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Chicago Bears: Justin Fields kritisierte seine Coaches – doch er selbst ist ein Teil des Problems

Von Niklas Staiger
Justin Fields, Chicago Bears
© getty

Justin Fields, Quarterback der Chicago Bears, hat nach der zweiten Niederlage im zweiten Saisonspiel angedeutet, "es könnte am Coaching liegen", dass seine Leistungen nicht gut seien. Damit hat er nicht Unrecht, doch Fields selbst ist ebenfalls ein großer Teil des Problems.

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"Ich hatte das Gefühl, dass ich nicht unbedingt mein Spiel spielte. Dass ich roboterhaft war und nicht wie ich selbst gespielt habe", analysierte der Bears-QB in der Woche nach der 17:27-Pleite gegen die Tampa Bay Buccaneers bei einer Pressekonferenz. Wenn er dann auf dem Feld stehe, könne er sich weniger darauf konzentrieren, zu spielen, sondern denke zu viel nach. Auf die Frage, woran das liege, mutmaßte Fields: "Ich denke, es könnte am Coaching liegen."

Solche Aussagen hören Coaches selten gerne und Fields ist mittlerweile zurückgerudert. "Wenn ihr mein Zitat aus dem Kontext nehmt, stellt es ein anderes Bild dar", erklärte er später, "ich schiebe nichts auf die Trainer. Ich würde nie etwas auf die Trainer schieben. Ich schiebe auch nichts auf meine Mitspieler. Egal was im Spiel passiert, ich nehme es auf mich. Ein fallengelassener Ball - vielleicht hätte es ein besserer Pass sein müssen, ich nehme das auf mich. Ich muss besser spielen, das ist es."

Zwei sehr verschiedene Aussagen. Man muss Fields zugutehalten, dass er sehr konkret erklärte, wieso das Coaching ihn behindern könnte: "Am Ende des Tages machen sie ihren Job, wenn sie mir sagen, worauf ich achten soll. Aber ich kann an all das nicht denken, wenn das Spiel kommt. Ich bereite mich die ganze Woche vor, aber wenn das Spiel kommt, ist es Zeit, frei zu sein. Mehr zu spielen und weniger zu denken." Die große Frage ist, inwiefern anderes Coaching ihm helfen könnte, sein Spiel zu verbessern.

OC Luke Getsy ist Aaron Rodgers gewohnt - kann Fields das leisten?

Ohne in den Meetings der Bears dabei zu sein, ist es schwer, zu analysieren, ob die Kommentare von Justin Fields der Wahrheit entsprechen. Doch klar ist: Der Offensive Coordinator der Chicago Bears, Luke Getsy, kam 2022 von den Green Bay Packers zum Divisionsrivalen. Bei den Packers arbeitete er mit Aaron Rodgers zusammen, einem Football-Mastermind. Manchmal analysiert Rodgers auf dem Feld das Spiel der Gegner und denkt sich im Huddle Spielzüge für seine Teamkollegen aus, die sie spielen sollen.

Rodgers spielt, vor allem mental, auf einem Level, dem kaum ein anderer Quarterback gerecht werden kann. Da ist es zumindest nicht abwegig, dass Getsy nach sieben Saisons mit Rodgers gehobene Ansprüche an die Fähigkeiten seines Quarterbacks hat. Ansprüche, denen ein junger Justin Fields mit zwei Jahren NFL-Erfahrung nicht gerecht werden kann.

Doch Justin Fields wurde im Pre-Draft-Prozess immer wieder für seine überragenden mentalen Fähigkeiten gelobt. Laut NFL-Journalist Albert Breer hat Fields beim "S2 Cognition"-Test, einem Test zur Messung der Informationsverarbeitung im Gehirn, einen sehr guten Wert erreicht. Ein General Manager eines NFL-Teams habe ihm im Pre-Draft-Prozess mitgeteilt, der Wert sei sogar "extrem hoch" gewesen. Auch bei Tests zur mentalen Eignung für die NFL soll Fields laut Ex-NFL-Quarterback Mark Sanchez im besten Prozent aller getesteten Sportler gelandet sein - weit über Patrick Mahomes oder Josh Allen.

Auch Ex-Bears-Head-Coach Matt Nagy lobte nach dem Draft vor allem das Spielverständnis und die Auffassungsgabe von Fields. Er habe beim Telefonat in der Draftnacht einen Spielzug, den sie bei ihren Pre-Draft-Gesprächen analysiert hatten, noch perfekt im Gedächtnis gehabt. Möglicherweise überschätzen diverse Tests und bisherige Evaluationen aber Fields' Fähigkeiten, denn auf dem Feld ist davon nichts zu sehen.

Justin Fields: "Ich muss einfach besser spielen, ganz klar."

Bereits vor dem Draft hatte es einen Grund, warum so häufig über die mentalen Fähigkeiten von Fields und seine Football-Intelligenz gesprochen wurde. Viele Experten kritisierten 2021, wie Fields das Feld liest und sich auf die Defenses der Gegner einstellt. Kritik, die bis heute nicht verstummt ist - und auch in den vergangenen zwei Spielen immer wieder Thema war. Auch der neue Head Coach Matt Eberflus ließ zuletzt aufhorchen. Er erklärte, dass "die Abstände unserer Receiver" Fields' Lesen des Feldes aus dem Rhythmus gebracht hätten und er deshalb einen freien Receiver nicht angeworfen hatte. Stattdessen wurde Fields von zwei Bucs-Verteidigern gesackt. Doch sein Receiver war eigentlich weit offen, Fields hätte einfach zum Touchdown werfen können. Ein Spielzug, über den sich in den sozialen Medien vermehrt lustig gemacht wurde, besonders in Bezug auf seine Aussagen zum Coaching.

