Mladen Petric im großen Karriere-Interview: "Das war der Moment, an dem ich ans Aufhören dachte"

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Waren Sie rund um den Transfer nicht mächtig sauer auf den BVB?

Petric: Doch. Ich war sehr enttäuscht von den Dortmundern, weil ich mit Michael Zorc im Vorfeld genau darüber gesprochen habe und ihm sagte, es solle bloß nicht so herüberkommen, dass ich gehen wollte. 'Mach dir keine Sorgen', sagte er. Auf einmal waren auch die Fans sehr sauer auf mich. Die Sache mit dem Gehalt war großer Schwachsinn, denn wir hatten gar nicht über einen neuen Vertrag gesprochen, da ich ein Jahr zuvor für fünf Jahre unterschrieben hatte. Watzkes Klarstellung war mir deshalb sehr wichtig, doch da war das Kind leider längst in den Brunnen gefallen.

Der HSV wurde zuvor Vierter und Sie sagten, der Verein habe "höhere Ambitionen" und Sie sähen die Chance, "in der Champions League zu spielen". Sie wurden unumstrittener Leistungsträger und kamen 2009 sowie 2010 jeweils ins Halbfinale von UEFA-Cup und Europa League. Gab es damals schon Anzeichen für den Absturz, der anschließend folgte?

Petric: Sehr, sehr viele sogar. Ich kann mich an eine Situation nach meiner zweiten Saison erinnern, da saßen wir noch drei Stunden nach dem Training ungeduscht und nicht umgezogen auf dem Boden des Fitnessraums und starrten die Wand an, weil wir merkten, dass vieles schiefläuft und man dringend etwas dagegen unternehmen muss. Wir haben dann versucht, die Probleme anzusprechen, doch das fand kein Gehör. Wir Spieler waren deshalb mental ziemlich am Ende und viele von uns unzufrieden, denn wir haben gespürt, dass es mit dem Verein bergab geht.

136 Pflichtspiele absolvierte Mladen Petric für den HSV - genauso viele wie für den GC aus Zürich.
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136 Pflichtspiele absolvierte Mladen Petric für den HSV - genauso viele wie für den GC aus Zürich.

Sie kamen in Ihren vier Jahren bei den Rothosen am Ende auf ganze neun Trainer.

Petric: Dieses Kommen und Gehen, auch von Spielern, war unglaublich. Es war ein Phänomen, dass Spieler zum HSV wechselten und dann nicht annähernd die guten Leistungen brachten, die man von ihnen kannte. Ich erinnere mich an Thiago Neves, der in Brasilien das große Talent war, in Hamburg aber keinen Fuß vor den anderen brachte. Das gab es so oft - alles Anzeichen dafür, dass man sich im Verein nicht so wirklich wohlfühlt.

Hamburg ist eine Medienstadt, in der gerade rund um den HSV nie Ruhe herrscht. Wie haben Sie das wahrgenommen?

Petric: Die Journalisten standen vor dem Eingang zur Kabine und belagerten uns, das war unglaublich und erschreckend zugleich. Auch dort hätte der Verein eingreifen müssen, doch er hatte mit den Medien ein zu enges Verhältnis. Das war alles zu offen, man ließ zu viel zu. Die Journalisten hatten zu viele Möglichkeiten und waren zu nah an der Mannschaft, im Trainingslager wurden sie im Teamhotel untergebracht.

Herr Petric, wir kommen nun zur kritischen Stelle von vor elf Jahren: Damals, im Sommer 2010, standen Sie kurz vor einem Wechsel nach Stuttgart. Der HSV hatte ein halbes Jahr zuvor van Nistelrooy verpflichtet und Trainer Armin Veh setzte nicht auf Sie.

Petric: Auch hier wollte ich nicht gehen, aber ich saß in der Vorbereitung und beim Ligastart erneut oft auf der Bank. Um auch meinen Platz in der Nationalmannschaft nicht zu verlieren, musste ich etwas unternehmen. Der VfB machte mir dann ein Angebot, wir haben auch verhandelt und kamen uns näher. Der Wendepunkt zum Guten war schließlich das Derby gegen St. Pauli, als ich eingewechselt wurde und das 1:1 erzielte. Danach spielte ich nur noch von Beginn an. Ein paar Monate später sagte Veh beim Kaffee zu mir: 'Mein Gott, dich wollte ich mal verkaufen. Hätte ich gewusst, was du drauf hast, hätte ich mir das ersparen können.' (lacht)

Sie wechselten dann 2012 zum FC Fulham nach London. Warum?

Petric: Mir lag vom HSV ein Angebot zur Verlängerung vor und ich hätte eigentlich auch unterschrieben. Letztlich entschied ich mich dagegen, da man aus meiner Sicht die falschen Schlüsse aus den Fehlern der Vorjahre gezogen hat. Das ergab einfach keinen Sinn mehr für mich. Ich dachte nur noch: Ich muss hier weg. Sonst hätte ich mental wohl auch echte Probleme bekommen. Es ging mir sehr nahe, dass so viel schief lief. Ich musste daher einen Schlussstrich ziehen.

Und das, obwohl Trainer Michael Oenning Sie zum Kapitän machte.

