Ex-BVB-Talent Patrick Fritsch im Interview: "Ich hatte mein Karriereende überhaupt nicht erwartet"

Patrick Fritsch gehörte zu einem der vielversprechendsten Talente beim BVB, musste 2018 mit 19 seine Karriere jedoch beenden.
© imago images
Cookie-Einstellungen

Ab wann war dann Ihr Karriereende endgültig?

Fritsch: Ich habe mich mit Mannschaftsarzt Doktor Braun getroffen, um mit ihm weitere Schritte zu besprechen - beispielsweise Cortison oder Ähnliches zu spritzen, was ich bis dato nie wollte. Das war zu der Zeit, als ich zuvor sechs Monate lang nur extrem gering belastet habe. Es hätte sich also nichts verschlimmern dürfen. Wir haben dann MRT-Bilder zur Kontrolle gemacht und leider festgestellt, dass sich die Knochenödeme sowie die Knorpel- und Meniskusschäden vergrößert haben. Danach war klar, dass ich damit auf keinen Fall mehr Fußball spielen kann.

Das war im Februar 2018. Inwiefern hat Sie diese Nachricht wie vom Blitz getroffen?

Fritsch: Ich hatte es überhaupt nicht erwartet. Stattdessen wurde noch am gleichen Tag die Berufsgenossenschaft informiert. Diese ganze Zeit war für den Kopf ohnehin fast unmöglich zu ertragen. Ich hätte nie aufgehört, wenn mir nicht jemand gesagt hätte, dass ich aufhören muss und keine andere Wahl mehr habe.

War das Ende nach dieser Odyssee für Sie nicht auch irgendwie absehbar?

Fritsch: Für alle anderen vielleicht schon, aber für mich nicht. Ich würde auch jetzt noch weitermachen, wenn es diesen Tag nicht gegeben hätte. Letztlich bin ich aber froh, dass man ehrlich zu mir war und die Reißleine gezogen hat. Hätte ich damals weitergemacht, wüsste ich nicht, ob ich heute noch normal laufen könnte.

Wie haben Sie die kommenden Wochen daraufhin verbracht?

Fritsch: Es war brutal belastend, da es ja bis zum Beginn der Ausbildung sieben Monate waren, in denen ich genug Zeit hatte, um darüber nachzudenken. Der Doc meinte, ich solle in den Urlaub fliegen, um den Kopf frei zu bekommen. Ich stand am nächsten Tag aber wieder beim Training auf der Matte, weil ich es nicht wahrhaben wollte und nicht glauben konnte, von jetzt auf gleich nicht mehr trainieren zu können. Es war gut für mich, dass ich weiter Zugang zum Trainingsgelände hatte. So gab es keinen Cut in meinem Leben, weil ich einfach weiterhin das tat, was ich das halbe Jahr zuvor auch tat.

Ex-BVB-Talent Fritsch: "Ich habe nie damit gehadert"

Das klingt irgendwie skurril, wenn man bedenkt, dass man sich fragen könnte: Wofür nur haben Sie dann noch trainiert?

Fritsch: Das kann ich gar nicht sagen. (lacht) Ich habe es gemacht, weil ich es immer gemacht habe und Spaß daran hatte. Ich wusste zwar, dass ich keinen Fußball mehr spielen konnte, aber ich wollte so wenig ändern wie möglich. So war es schlicht einfacher für mich. Erst mit dem Beginn der Ausbildung wurde mir das Karriereende so richtig bewusst, da ich dann nicht mehr die Zeit hatte, um am Trainingsgelände zu sein und die Leute dort zu sehen. Damit hatte sich mein komplettes Leben geändert.

Ein Karriereende mit nur 19 Jahren - gibt es heute Augenblicke, in denen Sie sich nur schwer mit Ihrem Schicksal abfinden können?

Fritsch: Ich habe nie damit gehadert oder gar andere dafür verantwortlich gemacht. Ich denke darüber sehr sachlich und verfalle auch nicht in Was-wäre-wenn-Szenarien. Natürlich gibt es Momente, in denen ich mich ärgere, doch am wichtigsten ist, dass ich damit nicht in eine negative Phase komme. Ich denke beispielsweise auch genauso oft daran, dass es nicht selbstverständlich war, was ich als Spieler erleben durfte.

Patrick Fritsch (M.) als B-Jugend-Meister 2015 mit dem BVB. Im Finale gelang ihm der Führungstreffer beim 4:0-Sieg über Stuttgart.
© imago images
Patrick Fritsch (M.) als B-Jugend-Meister 2015 mit dem BVB. Im Finale gelang ihm der Führungstreffer beim 4:0-Sieg über Stuttgart.

Wie empfinden Sie, wenn Sie jetzt als Teil des Trainerteams die jungen Spieler sehen, die alle demselben Traum nachjagen, den auch Sie geträumt haben?

Fritsch: Die Arbeit dort ist für sie und mich eine gute Sache, denn mein Schicksal hat ja indirekt mit ihnen zu tun, da sie dasselbe wollen wie ich es wollte. Ich sehe es als meine Hauptverantwortlichkeit an, einen emotionalen Beitrag zu leisten und den Spielern klarzumachen, dass sehr, sehr viele andere Jungs in diesem Alter sehr viel geben würden, um in ihrer Situation zu sein. Denn ich weiß eben aus eigener Erfahrung, dass man dieses Privileg in dem Moment nicht so wertschätzt, wie man es eigentlich sollte.

Herr Fritsch, mit 16 haben Sie Testspiele bei den BVB-Profis absolviert, drei Jahre später war Ihnen das Fußballspielen unmöglich geworden. Wo wollen Sie heute in drei Jahren stehen?

Fritsch: Ich werde meine Ausbildung auf jeden Fall durchziehen und möchte nebenbei meine Erfahrung im Trainerbereich vergrößern. Ich würde mir wünschen, dass ich das langfristig weiter ausbauen kann. Ich will im Fußball bleiben.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema