Mladen Petric im großen Karriere-Interview: "Das war der Moment, an dem ich ans Aufhören dachte"

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Immerhin hatten Sie dort genügend Auswahl. Es dauerte aber bis zum 10. September 2013, ehe Sie bei West Ham United unterschrieben.

Petric: Die Transferperiode war vorbei und ich hatte schon fast abgeschlossen mit dem Fußball. Nachdem sich ein paar Klubs aus Deutschland gemeldet hatten, bekam ich auf einmal doch noch einen Anruf, da sich der damalige West-Ham-Stürmer schwer verletzte.

Bei den Hammers fielen Sie allerdings fast durchgehend aus und machten insgesamt nur vier Spiele über 109 Minuten. Wieso?

Petric: Ich erlitt leider schnell einen Muskelfaserriss in der Wade am Übergang von der Sehne zum Muskel - der dauert deutlich länger als im Oberschenkel. Da ich der einzige Stürmer war, herrschte ordentlich Druck auf dem Kessel und man versuchte, mich so schnell wie möglich fit zu bekommen. Das ging daneben, denn bei einem Abschlusstraining, das in meinen Augen viel zu früh kam, dauerte es keine 20 Minuten, bis die Wunde wieder aufriss. Der Arzt und die Physiotherapeuten hatten gesagt, es sei alles verheilt - daher blieb mir kaum eine andere Wahl. Das Ergebnis war ein Muskelbündelriss, mit dem ich für den Rest der Hinrunde ausfiel.

Nur 109 Pflichtspielminuten absolvierte Mladen Petric für West Ham United.
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Nur 109 Pflichtspielminuten absolvierte Mladen Petric für West Ham United.

Ihr Halbjahresvertrag endete im Dezember. Kurz darauf schlossen Sie sich Panathinaikos Athen in Griechenland an. Ans Aufhören verschwendeten Sie keine Gedanken mehr?

Petric: Doch, es war eigentlich dieselbe Situation wie nach Fulham: entweder in London weitermachen oder aufhören. Dann aber wurde mein ehemaliger Mitspieler Niko Kovac Trainer der kroatischen Nationalelf und die WM 2014 stand vor der Tür. 'Sieh' zu, dass du fit wirst und einen Verein findest, bei dem du spielst. Wenn du dort ein paar Tore schießt, nehme ich dich mit zur WM', sagte er. Das war daher eine neue Motivation für mich. Da meine Frau Griechin ist und sie mir schon die gesamte Karriere über im Ohr lag, dass ich einmal irgendwo spielen soll, wo das Wetter konstant gut ist, entschied ich mich für Griechenland und gegen eine Rückkehr in die Schweiz.

Sie waren insgesamt eineinhalb Jahre in England. Wie ging es denn auf der Insel als Profi zu - Stichwort Alkoholkonsum?

Petric: Da haben sich ganz viele Klischees bestätigt. (lacht) Ich weiß noch, dass wir an einem Super Sunday voller Top-Spiele - wir hatten frei - mit rund zehn Spielern in ein Pub gingen und gemeinsam Fußball schauten. Meine englischen und irischen Mitspieler stürzten dann in einem irren Tempo neun, zehn Pints. Ein Kollege konnte am Ende nicht mehr laufen. Der wurde wirklich gestützt und in ein Taxi gelegt, weil er so besoffen war. Seine Frau wurde dann informiert und die nahm ihn zu Hause in Empfang.

War der nächste Tag auch frei?

Petric: Eben nicht. Ich dachte, der wird nun ein paar Tage fehlen, doch er ist am nächsten Tag ohne Spaß marschiert, als gäbe es keinen Morgen. Er sprintete über das gesamte Feld und schmiss sich in die Zweikämpfe, ich war vollkommen fassungslos. Das Verrückte ist: In diesem Pub waren viele Fans, auch welche von Fulham. Die haben das alles hautnah miterlebt und es lautstark gefeiert, nach dem Motto: Geiler Typ! Das war das Schöne in England: Wenn du am Wochenende deine Leistung bringst, ist es den Leuten total egal, was du im Privatleben machst.

In Athen lief es wieder besser für Sie, in 79 Pflichtspielen hatten Sie 24 Torbeteiligungen und wurden 2014 griechischer Pokalsieger - Ihr erster Titel nach sieben Jahren. Doch wieso hat das mit der WM nicht funktioniert?

Petric: Ich nahm den Muskelbündelriss ja mit und erlitt nach ein paar Wochen leider einen Rückschlag im Training, wodurch sich meine Pause verlängerte. Ich habe dann noch ein paar Spiele gemacht, aber leider nicht auf dem erhofften Niveau und war auch nicht fit genug, um der Nationalelf wirklich helfen zu können.

