Ex-BVB-Talent Patrick Fritsch im Interview: "Ich hatte mein Karriereende überhaupt nicht erwartet"

Patrick Fritsch gehörte zu einem der vielversprechendsten Talente beim BVB, musste 2018 mit 19 seine Karriere jedoch beenden.
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Das muss für einen 16-Jährigen alles ziemlich aufregend gewesen sein.

Fritsch: Absolut. Marco Reus hat mir vor der Abfahrt zum Flughafen die Krawatte gebunden, da ich das zuvor noch nie in meinem Leben tun musste. Später sah ich auf Fotos, dass sie eigentlich ziemlich schief saß. (lacht) Aufgrund der Fanfreundschaft zu PAOKs großem Rivalen Aris Saloniki, die auch in schwarzgelb spielen, ging es dann mit Polizeieskorte ins Hotel. Auch das Stadion war irgendwie einmalig. Dort herrschte eine unglaubliche Stimmung, wie ich sie selten erlebt habe.

Es heißt, Tuchel sei ein großer Fan von Ihnen gewesen und traute Ihnen eine große Karriere zu. Welche Beziehung hatten Sie zu ihm?

Fritsch: Ich habe mich bei seinem Training sehr wohlgefühlt. Ich glaube, dass ich da wie auch in den Testspielen gute Leistungen gezeigt habe. Es war ein Vorteil, dass die Beziehung und Kommunikation zwischen Tuchel und Wolf sehr gut waren. Meine Perspektive war gut, ich war auch immer relativ geduldig. Es ist nun einmal so, dass auf der Innenverteidigerposition eher selten Spieler einfach mal so hineingeworfen werden.

Wie sah Tuchels Rückmeldung Ihnen gegenüber grundsätzlich aus?

Fritsch: Es war ein ständiger Austausch. Für mich war er der richtige Trainer zum richtigen Zeitpunkt und es war eine riesige Erfahrung, mit ihm zusammen zu arbeiten. Ihm ging es weniger um taktische Inhalte, sondern vor allem darum, eine Bindung zu mir aufzubauen, so dass ich mich wohlfühle. Er wollte nicht nur erklären, was ich richtig oder falsch mache, sondern positive und lehrreiche Gespräche führen, um mein Spiel zu verbessern und mich als Persönlichkeit weiter zu entwickeln. Er ist ein fußballverrückter und positiver Mensch, über den ich ausschließlich Positives sagen kann.

Noch am Ende desselben Monats jedoch rissen Sie sich im Training der deutschen U17-Nationalelf bei der WM in Chile, zu der Sie nachnominiert wurden und auf einen Einsatz kamen, das vordere Kreuzband im linken Knie. Wie ist das genau passiert?

Fritsch: Wir trainierten auf einem Platz, der qualitativ einfach nicht gut war. Er war sehr trocken, gleich mehrere Spieler sind umgeknickt. In den letzten zwei, drei Minuten vor dem Abschlussspiel bin ich dann ohne Gegnereinwirkung beim Richtungswechsel im Rasen hängen geblieben. Mir war schnell klar, dass etwas Schlimmeres passiert ist, weil der Schmerz unbekannt war. An einen Kreuzbandriss habe ich aber nicht gedacht, doch das bestätigte sich noch am selben Abend.

Ex-BVB-Talent Fritsch: "Flick hat sich um mich gekümmert"

Wie sind Sie anschließend mit dieser Hiobsbotschaft umgegangen, nachdem gerade die Vorwochen so vielversprechend für Sie liefen?

Fritsch: Ich war sehr erschrocken und meine Enttäuschung war groß. Vor allem Hansi Flick, der damals Sportdirektor beim DFB war, hat sich anschließend sehr um mich gekümmert und mir zur Seite gestanden. Ich habe auch mit Hannes Wolf telefoniert. Er und auch Lars Ricken wussten, dass mich so etwas nicht aufhalten würde. Ich bin ein Typ, der nach Rückschlägen sofort wieder nach vorne schaut und sich neue Ziele setzt. Für mich war das nur wie ein kleiner Umweg. Es hört sich komisch an, aber ich wusste, dass ich dadurch auch besser werden kann.

Inwiefern?

