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Taktik-Analyse zum Super Bowl: Die Offense der Chiefs - was macht Mahomes und Co. so stark?

SPOX blickt vor dem Super Bowl auf die Offense der Kansas City Chiefs.
© getty

Es ist soweit: Super Bowl LV steht vor der Tür! Tom Brady und die Tampa Bay Buccaneers empfangen im ersten "Heim-Super-Bowl" aller Zeiten Patrick Mahomes und die Kansas City Chiefs. Können die Buccaneers die Chiefs-Offense vor Probleme stellen? Welche Wege gibt es überhaupt gegen diese Offense? Und was macht die Chiefs-Offense eigentlich aus? SPOX-Redakteur Adrian Franke bereitet Euch mit der Taktik-Analyse zu Kansas City vor.

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"Jedes Down ist ein Wurf-Down. Ich wurde auf diese Art und Weise von LaVell Edwards ausgebildet; dass man den Ball immer werfen kann, jederzeit, überall auf dem Feld. Und ich habe versucht, das über die Jahre beizubehalten."

Diese Aussage von Chiefs-Coach Andy Reid, insbesondere der erste Satz, machte nach dem Playoff-Sieg über die Cleveland Browns die Runden. Kansas City hatte gerade auf hochdramatische Art und Weise die Browns ausgeschaltet, Reid spielte Vierter-und-Eins kurz vor der Mittellinie nicht nur aus - er warf den Ball. Mit dem Backup.

Superstar-Quarterback Patrick Mahomes war zu diesem Zeitpunkt bereits seit einer ganzen Weile mit Verdacht auf eine Gehirnerschütterung in der Kabine, Chad Henne hatte übernommen. Und durfte dann den spielentscheidenden Pass werfen. Tyreek Hill fing den Ball zum First Down und die Chiefs konnten die Uhr runterlaufen lassen. Game Over.

Die Szene war eine Art Versinnbildlichung für all das, wofür Andy Reid sportlich steht. Keine Angst davor, vierte Versuche auszuspielen. Der eigenen Offense vertrauen. Den Ball werfen, auch und gerade wenn kaum ein anderes Team in der gleichen Situation einen Pass riskieren würde.

Und die Chiefs-Offense bietet sich dafür auch glänzend an.

Mit Patrick Mahomes haben sie den gefährlichsten Quarterback der Liga, Travis Kelce legt als Tight End Wide-Receiver-Stats auf und Tyreek Hill ist nicht nur einer der explosivsten Big-Play-Receiver der NFL, sondern auch brandgefährlich aus dem Slot. Mehr als die Hälfte seiner Snaps verbringt er hier, in der Regular Season fing nur Pittsburghs JuJu Smith-Schuster unter Wide Receivern mehr Touchdowns aus dem Slot (9) als Hill (7).

Was zeichnet die Chiefs-Offense sonst aus? Auf was gilt es, im Super Bowl zu achten? Und welche Antworten könnten Todd Bowles und die Buccaneers-Defense womöglich finden?