Zur Wahrheit gehört bei Fields nämlich, dass er regelmäßig weit offene Receiver einfach nicht sieht. Sehr häufig nimmt Fields Quarterback-Sacks in Kauf, obwohl seine Offensive Line ihm lange Zeit verschafft hat, um den Ball loszuwerden. Laut ESPN hatte er bei neun seiner zehn Sacks in dieser Saison über vier Sekunden Zeit. Seit er 2021 in die Liga gekommen ist, waren es sogar 79 dieser Sacks - 16 Mehr als jeder andere Quarterback in der NFL. Im Durchschnitt brauche Fields etwa 2,98 Sekunden, um den Ball zu werfen - die fünfthöchste Zeit der Starting-Quarterbacks. Ein Problem, das auch von den Bears schon öffentlich angesprochen wurde. "Diese Sack-Zahlen müssen runtergehen", erklärte etwa General Manager Ryan Poles vor der Saison.

Auch Justin Fields nahm sich dieser Probleme an. Im Rahmen seiner Klarstellung zu seinen Aussagen erklärte er: "Ich muss besser spielen, ganz klar." Eine Aussage, die absolut der Wahrheit entspricht - und sich nicht nur auf seine Reads bezieht. Der ehemalige NFL-Quarterback J. T. O'Sullivan analysiert etwa in seiner "QB School" auf YouTube, dass Fields' Fußarbeit problematisch sei. "Das ist besonders frustrierend, weil das etwas ist, das er ganz alleine kontrollieren kann", erklärt Sullivan. Oft bleibt Fields bei den Plays durch seine schwache Fußarbeit nicht im Rhythmus. Bei einem 3-Step-Drop sollte der Quarterback eigentlich drei rhythmische Schritte nach hinten machen, den Fuß in den Boden setzen und werfen. Doch Fields setzt seine Schritte unsauber, kann nicht zum richtigen Zeitpunkt werfen und es kommt zu Situationen, wie zu Beginn des zweiten Viertels gegen die Buccaneers, als Fields eine freie Pocket hat, Receiver D.J. Moore zentral komplett frei ist und mit einem Händeklatschen anzeigt, dass er frei ist - aber Fields einfach nicht wirft.

Ist Fields' Kritik am Coaching berechtigt?

Doch ist Justin Fields das alleine Problem oder ist er mehr ein Teil des großen Ganzen? Er selbst sagt: "Ich habe zu viele Informationen und Statistiken in meinem Kopf. Ich bin am besten, wenn ich frei spielen und ich selbst sein kann." Und damit hatte Fields Recht, wenn man es auf die Vergangenheit bezieht. Vor allem in der abgelaufenen Saison konnte Fields immer wieder aus seinen Spielzügen ausbrechen und selbst Yards erlaufen, wenn er bemerkte, dass er keinen freien Receiver findet. Insgesamt lief er für 1.143 Yards in der Saison 2022 - fast so viele wie bei Lamar Jacksons Rekord für Quarterbacks von 1.206 Yards in 2019.

Doch Teams nehmen ihm diese Möglichkeit weg. Etwa die Green Bay Packers, die immer wieder enorme Probleme mit dem gegnerischen Laufspiel haben und vor allem für Quarterback-Runs anfällig sind, hielten ihn weitestgehend im Zaum, indem sie immer wieder Spieler darauf abstellten, ihn im Auge zu behalten. Weil es absehbar ist, was Fields macht.

Fields muss in der Pocket ein besserer Passing-Quarterback werden, um nicht zu eindimensional zu spielen. Lamar Jackson stand vor ähnlichen Vorwürfen, hat sich aber im Passspiel immer weiter entwickelt und nutzt seine Läufe mittlerweile als ergänzende Waffe und nicht mehr als Hauptbestandteil seines Spiels. Bei Fields ist diese Entwicklung noch nicht zu sehen. Die Coaches versuchen, ihn in dieser Rolle weiterzuentwickeln, um sein volles Potenzial zu entfalten.

Doch das Coaching darf trotzdem nicht aus der Gesamtverantwortung genommen werden. Denn Fields wird auch in vielen Spielsituationen alleine gelassen oder schlecht beraten. "Jeder wusste, was kommen wird", sagte etwa Bucs-Linebacker Lavonte David nach dem Spiel über den Pick Six von Barrett im letzten Viertel des Spiels. Nach einem Screen-Spielzug auf Running Back Khalil Herbert, der wegen einer Strafe zurückgenommen wurde, entschied sich OC Luke Getsy dafür, den identischen Spielzug ein zweites Mal anzusagen. Barrett roch den Pass auf Herbert, fing ihn ab und trug ihn in die Endzone.

Es ist nicht das erste Mal, dass neben Fields auch das Coaching der Bears versagt. Will man erfolgreich sein, könnte man zudem mit mehr designten Quarterback-Läufen arbeiten, die es in den ersten zwei Spielen ebenfalls deutlich weniger gab, als noch im letzten Jahr. Dazu sollten sich die Bears darum bemühen, mehr Ruhe in die Organisation zu bringen. Dass die Bears etwa am Mittwoch, den 20. September, Backup-QB Nathan Peterman entließen, um ihn nur einen Tag später wieder unter Vertrag zu nehmen, sorgt nicht gerade für Ruhe in und um die Organisation. Der Rücktritt von Defensive Coordinator Alan Williams und die Berichterstattung darum tun derzeit ihr Übriges.

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