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Taktik-Analyse zum Super Bowl: Die Offense der Chiefs - was macht Mahomes und Co. so stark?

SPOX blickt vor dem Super Bowl auf die Offense der Kansas City Chiefs.
© getty
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Die Chiefs-Offense: Der einzigartige Travis Kelce

Patrick Mahomes ist natürlich der wichtigste Spieler in Kansas City. Doch müsste man einen "Motor" der Offense außerhalb von Mahomes beschreiben, die Wahl würde für die allermeisten wohl auf Travis Kelce fallen.

Man könnte das anhand ganz simpler Total Stats untermauern. Travis Kelce hatte in der Regular Season 139 Targets, nur Stefon Diggs, DeAndre Hopkins, Allen Robinson, Davante Adams und Darren Waller lagen in dieser Kategorie vor ihm. Seine 105 Catches wurden nur von Diggs, Adams, Hopkins und Waller noch übertrumpft, und mit 1.416 Receiving-Yards belegte er Platz 2 lediglich hinter Diggs.

Kurzum: Kelce stellt die allermeisten Wide Receiver in der NFL in den Schatten. Und das wird auch mit der Art und Weise unterstrichen, wie die Chiefs ihn aufstellen:

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Statistiken von Pro Football Focus

Um das einzuordnen: Niners-Tight-End George Kittle verbrachte in der gesamten Saison 2019 lediglich 91 (!) Snaps Outside, sowie 131 im Slot. Er stand 728 Mal In-Line, also direkt an der Offensive Line postiert.

Auch der Vergleich mit Darren Waller, dem äußerst athletischen Raiders-Tight-End, der intensiv ins Passspiel eingebunden wird, unterstreicht Kelces Einzigartigkeit in dieser Hinsicht: Waller verbrachte in dieser Saison 189 Snaps Outside und 156 im Slot, sowie 639 In-Line.

Kelce: Ein "schwerer Receiver" und noch viel mehr

Kelce ist in gewisser Hinsicht ein 118 Kilogramm schwerer X-Receiver, der aber auch blocken kann. Und genau so setzen die Chiefs ihn auch ein; der Touchdown im Playoff-Spiel gegen die Cleveland Browns verdeutlicht das:

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© NFL Gamepass

Die Chiefs stellen sich hier in ihrer häufig gespielten 3x1-Formation auf, also drei Receiver auf einer und einer auf der anderen Seite. Der isolierte Spieler ist dabei häufig Travis Kelce, mit dem Running Back im Backfield noch zu seiner Seite.

Man nennt das "Nub Tight End", oder "Nub Formation", wenn der Tight End alleine auf einer Seite der Formation steht. Das hat mehrere Effekte:

  • Die Defense wird zumindest ein Stück weit gezwungen, ihre Coverage schon vor dem Snap zu zeigen. Gehen Cornerbacks mit den drei Wide Receivern mit? Wer steht gegenüber des Tight Ends? Dem Quarterback gibt das bereits wichtige Informationen dahingehend, ob er es mit einer Zone oder einer Man Coverage zu tun hat.
  • Tyreek Hill, Mecole Hardman und Sammy Watkins auf einer Seite der Formation setzen die Defense schon per se unter Druck. Defenses wollen gegen keinen der drei Eins-gegen-Eins-Coverage riskieren und insbesondere Tyreek Hill aus dem Slot kann hier extreme Mismatches bedeuten.
  • Insbesondere eine RPO-lastige Offense wie die der Chiefs kann Defenses für verschiedene Antworten bestrafen. Rotiert der tiefe Safety nach dem Snap auf die 3-Receiver-Seite und der Linebacker lässt sich fallen? Dann kann Kansas City mit seinen RPOs auch simpel den Ball über die Tight-End-Seite laufen lassen. Diese Entscheidung liegt dann zumeist nach dem Snap bei Mahomes.
  • Das zentrale Mismatch aber findet meist auf der anderen Seite der Formation statt, und hier kommt Kelce mit seinen einzigartigen Qualitäten ins Spiel. Defenses reagieren auf diese 3x1-Formationen häufig eben indem die Coverage in Richtung der 3-Receiver-Seite rotiert, also etwa die Safeties eher auf dieser Seite aushelfen. Das aber wiederum lässt ein potenzielles Eins-gegen-Eins-Matchup gegen Kelce zu, und so drastisch es klingt: Nur sehr wenige - wenn überhaupt - Verteidiger in der NFL können in diesem Szenario mit Kelce mithalten.