Super Bowl: Die Chiefs-Offense - die Basics

  • In puncto Personnel Groupings hat sich bei den Chiefs über die letzten Jahre wenig geändert. Kansas City spielt ligaweit mit am meisten 11-Personnel (ein Running Back, ein Tight End, drei Wide Receiver), 73 Prozent der eigenen Offense-Snaps erfolgen hieraus. Der Liga-Schnitt für 11-Personnel liegt bei 60 Prozent, nur die Bengals und Steelers hatten gemäß Sharp Football Stats eine noch höhere 11-Personnel-Quote als KC.
  • Die Alternative bleibt 12-Personnel, also zwei Tight Ends und dafür nur zwei Wide Receiver. 18 Prozent der Chiefs-Offense-Snaps werden daraus gespielt, das liegt knapp unter dem Liga-Durchschnitt (20 Prozent). Auffällig ist, wie häufig KC hieraus vertikal geht: Aus 12-Personnel werfen die Chiefs den Ball durchschnittlich pro Passversuch 10,3 Air Yards tief und liegen damit zwei volle Yards über dem Liga-Schnitt aus 12-Personnel. Auf die tiefen Shots - gerade auch aus Play Action - kann man also in jedem Fall achten, wenn Kansas City mit dem zweiten Tight End aufs Feld kommt.
  • Stichwort Play Action: Die ist - genau wie Run Pass Options - zentraler Bestandteil der Chiefs-Offense. Rund 31 Prozent von Mahomes' Pässen erfolgen laut Pro Football Focus via Play Action, wo er den Ball für 8,9 Yards pro Pass wirft, der zehnthöchste Wert. Bei Play Action hat Mahomes in dieser Saison zwölf Touchdowns und nur eine Interception geworfen, dazu kommen 756 Passing-Yards per RPO. Hier hat nur Arizonas Kyler Murray (1.107) noch mehr.
  • In der Red Zone werden die Chiefs ganz besonders kreativ - auch aus der Not heraus. Kansas City hatte in diesem Bereich des Feldes im Laufe der Saison immer wieder seine Probleme, 61 Prozent der Red-Zone-Trips endeten in einem Touchdown. Das bedeutet oberes Mittelmaß und rangiert hinter Teams wie Arizona (65 Prozent), Detroit (66 Prozent), Minnesota (71 Prozent) oder Cleveland (73 Prozent). In der Folge wurden die Chiefs hier immer kreativer und bauten auch Mahomes als Runner über Zone Reads und Option Plays stärker ein.
  • Durch die Luft ist Travis Kelce in diesem Bereich des Feldes die klare Nummer-1-Waffe (28 Targets), gefolgt von Hill (19). Generell gingen 29 der 44 Chiefs-Touchdown-Pässe dieser Saison auf Kelce (14) oder Hill (15).
  • Die Chiefs haben den Ball in dieser Saison in der Red Zone häufiger geworfen als dass sie gelaufen sind, das ist selbst für die Pass-lastigen Chiefs eine Umstellung im Vergleich zur Vorsaison. In neutralen Spielsituationen (First und Second Down, Siegwahrscheinlichkeit zwischen 20 und 80 Prozent, die letzten zwei Minuten der Halbzeit ausgeklammert) waren dieses Jahr nur die Bills Pass-lastiger als Kansas City. Die Chiefs werfen den Ball in diesen Situationen in 63 Prozent der Fälle.
  • Im Allgemeinen verbindet man mit der Chiefs-Offense die tiefen Pässe und die Big Plays. Aber bei den "Intended Average Air Yards", also wie tief der Ball im Schnitt geworfen wird, rangiert Mahomes (8,5 IAY) eher im oberen Liga-Mittelfeld und damit im Dunstkreis von Derek Carr, Gardner Minshew (beide je 8,2 IAY) und etwa hinter Joe Burrow (8,7). Auch wirft er nur 12,4 Prozent seiner Pässe tief, das ist tiefer NFL-Durchschnitt 2020.
  • Bei Kansas City findet nämlich viel der offensiven Produktion auch nach dem Catch statt: 5,8 Yards after Catch pro Completion stehen in diesem Jahr laut Pro Football Reference auf Mahomes' Konto, unter den Startern sind nur noch Aaron Rodgers (6,1) und Philip Rivers (6,0) darüber.
  • Doch wenn Mahomes den Ball dann tief wirft, ist das Ergebnis häufig spektakulär: Kein Quarterback hat in der gerade beendeten Regular Season mehr Touchdowns bei tiefen Pässen (mindestens 20 Air Yards) geworfen als Mahomes (13), der gleichzeitig nur zwei Interceptions bei tiefen Pässen warf. In puncto Deep Passing Yards dagegen rangiert er nur auf Platz 12, hinter unter anderem Teddy Bridgewater.

Kansas Citys Offense ist in allererster Linie deshalb so schwer zu verteidigen, weil eine enorm hohe individuelle Qualität mit Play-Designs kombiniert wird, welches diese Qualitäten noch weiter bestärkt. Insbesondere Hill und Kelce arbeiten stark im Verbund, was Route-Designs angeht.

Das kann eine tiefe Over-Route von Hill mit Kelce Underneath sein, um die Verteidiger in der Mitte des Feldes in Konflikt zu bringen. Die Chiefs nutzen auch extrem viel At-Snap-Motion (ein Spieler befindet sich im Moment des Snaps in Bewegung), Hill füllt diese Rolle häufig aus. Das zieht die Augen der Verteidiger ins Backfield.

Die Chiefs kreieren Matchups für ihre Superstars, und diese Superstars holen dann aus diesen Matchups das Maximum heraus - mit Mahomes, der all das nochmal auf ein anderes Level hebt und selbst Offense kreieren kann.

Um diese Matchups aufzudröseln und zu verstehen, wie Kansas City Defenses strukturell vor Probleme stellt, bietet sich zuerst der Blick auf Travis Kelce ganz besonders an.