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Kommentar zur Watson-Sperre: Endgültig nur noch Verlierer

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© getty

Die Einigung zwischen der NFL und Deshaun Watson respektive der NFLPA auf eine 11-Spiele-Sperre sowie einer Strafe in Höhe von fünf Millionen Dollar ist ein unwürdiges und gleichsam passendes Ende für eine der hässlichsten Situationen der jüngeren Liga-Geschichte. Die NFL hat die Chance verstreichen lassen, ein Zeichen zu setzen - und die unmittelbaren Reaktionen aus Cleveland unterstreichen, dass das ein Fehler war. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Adrian Franke.

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Als die NFL ihren Einspruch gegen die in erster Instanz verhängte 6-Spiele-Sperre gegen Deshaun Watson ankündigte, erschien das wie ein logischer Schritt. Nicht nur, weil dieses Mittel der Liga laut Tarifvertrag zusteht, sondern auch, weil Richterin Sue Robinson der Liga in allen Anklagepunkten Recht gegeben hatte.

In ihrer Untersuchung kam Robinson zu dem Schluss, dass Watson sexuell übergriffig geworden ist, dass sein Verhalten eine Gefahr für die Sicherheit und das Wohlbefinden anderer Menschen dargestellt hat und dass Watsons Verhalten die Integrität der NFL untergraben hat.

Das waren die drei Verletzungen gegen die Conduct-Policy, welche die Liga Watson vorgeworfen hat, und in allen drei Fällen sah Robinson genügend Nachweise erbracht, um der Liga zuzustimmen.

Robinsons - von außen betrachtet - mildes Urteil war in sich juristisch gesprochen nachvollziehbar. Sie argumentierte in erster Linie mit Präzedenzfällen, und gemessen daran sah sie eine Sperre über sechs Spiele als "gravierendste Strafe bislang gegen einen Spieler, dem nicht-gewalttätige sexuelle Übergriffe vorgeworfen werden".

Das Argument der NFL für den Einspruch war simpel und erschien, auch hier, logisch. Watsons Vergehen übertreffen jeden bisherigen Präzedenzfall und sollten dementsprechend auch nicht daran gemessen werden. Commissioner Roger Goodell erklärte, dass die Beweislage eine Sperre über ein Jahr verlangt und stützte sich auf Robinsons Argumentation.

Die NFL hätte ein Zeichen setzen können

Die weiteren Schritte lagen auf der Hand. Ein von Goodell eingesetzter Vertreter würde den Einspruch anhören und dann eine Entscheidung treffen. Und dann hätte die NFLPA den Fall vermutlich vor Gericht gebracht, mit naturgemäß offenem Ausgang, gleichzeitig aber wäre es schwer gewesen, der NFL das im CBA vereinbarte Verfahren des Einspruchs streitig zu machen.

Vor allem aber: Die NFL hätte das gemacht, was sie sich so gerne auf die Fahne schreibt, gerade auch in diesem Prozess - sich einzusetzen für die Opfer, ein Zeichen zu setzen.

Stattdessen fühlt sich die Einigung bestenfalls halbgar an. Ja, die Sperre wurde verlängert und eine Geldstrafe hinzugefügt und ja, Watson wird sich in Behandlung begeben müssen, auch das ist Teil der Einigung.

Aber - für was genau lässt er sich denn behandeln? Verstößt er gegen diese Auflagen und befolgt den Behandlungsplan nicht, könnte seine Sperre verlängert werden; aber wie soll das aussehen, mit einem Spieler, dessen Aussagen am Donnerstag unmissverständlich das Profil eines Menschen zeigen, der sich weiterhin als unschuldig präsentiert?

Deshaun Watson zeigt keinerlei Reue

Das ist es auch, was diese jetzt finale Entscheidung so schwer verdaubar macht. Einerseits, dass die NFL es verpasst hat, hier ein Zeichen zu setzen, nachdem sie selbst (!) klargemacht hat, dass Watsons Vergehen eine längere Suspendierung nach sich ziehen müssen. Andererseits aber auch Watsons Reaktion und die Reaktion der Browns, die glasklar nur eine Sache zum Ausdruck bringen: Jetzt können wir das Thema aber auch abhaken, oder?