Petric: Diese Nummer gab den finalen Ausschlag. Kapitän zu sein wäre mir eine Ehre gewesen. Sportvorstand Frank Arnesen kam dann jedoch zu mir, legte den Vertrag auf den Tisch und sagte: 'Wenn du Kapitän sein möchtest, dann musst du diesen Vertrag hier unterschreiben, sonst wird das nichts.' Ich mag es nicht, wenn man mir so kommt. Ich erfuhr zudem, dass zwei Spieler zu Arnesen gingen, um abzuwenden, dass ich Kapitän werde. Der Eine kam später zwar zu mir und entschuldigte sich dafür, doch das alles hat mir den Rest gegeben und mich in meiner Entscheidung bestärkt, den Verein zu verlassen.

Martin Jol und Mladen Petric während ihrer gemeinsamen Zeit beim HSV.
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Martin Jol und Mladen Petric während ihrer gemeinsamen Zeit beim HSV.

Wollten Sie anschließend unbedingt auf die Insel?

Petric: Nein, eigentlich gar nicht, sondern unbedingt nach Spanien. Ich hatte ein Angebot vom FC Sevilla, das war schon sehr konkret. Auch Villarreal und Valencia waren interessiert. Dann hat mich aber mein Hamburger Ex-Trainer Martin Jol mit Anrufen bombardiert, so dass selbst meine Frau irgendwann genervt war. Er hat mehrfach pro Tag angerufen und mich vollgequatscht, ich solle doch zu Fulham kommen. Ich war bald weichgeklopft und versprach, mal vorbei zu kommen. Was wir dort dann sahen, hat uns ganz gut gefallen. Auch die weiteren Gespräche mit Jol waren super. Da ich ihn kannte und er sagte, dass er auf mich setzen wird, habe ich zugesagt - und es im Nachhinein ziemlich bereut.

Sie unterschrieben aber nur für ein Jahr, nach dem nach fünf Toren in 24 Pflichtspielen auch schon wieder Schluss für Sie war. Wie kam's?

Petric: Zunächst: Jol hatte auch nur noch ein Jahr Vertrag und meinte, ich solle nur für diese Saison unterschreiben, damit wir in der Premier League für Furore sorgen und dann gemeinsam zu einem größeren Verein wechseln können. Das Jahr begann für mich überragend, ich habe in den Testspielen mehrfach getroffen und schoss in meinem ersten Ligaspiel gleich zwei Tore und bereitete eines vor. Ich war auch sofort in die Mannschaft integriert und fühlte mich sehr wohl, nirgends ging das so schnell wie dort. Der Verein wurde sehr familiär und top-organisiert geführt.

Die Wende kam für Sie, als auf einmal Dimitar Berbatov am Trainingsgelände auftauchte.

Petric: Da dachte ich erst, Jol und er kennen sich ja durch ihre gemeinsame Zeit bei Tottenham, wahrscheinlich ist er auf Besuch hier. Plötzlich kam er in die Umkleidekabine, zog sich um und ging mit auf den Trainingsplatz. Ich war baff, freute mich aber auch direkt: Berbatov und Petric - geiler Sturm! (lacht)

Jol war da anderer Meinung.

Petric: Er sagte, unsere Spielweise würde sich zu sehr ähneln und setzte mich auf die Bank. Das hat nach meinem tollen Start keiner in der Mannschaft verstanden. Ab dann wurde mein Verhältnis zu Jol von Monat zu Monat immer schlimmer und die Sache sinnlos für mich. Jol blieb im Verein, ich wollte nur noch weg.

Wieso kam Jol denn nicht auf Sie zu und erklärte Ihnen, dass ein Transfer von Berbatov bevorsteht?

Petric: Der Trainer muss sich ja nicht rechtfertigen für seine Transfers.

Für Fulham kam Mladen Petric auf 24 Pflichtspiele (fünf Tore, zwei Vorlagen) und 955 Spielminuten.
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Für Fulham kam Mladen Petric auf 24 Pflichtspiele (fünf Tore, zwei Vorlagen) und 955 Spielminuten.

Sie haben aber schon das direkte Gespräch mit ihm gesucht?

Petric: Selbstverständlich, er hatte mir ja viele Versprechungen gemacht. Das hielt ich ihm vor und war auch der Ansicht, Berbatov und ich könnten zusammenspielen, doch er sah das anders. Er verhielt sich in diesem Gespräch ziemlich kalt, so dass ich wusste, das würde kein gutes Ende nehmen. Ich fühlte mich total verarscht, war menschlich extrem enttäuscht und ärgerte mich sehr, dass er mich so getäuscht hatte. Das war der Moment, am dem ich das erste Mal ans Aufhören gedacht habe.

Inwiefern?

Petric: Ich verlor meinen Platz in der Nationalmannschaft, dann die vielen Vorfälle beim HSV, Jols Verhalten - das waren einfach zu viele Enttäuschungen in kurzer Zeit. Ich war 32 Jahre alt und hatte keine Lust mehr auf das Ganze. Meine Tochter war noch sehr klein und ging in einen englischen Kindergarten, ohne anfangs ein Wort Englisch zu sprechen. Sie kam täglich heulend nach Hause und wollte dort nicht mehr hingehen. Das war für uns alle eine wirklich harte Zeit und als sie sich gerade eingelebt hatte, kam es zum Bruch mit Jol. Wir entschieden daher, ihr zuliebe nicht wieder umziehen zu wollen und dass ich aufhöre, wenn ich keinen Verein in London finde.