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Third and Long: So drehten die Chiefs den Super Bowl - und welche Lektionen bietet die Saison?

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf den Super Bowl.
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Zukunft in SF und KC, Titelkandidaten, AFC East - Eure Fragen

MintBerry8Crunch und Benjamin Seidl: Mit einer besseren Leistung von Jimmy G hätten die 49ers vermutlich gewonnen. Fehlt ihnen zum ganz großen Wurf der ganz große QB? Wie siehst du die kurzfristige Zukunft der 49ers?

In gewisser Weise schließt das an einen der "Saison-Takeaway"-Punkte an: Ja, man kann in der NFL ohne einen Top-8-Quarterback gewinnen. Aber es ist unheimlich schwierig, und man hat minimalen Spielraum für Fehler. Mit dem im Hinterkopf, es wäre unfair, Garoppolo als eine Art "Klotz am Bein" zu charakterisieren. Dafür hatte er auch zu viele wirklich gute Spiele in dieser Saison und auch im Super Bowl brachte er mehrere schwierige Pässe in enge Fenster an.

Das Thema, auf das man dann immer wieder zurückfällt - ähnlich wie bei Jared Goff nach dem Super Bowl im Vorjahr - ist für mich dieses: Wie viel kreiert der Quarterback zusätzlich? Was macht er gegen Druck, oder wenn das Play-Design zusammenbricht? Wie häufig findet er Schwachstellen in der Defense und kann diese attackieren? Und ganz simpel gesagt, wäre Garoppolo in diesen Aspekten am Sonntag besser gewesen, wäre San Francisco heute Super Bowl Champion.

Gleichzeitig kann man auch nicht sagen, dass ihnen "der ganz große Quarterback fehlt"; gelingt den Chiefs nicht dieser perfekte Play-Call mit dem langen Pass zu Hill, kippt das Spiel womöglich überhaupt nicht. So ist es immer ein Drahtseilakt, und natürlich hätte jeder Coach am liebsten Patrick Mahomes. Aber man kann mit Garoppolo gewinnen, genau wie man mit Goff gewinnen kann.

Es muss eben drum herum alles passen, das ist der maßgebliche Unterschied - während die Chiefs auf der anderen Seite zwei verkorkste Viertel am Sonntag oder einen absoluten Horror-Start gegen Houston "einfach" vergessen lassen können.

itcounts610: Wer aus der AFC hat am ehesten das Potenzial, den Chiefs und Ravens über die nächsten Jahre gefährlich zu werden?

Ich werde hier immer die Patriots nennen, solange Belichick der Coach und Brady der Quarterback dieses Teams sind. Wenn die anstehende Offseason sitzt und New England die offensiven Problemzonen mit der nötigen Vehemenz adressiert, ist New England mal mindestens nächstes Jahr abermals ein Titelkandidat.

Die Texans würde ich hier gerne noch viel prominenter nennen, weil Deshaun Watson ein toller Quarterback und DeAndre Hopkins ein noch besserer Wide Receiver ist. Aber ich habe meine Mühe damit, für Houston noch einen Schritt nach vorne zu prognostizieren, solange Bill O'Brien - jetzt fester denn je - die Zügel in der Hand hält.

Ansonsten, perspektivisch betrachtet: Die Colts wären für mich der spannendste Kandidat. Indy hat noch immer wirklich gute Strukturen und Umstände, sowie einen GM und Head Coach, von denen ich überzeugt bin. Hier wird die zentrale Frage lauten, welchen Weg Indianapolis auf der Quarterback-Position einschlägt. Versucht man, mit Philip Rivers kurzfristig anzugreifen? Holt man sich sogar, und das wäre meine absolute Lieblingsvariante, Jameis Winston? Oder wird es eine "Brissett plus Rookie"-Konstellation?

Indianapolis hat für mich, nach den genannten Kandidaten, mit das meiste Potenzial in der AFC und könnte mit jeder Menge Cap Space im März auch sehr aggressiv werden, sollte man vom bisherigen Kurs abweichen. Um dieses Potenzial aber auch umzusetzen, muss man sich auf der wichtigsten Position sehr kritisch hinterfragen.

Richard WORLD CHAMPION Turkowitsch: Mahomes' Rookie-Vertrag neigt sich dem Ende zu - wird das jetzt eine Russell-Wilson-Wende nehmen und mit weniger Geld für die ganzen Offensivwaffen wird es schwieriger? Oder werden die Chiefs jetzt eine Dynastie und ich werde mich bald rechtfertigen müssen wie alte Patriots-Fans?

Die "gute" Nachricht ist, dass ich davon überzeugt bin, dass wir eine Dynastie wie die der Patriots für sehr lange Zeit nicht mehr sehen werden. Ganz simpel formuliert, weil die Kombination aus dem - und ich glaube das können wir so festhalten - besten Head Coach und besten Quarterback aller Zeiten eine schwer kopierbare Erfolgsformel ist.

