Hat der Super Bowl überhaupt noch einen Einfluss auf Bradys Legacy?
Christian "Detti" Detterbeck (NFL-Experte, Footballerei): Selbstverständlich! Die Tatsache, dass sich Brady nach sechs Ringen und 20 Jahren in New England dazu entschloss, mit damals 42 Jahren nicht in Rente zu gehen und in Tampa seine Erfolgsstory weiter zu schreiben, nötigt viel Respekt ab. Die Tatsache, dass er sicherlich ein absolut entscheidender Faktor war, aus einem 7-9-Team (dem es natürlich schon letztes Jahr nicht an jungem Talent gemangelt hat) einen Super-Bowl-Finalisten zu machen, umso mehr. Sollte der GOAT nun tatsächlich seinen siebten Titel holen, wird er nicht nur der größte Quarterback der NFL-Geschichte sein (der er wohl ohnehin schon als Patriot war), sondern auch sportartenübergreifend in der Diskussion stehen, der bedeutendste (Mannschafts-)Sportler der Historie zu sein. Meine Stimme hierfür wäre ihm sicher. Weil er sich eben in Florida nicht in ein gemachtes Nest setzen durfte, dem nur noch ein Puzzleteil zum Super Bowl fehlt, sondern aus einem Verliererteam einen absoluten Contender machen konnte.
Günter Zapf (NFL-Kommentator DAZN): Ja und Nein. Brady ist und bleibt, zumindest für absehbare Zeit, der mit Abstand erfolgreichste und damit beste Quarterback der NFL-Geschichte. Daran wird der Ausgang dieses Spiels nichts ändern. Er kann aber seine Position als Legende und GOAT nochmal festigen und bestärken, wenn er diesen, seinen sage und schreibe zehnten Super Bowl, gewinnt. Damit wäre er der zweite Quarterback nach Peyton Manning, der diesen mit zwei verschiedenen Franchises gewann. Wenn man ehrlich ist, hat Manning seinen zweiten Erfolg allerdings fast ausschließlich der Verteidigung zu verdanken gehabt - er selbst musste nur das Spiel verwalten (was er aber großartig gemacht hat). Brady auf der anderen Seite ist sehr stark am Aufschwung der Bucs beteiligt und ohne ihn wäre diese Saison nicht möglich gewesen. Auch wenn die Bucs-Defense extrem stark spielt, war doch Brady und seine Fähigkeit, sich komplett neu zu erfinden, ausschlaggebend für den Super-Bowl-Einzug. Wenn er den jetzt auch noch gewinnt, legt er eindeutig das Vorurteil ab, er wäre doch nur ein "System-QB", der ohne Belichick nie etwas geworden wäre.
Jan Dafeld (NFL-Redakteur SPOX): Ich denke auch, dass der Super Bowl definitiv noch Einfluss auf Bradys Legacy hat. Wie Günter bereits angedeutet hat, werden Bradys und Belichicks Erfolge meist noch zusammen gedacht: Belichick profitierte also von einem der besten Quarterbacks aller Zeiten und umgekehrt. Gelingt es Brady nun auch noch ohne Belichick - in seinem ersten Jahr bei den Bucs wohlgemerkt - den Super Bowl zu gewinnen, würde das seiner Karriere nochmal eine ganz neue Dimension hinzufügen. Dazu kommt natürlich die reine Anzahl an Titeln. Ich bin kein Freund davon, Spieler einzig durch ihre Meisterschaften zu bewerten, die Anzahl der Ringe ist aber nun mal Teil jeder GOAT-Debatte. Gewinnt Mahomes in diesem Jahr, würde er in seinem dritten Jahr bereits auf vier Titel heranrücken und könnte vielleicht tatsächlich mal in ähnliche Sphären vorstoßen. Verliert er, hat er beinahe uneinholbare sechs Titel Rückstand auf Brady.
Timo Riske (Data Scientist PFF): Kurzfristig würde eine Niederlage der Tampa Bay Buccaneers und Tom Brady sicher zu der gewohnten Häme in den sozialen Medien führen, aber langfristig bleibt Bradys Legacy von negativen Einflüssen unangetastet, der Meinung war ich auch schon vor Super Bowl LIII gegen die Los Angeles Rams. Im Gegenteil: Er kann eigentlich nur gewinnen, weil er mit einem Sieg Patrick Mahomes im Rennen um die meisten Super-Bowl-Siege auf vorerst sicherem Abstand halten könnte. Zudem wäre er nicht nur zusammen mit Peyton Manning der einzige QB, der mit verschiedenen Teams einen Ring gewänne, er könnte mit entsprechender Leistung der erste QB werden, der mit zwei Teams Super Bowl MVP wird.