Mladen Petric beendete 2016 bei Panathinaikos in Athen seine Karriere.
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Mladen Petric beendete 2016 bei Panathinaikos in Athen seine Karriere.

Die griechische Liga war und ist immer wieder in Manipulations- und Korruptionsskandale verwickelt, in Ihrer Zeit wurde der Betrieb wegen anhaltender Gewalt gar mehrfach unterbrochen. Wie haben Sie das wahrgenommen?

Petric: Es war in jeder Hinsicht extrem, was dort abging, aber Angst hatte ich nie. Die Derbys waren mit Abstand das Geilste, was ich je gespielt habe. Da waren 20.000 Griechen lauter als 90.000 Zuschauer im Wembleystadion, das war unglaublich. Mein erstes Derby gewannen wir bei Olympiakos. Kurz vor Schluss kam unser Kapitän zu mir, ich solle mich in den letzten ein, zwei Minuten ziemlich nah am Spielertunnel aufhalten und sofort hineinsprinten, sobald abgepfiffen wird. Ich wollte mich aber eigentlich mit meinem ehemaligen BVB-Teamkollegen Nelson Valdez unterhalten, der bei Piräus spielte. Als der Abpfiff ertönte, sind tatsächlich all meine Mitspieler wie die Irren losgerannt, weil sofort Fans auf den Platz stürmten. Wir saßen eineinhalb Stunden in der Kabine, ehe es sicher war, das Stadion zu verlassen.

Wie anders war Ihr Leben dort im Vergleich zu dem, das Sie zuvor kannten?

Petric: Die Lebensqualität war natürlich eine ganz andere, wenn du neun Monate im Jahr Sommer hast. Im Verein war es etwas schwieriger. Finanziell stark angeschlagen hatte man viele Spieler der U21 hochgeholt, was dazu führte, dass der Trainer das Gefühl hatte, er müsse etwas mehr auf die Spieler aufpassen.

In welcher Hinsicht?

Petric: Es hatte mehr mit Überwachung als mit Professionalität zu tun. Wenn wir Samstagnachmittag ein Spiel hatten und ich drei Stunden später zusammen mit meiner Frau Essen gehen wollte, musste ich ihn um Erlaubnis fragen, damit ich dort auch länger sein kann als 23 Uhr. Er wollte von allen Spielern immer genau wissen, mit wem man unterwegs ist, in welchem Restaurant und so weiter.

Nach 19 Jahren als Profi verkündeten Sie im Mai 2016 Ihr Karriereende. Was gab den Ausschlag dafür?

Petric: Der Verein wollte noch einmal verlängern, da ich aber schon ein Jahr zuvor lange überlegt hatte, ob ich weitermachen soll oder nicht, war ziemlich schnell klar, das war's. Es war dann einfach genug.

Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Laufbahn?

Petric: Eine gute Frage. Die Leute wollen oft von mir wissen, weshalb ich bei meinem Talent nie bei einem Verein gespielt habe, der konstant in der Champions League ist. Slaven Bilic hat immer zu mir wieder gesagt, ich müsste eigentlich bei Real Madrid sein. Insgesamt bin ich ziemlich zufrieden mit meiner Karriere, hätte mir aber gewünscht, bei einem Verein zu spielen, der regelmäßig in der CL vertreten ist. Leider kann man die Dinge nicht immer selbst beeinflussen.

Wie meinen Sie das?

Petric: Ich stand auch schon vor möglichen Transfers zu Juventus Turin oder Bayern München, die dann aber an Ablösesummen oder Trainerwechseln gescheitert sind.

Sie haben 2018 in Kroatien den ersten Teil der Fußballtrainer-Ausbildung abgeschlossen. Derzeit arbeiten Sie vor allem als TV-Experte. Sehen Sie sich in Zukunft in einer Funktion im Fußball?

Petric: Das ist durchaus möglich. Ich habe an der Uni in St. Gallen eine Weiterbildung im Bereich Sportmanagement abgeschlossen. Trainer möchte ich aber nicht mehr werden. Die wenige Zeit mit der Familie, die geringe durchschnittliche Verweildauer eines Trainers - und wenn ich noch sehe, wie ehemalige Mitspieler in zwei Jahren als Trainer gefühlt zehn Jahre gealtert sind, dann muss das nicht sein.

Herr Petric, das wäre es gewesen. Wir haben es tatsächlich geschafft, herzlichen Dank dafür!

Petric: Geht doch. Gut gemacht! (lacht)