Das macht die Leistungen der Patriots über die letzten 20 Jahre umso eindrucksvoller, doch die Liga ist mit ihren Rahmenbedingungen darauf ausgelegt, lange dominante Teams zu unterbinden. Und abgesehen von den Patriots funktioniert das auch gut.

Doch was wir neben den Patriots in den letzten 20 Jahren auch hatten, waren Teams, die über mehrere Jahre stark waren. Die Packers, die Saints, die Seahawks und Steelers wären solche Kandidaten über die letzten zehn Jahre. Und ich glaube, Kansas City hat - wie ich im Nachbericht ausführlicher geschrieben habe - die besten Voraussetzungen in der gesamten NFL, um das nächste Team zu sein, das am konstantesten über die nächsten fünf Jahre zum engsten Titelanwärter-Kreis gehört.

Wahr ist aber auch, dass es finanziell jetzt in jedem Fall schwieriger wird; genau wie die Tatsache, dass Glück letztlich hier auch immer eine Rolle spielt. Brees und Rodgers haben ihren Titel gewonnen - und waren anschließend nicht mehr im Super Bowl. Beide haben seither unglaubliche Meltdowns und Niederlagen ihrer Teams in den Playoffs erlebt (die Packers-Niederlage in Seattle etwa, die Pleiten der Saints in Minnesota und letztes Jahr gegen die Rams), an denen sie selbst vergleichsweise wenig Schuld hatten.

Es gibt also mit Sicherheit einen Pfad für die nächsten zehn Jahre, der die Chiefs auf den Packers-Weg von 2010 bis 2020 bringt. Der beste Quarterback der Liga, regelmäßige Playoff-Runs - aber eine weitere Titel-Chance bleibt dem Team verwehrt, aus verschiedenen Gründen.

Ich persönlich glaube nicht, dass das passiert, weil ich die Strukturen in Kansas City als besser erachte; wenn ich heute raten müsste, würde ich sagen, dass Kansas City über die nächsten fünf Jahre einen weiteren Super Bowl gewinnt. Aber das ist natürlich extrem spekulativ und trotz einer guten Ausgangslage eben im Zweifelsfall auch von kleinsten Faktoren abhängig.

Micho Gori: Welches Team in der AFC East siehst du am ehesten in der Lage, die Patriots in spätestens drei Jahren an der Spitze der Division abzulösen und warum?

Sehr gute Frage, die ich tatsächlich ziemlich schwierig finde (Eure Optionen gerne in die Kommentare). Miami finde ich aufgrund des Potenzials und des Punkts, an dem die Dolphins in ihrem Rebuild jetzt stehen, am reizvollsten. Die Dolphins sind aber natürlich mit weitem Abstand die größte Wundertüte. Wenn der Quarterback im kommenden Draft sitzt und Flores sich weiter als die richtige Head-Coach-Wahl entpuppt, hat Miami die Ressourcen, um die Division über die nächsten zwei bis drei Jahre auf den Kopf zu stellen.

Realistischer wäre Buffalo. Dort sind die Umstände bereits da (ein sehr guter Kader, ein guter Coaching-Staff, eine intelligent geführte Franchise) - mit natürlich einem zentralen Fragezeichen namens Josh Allen. Allen hat mich in der Regular Season positiv überrascht, daran hat sich nichts geändert; trotzdem glaube ich, dass die Bills mit ihm immer nach oben ein Limit haben werden. Doch die Bills waren schon dieses Jahr nah dran an den Pats, und sollte Buffalo halbwegs auf diesem Kurs bleiben können, sind die Bills hier meine Antwort.

Wahr ist aber auch, und das macht es umso schwieriger, dass mit den Patriots und Bills die beiden besten Teams der Division in diesem Jahr maßgeblich über die Defense funktionierten; und es ist kein Geheimnis, dass Defense von Jahr zu Jahr deutlich inkonstanter ist als Offense. Können die Bills also offensiv noch einen Schritt nach vorne machen? Vielleicht würde das - je nachdem was insgesamt in Foxboro passiert - schon reichen, um 2020 nach der Division-Krone zu greifen.

Die Jets habe ich hier aktuell nicht auf dem Zettel. Nüchtern betrachtet natürlich eher als die Dolphins, die einfach noch einen weiten Weg vor sich haben und viele richtige Entscheidungen treffen müssen. Aber New York hat in meinen Augen defensiv, in der O-Line und womöglich auch im Trainerstab zu große Baustellen, als dass ich hier etwa sehe, dass die Jets auf einen Schlag Buffalo hinter sich lassen.