Fritsch: Mir war bewusst, dass ich künftig Dinge trainieren kann, für die ich in einer normalen Trainingswoche gar keine Zeit hätte. Ich habe schließlich in der Schule ein Jahr lang pausiert und meine volle Konzentration auf die Reha gelegt. Ich war schnell besessen davon zu trainieren und es hat mir auch wirklich Spaß gemacht. Acht, neun Stunden am Tag verbrachte ich am Trainingsgelände. Man lernt seinen Körper in so einer Zeit ganz anders kennen. Ich habe mich anschließend dahingehend auch in vielen Bereichen sehr verbessert.

Anschließend fielen Sie die gesamte Saison aus, trainierten aber Anfang September 2016 auch wieder bei den Profis mit. Wie haben Sie sich damals gefühlt?

Fritsch: Meine Pause dauerte verhältnismäßig lange zehn Monate, aber ich habe mir bewusst viel Zeit genommen. Zur Vorbereitung auf die neue Saison konnte ich wieder trainieren, bei einem Testspiel mit der U19 stand ich erstmals wieder auf dem Feld. Ich bin insgesamt richtig gut wieder reingekommen und es war schnell wieder alles beim Alten. Ich habe mich besser gefühlt als zuvor, auch vom Kopf her.

Doch wie im Vorjahr war es kurz darauf und noch im selben Monat, als Ihnen beim Youth-League-Spiel gegen Real Madrid erneut ohne Fremdeinwirkung das Kreuzband ein weiteres Mal riss - diesmal im rechten Knie. Wussten Sie gleich, dass es wieder etwas Schlimmes sein würde?

Fritsch: Das war mir sofort klar. Es war eine ähnliche Situation wie beim ersten Mal. Ich musste im Vollsprint abbremsen und einen Richtungswechsel machen. Ich wusste zwar, dass die Wahrscheinlichkeit nach einem Kreuzbandriss relativ hoch ist, dass man sich auch am anderen Knie verletzen kann. Doch dass ich dann so schnell wieder bei null anfangen musste, nachdem ich dermaßen viel Zeit aufgebracht hatte, war enorm schwer zu verkraften. Mir war bewusst, dass das wieder ein brutaler Weg und viel Kraft kosten würde, um das durchzustehen. Dennoch hatte ich nicht eine Sekunde den Gedanken, dass damit ein mögliches Karriereende verbunden sein könnte.

Fritsch: "Am Ende waren auch die Ärzte ratlos"

Nur zwei Wochen zuvor erlitt Ihr Mitspieler Dario Scuderi auch in der Youth League in Warschau eine fürchterliche Verletzung: doppelter Kreuzbandriss, Außenbandriss, Meniskusschaden. Nach fast zwei Jahren trainierte er schließlich wieder bei der U23 mit, musste jedoch im vergangenen Jahr ebenfalls die Karriere beenden. Wie eng ist Ihre Beziehung?

Fritsch: Dieses Schicksal hat uns zusätzlich zusammengeschweißt und es tat damals gut, sich mit ihm als sozusagen Gleichgesinnten auszutauschen. Die meiste Zeit der Reha habe ich aber mit Janni Serra verbracht, der sich zwei Monate zuvor das Kreuzband gerissen hatte. Mit ihm bin ich quasi den kompletten Weg gemeinsam gegangen. Wir haben uns aus einer beschissenen Zeit eine eigentlich ganz coole gemacht.

Rund ein halbes Jahr später mussten Sie jedoch erneut operiert werden.

Fritsch: Vom Muster her war eigentlich die erste die schlimmere Verletzung. Doch leider nahm die zweite einen sehr merkwürdigen Verlauf, da ich nie schmerzfrei geworden bin. Ich konnte nie mehr machen als joggen. Da man dachte, dafür wären Innenmeniskus und Knorpel verantwortlich, wurde das in einer zusätzlichen OP behoben. Wir haben es später auch noch mit einer Kiefer- und einer Beinachsenumstellung versucht oder auch damit, dass ich ein halbes Jahr die Belastung komplett heruntergefahren habe. Am Ende waren auch die Ärzte ein bisschen ratlos, da wir eigentlich alles versucht hatten und man nicht mehr wusste, was man noch tun könne.

Wie erging es Ihnen in dieser unklaren Zeit?

Fritsch: Ich habe nur dafür gelebt, dass ich am nächsten Tag wieder halbwegs aufrecht zum Rehatraining erscheinen konnte. Mein Tag bestand aus trainieren, sich durchquälen und nach Hause fahren, wo schon meine Freundin mit den Kühlmanschetten für die Knie parat stand, damit mir ein weiterer Tag Training ermöglicht wird.

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