs der Liga wird es immer schwerer, gestandene Profis, die im Titelkampf und in der Champions League entscheidend weiterhelfen können, aus dem Ausland zu holen. Die Machtverhältnisse sind klar, Deutschland reiht sich längst hinter der Premier League, der Primera Division und der Serie A ein. Lässt man PSG mal weg, ist man mit der Ligue 1 vielleicht auf Augenhöhe. Nicht zufällig ist auch Frankreich ein beliebtes Transfer-Land der Bundesliga-Klubs geworden. Weil es da noch geht.

So müssen sich die Bayern, Dortmund und Co. bei der Sichtung nach potenziellen Leistungsträgern vor allem in der Bundesliga umsehen. Dass beim BVB in den letzten Jahren insgeheim ein großer Druck herrscht, den Status des Titelanwärters nicht zu verlieren oder zumindest die Einnahmen aus der Champions League nicht zu gefährden, lässt sich nicht nur mit den vielen Trainerwechseln erklären, sondern eben auch mit einer nachweislichen Kaufwut. Die dann nicht immer aufging.

Auch wenn sich über jeden Transfer einzeln diskutieren lässt, scheint es so, dass die Bayern eine höhere Trefferquote haben. Manuel Neuer (2011), Robert Lewandowski (2014), Joshua Kimmich (2015), Niklas Süle, Serge Gnabry (beide 2017) oder Leon Goretzka (2018) bildeten die Achse bei den Erfolgen der Bayern in den letzten Jahren. Zu erwähnen sind da auch Spieler wie Dante oder Mats Hummels, die sportlich einen Mehrwert darstellten.

FC Bayern und BVB: Die teuersten Transfers aus der Bundesliga

PlatzFC BayernBorussia Dortmund
1Dayot Upamecano (42,5 Mio. Euro / RB Leipzig)Mats Hummels (30,5 Mio. Euro / FC Bayern)
2Mario Götze (37 Mio. Euro / BVB)Andre Schürrle (30 Mio. Euro / Wolfsburg)
3Mats Hummels (35 Mio. Euro / BVB)Abdou Diallo (28 Mio. Euro / Mainz 05)
4Benjamin Pavard (35 Mio. Euro / VfB Stuttgart)*Thorgan Hazard (25,5 Mio. Euro / Gladbach)
5Mario Gomez (30 Mio. Euro / VfB Stuttgart)Nico Schulz (25,5 Mio. Euro / Hoffenheim)

Der VfB Stuttgart spielte in der 2. Bundesliga

FC Bayern: Nur zwei Spieler waren teure Fehlinvestitionen

Tatsächliche Fehlinvestitionen bei Transfers aus der Bundesliga lassen sich bei den Bayern in den letzten zehn Jahren fast an einer Hand abzählen. Mario Götze war mit 37 Millionen Euro ein großer und teurer Hoffnungsträger. 36 Tore und 24 Vorlagen in 114 Spielen für Bayern lesen sich ordentlich und doch hatte man sich mehr erwartet.

Bei Jan Kirchhoff, Sinan Kurt, Sebastian Rode, Fiete Arp und Alexander Nübel waren es kostengünstige Versuche, die allesamt aber keine allzu große Aussicht hatten, beim FC Bayern zur Verstärkung zu werden. Nur bei Michael Cuisance (acht Millionen Euro) und Marcel Sabitzer (15 Millionen Euro) scheint man ordentlich Geld in den Sand gesetzt zu haben, wenn auch Ex-Leipziger Sabitzer noch die Chance hat, es besser zu machen.

Der Trend wird sich, ungeachtet der Erfolge in den letzten Jahren, fortsetzen. Borussia Dortmund hat mit Nico Schlotterbeck schon den nächsten Bundesliga-Spieler aus Freiburg für 20 Millionen Euro geholt. An ihm war auch der FC Bayern interessiert. Nach Dortmund ging auch Salih Özcan vom 1. FC Köln für fünf Millionen Euro. Niklas Süle kommt ablösefrei aus München, was als Erfolg der Bundesliga verbucht wurde.

Die Münchner sollen Interesse an Konrad Laimer von RB Leipzig haben. Auch an Dortmunds Erling Haaland waren die Bayern dran, aber hatten dann auch das Nachsehen gegenüber Manchester City.

FC Bayern: Warum Thomas Müller die Strategie für richtig hält

Entwickelt sich der internationale Transfermarkt weiter in diese Richtung, dass in England, Spanien und Co. mehr Geld fließt, wird der nationale Markt für Bayern und Dortmund immer wichtiger und die Spieler aus der eigenen Liga noch interessanter. Das wird mittelfristig auch die Preise erhöhen. Schlotterbeck ist jetzt schon auf Platz 17 der teuersten Transfers innerhalb der Bundesliga.

Dass es gut investiertes Geld ist, wenn man einen Bundesliga-Spieler holt, weiß einer, der seit Jahren in der Liga kickt, mit vielen neuen Spielern als Integrator zu tun hat und daher weiß, dass die Inland-Strategie richtig ist - Thomas Müller: "Der FC Bayern hält wie jeder Verein nach Qualität Ausschau, die ins entsprechende Budget passt." Vereine, die mit dem FC Bayern konkurrieren, hätten eben gutes Personal: "Da ist es normal, sich in der gleichen Liga umzuschauen, da braucht man keine Eingewöhnungsprobleme fürchten."

Und wenn ein Verein mal nicht verkaufen will? "Es hat kein Verein Verkaufspflicht", sagte Müller und verwies im Sport-Bild-Interview, das aus dem September 2021 stammt, auf Paris Saint-Germain und Kylian Mbappe. Wie recht er doch hatte ...

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