Die Browns in der hier abgebildeten Szene hatten genau diesen Weg gewählt. Die beiden tiefen Safeties orientieren sich auf die 3-Receiver-Seite, der Linebacker wird durch die Route des Running Backs mit nach außen gezogen.

Cleveland wähnte sich aber gut vorbereitet, denn niemand anderes als Nummer-1-Corner Denzel Ward stand Kelce gegenüber (blaue Box am unteren Bildrand). Doch, und hier sticht nochmals das Kelce-Argument, es passierte das Szenario, das die Browns als kalkuliertes Risiko gesehen haben dürften.

Kelce schlug Ward im Eins-gegen-Eins und setzte den Browns-Corner mit seiner Route auf den Hosenboden, womit er in der über das Play-Design "frei geräumten" Mitte des Feldes offen für den Catch war und mit dem Ball in die Endzone walzte.

Chiefs-Offense: Das "Raum"-Problem gegen Kelce und Co.

Die Chiefs sind also exzellent darin, sich Matchups zurecht zu legen und die Matchups zu nutzen, die die Defense anbietet. Und Defenses versuchen verschiedene Herangehensweisen.

Die Ravens versuchten, Kansas City mit dem Blitz zu überwältigen - und scheiterten krachend. Generell ist Man Coverage nur sehr bedingt ratsam, dafür ist Kansas City individuell, aber auch schematisch zu stark. Zumeist bestrafen die Chiefs es umgehend, wenn eine Defense Man Coverage spielt, und das häufig per Big Play. Das kann dann auch mal über einen Run von Mahomes selbst sein, während kein Verteidiger in Man Coverage die Augen auf ihn gerichtet hat.

Die Buffalo Bills haben in dieser Saison zwei Mal gegen Kansas City gespielt. Einmal in Woche 6 und dann wieder im Conference Championship Game. Und Buffalo hatte einen sehr spezifischen, interessanten Game Plan: Die Bills boten den Chiefs immer und immer wieder eine leichte Box an, stellten also wenige Spieler in die Nähe der Line of Scrimmage, blitzten nur sehr selten und fokussierten sich darauf, die kurzen Pässe über die Mitte sowie die tiefen Pässe zu eliminieren.

In der Regular Season war Buffalo darin noch extremer, in der Folge hatten die Chiefs mit weitem Abstand ihr produktivstes Spiel im Run Game (245 Rushing-Yards), es war das einzige Spiel, in dem Kansas City mehr Rushing- als Passing-Yards hatte. Clyde Edwards-Helaire verzeichnete 26 Runs, kein einziger davon war gegen acht oder mehr Verteidiger in der Box.

Im Championship Game mixten die Bills dann mehr durch, brachten auch häufiger Pressure, verließen sich im Kern aber auf ihre Grundstruktur: Viel Quarters-Coverage (Cover-4, vier Spieler teilen sich den tieferen Bereich des Feldes untereinander auf), viele leichte Boxes und die Linebacker sollten die schnellen Pässe unterbinden.

Das Problem dabei sind die Räume, die hier entstehen. Zumal Kansas City dann viel mit seinen Motion-Paketen spielt, etwa Tyreek Hill in Bewegung setzt und zusätzlich noch einen Run antäuscht, um die Linebacker noch etwas näher an die Line of Scrimmage zu ziehen.

Mit den Defensive Backs aber sehr passiv agierend - und zusätzlich durch vertikale Routes beschäftigt, beziehungsweise noch weiter nach hinten getrieben - entsteht ein gigantischer Raum insbesondere zwischen den Linebackern und den tiefen Safeties. Hier bekommen die Chiefs ihre Chunk Plays; nicht die 50-Yard-Bomben, aber die Pässe über 13, 15, 17, 18 Yards. In diesem Bereich des Feldes attackiert Kansas City mit seinen zahlreichen Crossing-Routes immer und immer wieder.