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Fünf Fragen zum Trade von Deshaun Watson: Mehr als ein sportliches Thema

Deshaun Watson verlässt die Houston Texans via Trade.
© getty
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2. Dieser Trade ist mehr als eine sportliche Frage

Ja, im Endeffekt sprechen wir hier über sportliche Themen. Wir sprechen über Football-Spiele, wir sprechen über Siege, Niederlagen, Stars und Enttäuschungen, und es kann verführerisch sein, gelegentlich einfach die Scheuklappen aufzuziehen und sich auch nur darauf zu fokussieren. Die Welt ist viel simpler so.

Diese Situation ist anders. Man muss sich nur die Reaktionen in Fan-Kreisen der interessierten Teams, in den Fan-Podcasts, den Foren, den sozialen Medien anschauen.

Und natürlich ist auch das nie repräsentativ. Aber wie häufig kommt es vor, dass das eigene Team einen - sportlich gesprochen - Superstar-Quarterback verpflichten kann, und nicht gerade wenige Fans dagegen protestieren?

Anklage wegen Belästigung: Unschuldsvermutung bei Watson fällt schwer

Diese Situation ist anders, weil es schwer fällt, bei Watson eine Unschuld zu vermuten.

Selbst wenn man Zweifel bezüglich der Aussagen der Frauen hätte. Selbst wenn man drastische Maßstäbe anwenden würde, dahingehend, wie vielen Frauen man in so einem Fall glaubt, und selbst das für sich betrachtet ist schon dünnes Eis und mit sehr viel Vorsicht zu betrachten: Bei über 20 nach wie vor laufenden Zivilklagen - 22, um genau zu sein - kann man nicht nur nicht Watsons Unschuld annehmen; man muss vielmehr davon ausgehen, dass er in mehreren dieser Fälle sexuell übergriffig geworden ist.

Diese Situation ist anders, weil Watson unter dieser Prämisse vorsätzlich handelte - selbst wenn man nur der Hälfte oder sogar noch weniger der 22 Frauen glauben würde. Er hätte dann nicht aus dem Affekt heraus etwas getan - nicht, dass solche Vergehen hier schöngeredet werden sollten -, sondern verschiedene Massage-Therapeutinnen bewusst ausgenutzt.

Watson hatte sich eine große Gruppe an Massage-Therapeutinnen aufgebaut - über 50 sollen es gewesen sein -, einige davon via Instagram kontaktiert. Das ist absolut nicht normal, auch nicht in der NFL.

Selbst wenn man mit einer gehörigen Portion Skepsis an den Fall herangeht, ist es schwer, nicht zu der Schlussfolgerung zu kommen, dass hier jemand sehr gezielt gehandelt hat und gezielt Frauen sexuell belästigt hat. Alles andere - also zu sagen, dass er ja nicht gerichtlich verurteilt ist - wären nämlich auch Scheuklappen, wenn auch anderer Art.

Und an diesem Punkt ist es gut, einmal kurz inne zu halten.

Das ist der Mensch, den gerade mehrere Teams mit vollem Einsatz umworben haben? Jemand, der mutmaßlich ein derart alarmierendes Verhalten an den Tag legt? Das ist der Quarterback, den mehrere Teambesitzer inmitten all dieser Verfahren zum Gesicht ihrer Franchise machen wollen? Das ist der Superstar, den sie für die nächsten zehn Jahre an die Spitze ihrer Franchise und ihres Locker Rooms setzen wollen?

Auch die anderen Teams müssen sich hinterfragen

Und diese Fragen betreffen im Übrigen nicht nur die Browns als das Team, welches das Rennen gemacht hat. Dass die Saints, die Panthers und die Falcons bereit waren, sich auf das Rennen und auf Watson einzulassen, sollte auch hier zu Nachfragen führen.

Ja, es ist schwer, diese Dinge im Nachhinein wirklich zu beweisen. Deshalb entschied die Grand Jury am vergangenen Freitag auch, dass der Fall nicht strafrechtlich verfolgt wird. Das bedeutet nicht, dass sie Watson für unschuldig hält, sondern lediglich, dass nicht ausreichend Beweismaterial vorliegt, um einen Prozess in die Wege zu leiten.

Heißt das, Watson sollte für unschuldig gehalten werden? "Im Zweifel für den Angeklagten"? Aus juristischer Perspektive: ja. Aber, und hier schließt sich der Bogen zum Einstieg: NFL-Teams sind keine juristische Organisation, die Mitarbeiter einer NFL-Franchise keine Anwälte und die Fans eines NFL-Teams sind nicht neutral. Sie identifizieren sich mit der Franchise, sie sind emotional investiert. Und sie können sich eine Meinung bilden, die nachvollziehbar ist, und die nicht juristisch wasserdicht sein muss.

Watson: Viel Kommunikationsarbeit jetzt nötig

Jeder kann an der Stelle schlicht und ergreifend den Frauen in seinem Leben den Sachverhalt schildern und fragen, wie problematisch es ist, wenn an dieser Stelle den Frauen kategorisch nicht geglaubt wird, sofern es keine klaren Beweise gibt.

Wie wollen Teambesitzer diese Verpflichtung ihren weiblichen Angestellten verkaufen? Wie ihren Massage-Therapeutinnen? Wie soll das generell in der Öffentlichkeit erklärt werden? Welche Schritte leitet Watson selbst ein, um seinen Ruf zu ändern?

Wenn sein bisheriges Auftreten nach der Entscheidung der Grand Jury ein Hinweis ist, wird er weiterhin seine Unschuld beteuern, und versuchen, das vergangene Jahr hinter sich zu lassen. Wird das Team, wird das Front Office das mittragen? Gehen die Scheuklappen hoch, in der Hoffnung, dass sich die Wogen nach den ersten Siegen glätten?

Es bleibt abzuwarten, ob die Fans das zulassen. Und aus Browns-Perspektive bleibt zu hoffen, dass ein detaillierter Plan ausgearbeitet wurde, um in der Kommunikation nach außen, aber auch in der Aufarbeitung und nachhaltigen Behandlung des Themas nach innen bestehen zu können.