Oder, um es direkt als Zitat von Teambesitzer Jimmy Haslam zu nehmen: "Soll er nie wieder spielen dürfen? Soll er nie wieder Teil der Gesellschaft sein? Ich denke, es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass Deshaun 26 Jahre alt ist, okay, und er ist ein High-Level-NFL-Quarterback und wir planen, dass er sehr lange unser Quarterback sein wird."

Und dann ist da Watson, der über Monate hinweg nach außen den Standpunkt vertreten hat, dass ihn keine Schuld treffen würde und dass er nichts falsch gemacht habe. Dass er "nichts bereue". Diese Einstellung änderte sich dramatisch, als die NFL gegen die 6-Spiele-Sperre vorging und ein wenig Einsicht vonseiten Watsons, nachdem Robinson genau das bereits negativ hervorgehoben hatte, nützlich schien.

"Ich möchte sagen, dass es mir für all die Frauen wirklich leidtut, die ich in dieser Situation beeinträchtigt habe", erklärte Watson in einem Team-intern aufgenommenen Interview - sofern man das so nennen möchte - welches vor dem ersten Preseason-Spiel der Browns ausgestrahlt wurde. Und weiter: "Die Entscheidungen, die ich getroffen habe, die mich in diese Position gebracht haben, würde ich definitiv gerne rückgängig machen."

Diese dargestellte Demut brauchte es nach der Einigung nicht mehr. "Ich konnte mich immer auf meine Unschuld berufen und habe immer gesagt, dass ich niemals übergriffig geworden bin oder jemanden respektlos behandelt habe", erklärte Watson am Donnerstag. Ein weiterer Schlag ins Gesicht der von der NFL als solche erkannten und formulierten Opfer.

Und dann schob er, ganz im Stile Haslams, hinterher: "Aber gleichzeitig muss ich nach vorne schauen, was mein Leben und meine Karriere angeht."

Jetzt können wir das Thema auch abhaken, oder?

Eine "zweite Chance" sollte nicht ohne Bedingungen sein

Haslam sprach am Donnerstag auch darüber, dass Leute zweite Chancen verdient haben, ein durchaus legitimes Argument. Aber Watson hat nicht einfach eine zweite Chance bekommen, er hat den teuersten NFL-Vertrag der Geschichte bekommen. Und er zeigt keinerlei Reue, wie auch die Browns keine Reue zeugen. Haslam betonte am Donnerstag, dass er den Trade für Watson "absolut" wieder machen würde, auch mit allem, was seither noch ans Tageslicht befördert wurde.

Watsons Erklärung dafür, warum er sich nur wenige Tage vorher entschuldigt hatte, passte wenig überraschend ins Bild. Er habe sich entschuldigt "für jeden, der durch diese Situation beeinträchtigt wurde. Viele Leute wurden getriggert."

Diese Aussagen kamen wenige Minuten, nachdem die Browns im Namen Watsons ein Statement veröffentlicht hatten, in welchem Watson wörtlich zitiert wird mit: "Ich übernehme die Verantwortung für meine Entscheidungen."

Nur kann ihm exakt das an diesem Punkt kein Mensch mehr glauben, genau wie es schon im März nach dem Trade schwierig war, seiner Darstellung Glauben zu schenken. Watsons "Reue", wenn man es überhaupt so nennen will, sind bestenfalls leere Hülsen, und in negativerer Interpretation ein eiskalter Versuch, seine Strafe zu mildern.

Eine "zweite Chance", wie Haslam sie gefordert hat, würde aber Einsicht verlangen - die Aussagen vom Donnerstag machten nochmals überdeutlich, dass es die nicht geben wird.

Und sie würde eine angemessene Strafe verlangen. Das Einlenken der NFL hat garantiert, dass es auch die nicht geben wird.

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