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Brady, Brees, Winston, Rivers - das verrückteste Quarterback-Karussell aller Zeiten?

Die NFL erwartet ein potenziell historisches Quarterback-Karussell.
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Dak Prescott - Dallas Cowboys

Die Situation: Vier Jahre lang war Prescott das größte Schnäppchen in der NFL: Ein guter bis sehr guter Starting-Quarterback, der unter seinem Viertrunden-Rookie-Vertrag spielt. Nur um das einzuordnen: Kein Team gab 2019 weniger Geld für die Quarterback-Position aus als Dallas (2,9 Millionen Dollar) und unter anderem folgende Quarterbacks hatten 2019 einen höheren Cap Hit als Prescott: A.J. McCarron, Nate Sudfeld, Colt McCoy, Chase Daniel und Brian Hoyer.

Diese Zeiten sind vorbei. Prescott spielte letztes Jahr über weite Strecken wie ein Top-10-Quarterback und jetzt sind die Cowboys am Zug. Überdurchschnittliche Quarterbacks findet man nicht häufig in den späten Draft-Runden, auch wenn Cowboys-Fans hier mit Tony Romo und dann Dak Prescott eine spektakuläre QB-Folge vorweisen können. Da Prescott keine Fifth-Year-Option in seinem Vertrag hat, wird er Unrestricted Free Agent und die nächsten Wochen werden zeigen, wie sich die Lage am Verhandlungstisch gestaltet.

Was spricht für einen Verbleib? Eigentlich alles. Prescott ist die A-Lösung unter allen diesjährigen Free Agents: Er ist mit seinen 26 Jahren erst am Anfang seiner Prime, kommt ohne Verletzungssorgen, spielte letztes Jahr seine wohl beste NFL-Saison und passt in das Quarterback-Bild des mobilen Pocket-Passers, das die NFL immer mehr prägt.

Keine Frage, er hatte was die Offensive Line angeht bisher in seiner NFL-Karriere glänzende Umstände, auch der Trade für Amari Cooper half ihm ohne Zweifel. Aber genauso sollte außer Frage stehen, dass Prescott mindestens einer der 15 besten Starting-Quarterbacks der NFL ist. Und ja, der zwölftbeste Quarterback der Liga kann je nach Timing zeitweise wie der zweitbeste Quarterback der Liga bezahlt werden.

Doch sind das immer nur Momentaufnahmen, die in der Regel selten länger als ein paar Monate Bestand haben. Und wenn man auf einer Position ein paar Millionen mehr investieren sollte, dann für die des Quarterbacks.

Was spricht für einen Wechsel? Eigentlich nichts. Ein überdurchschnittlicher Starting-Quarterback Mitte 20 kommt in der NFL eigentlich nicht auf den Markt; das jüngste, am ehesten passende Beispiel wäre wohl Kirk Cousins, bei dem in Washington alles damit anfing, dass sich die Redskins nicht langfristig an ihn binden wollten und ihn schließlich nach zwei Franchise Tags gehen lassen mussten. Und hier wird die Parallele interessant.

Die Cowboys haben sich in der vergangenen Offseason entschieden, den Vertrag von Ezekiel Elliott zu priorisieren, und das bringt sie in eine prekäre Lage: Bereits jetzt ist davon die Rede, dass Prescott mutmaßlich den Franchise Tag erhält. Zunächst, um einen langfristigen Deal auszuhandeln; doch mit jedem Monat, der hierbei verstreicht, wird die Verhandlungsposition für die Prescott-Seite stärker. Der Tag würde Prescott um die 30 Millionen Dollar für 2019 einbringen, es gibt schlimmere Einjahresverträge.

Will Prescott also pokern und auf sich selbst setzen, hätte er jetzt eine goldene Gelegenheit dazu. Und man darf nicht vergessen, dass er als Viertrunden-Pick einen Unterschriftsbonus in Höhe von 383.000 Dollar hatte - kein Vergleich zu Jared Goff (25 Mio. Dollar) und Carson Wentz (18 Mio.), die im gleichen Jahr gedraftet wurden und bereits neue Verträge unterschrieben haben. Prescott könnte daran interessiert sein, seinen Wert jetzt auf die Spitze zu treiben.

Dallas derweil sollte alles versuchen, um Prescott zu halten. Einen Franchise-Quarterback zu finden ist so unglaublich schwierig, hier darf ein Front Office eigentlich nicht pokern.

Die Glaskugel: Die wilden Gerüchte über mögliches Interesse an Tom Brady sind eigentlich nur mit dem Glamour-Wunsch von Jerry Jones zu erklären. Die Cowboys haben, wenn man alle Umstände berücksichtigt, den aus sportlicher Sicht größten angehenden Free Agent der diesjährigen Free Agency in ihren Reihen, und sollten diesen dementsprechend priorisieren. Und zwar mit einer langfristigen Vertragsverlängerung, ehe Patrick Mahomes und Deshaun Watson womöglich im Sommer den Markt komplett neu ausrichten.

Teddy Bridgewater - New Orleans Saints

Die Situation: Bridgewaters Pfad hätte auch ganz anders aussehen können. Vor einem knappen Jahr traf er sich mit den Miami Dolphins und erwog ernsthaft, in seine Heimatstadt zurück zu gehen und dort als Starter seine Karriere neu auszurichten.

Er entschied sich dagegen, kehrte als Backup nach New Orleans zurück und höchstwahrscheinlich war das die richtige Entscheidung: Die Verletzung von Drew Brees gab Bridgewater fünf Start-Einsätze für die Saints, in denen er einen sehr guten Eindruck hinterließ - etwas, das ihm bei den Umständen in Miami deutlich schwerer gefallen wäre.

Das bringt ihn in eine glänzende Ausgangslage. Der 27-Jährige hat untermauert, dass er noch ein guter Starting-Quarterback sein kann und ließ so auch nach außen hin seine katastrophale Knieverletzung aus Vikings-Zeiten endgültig hinter sich. Diese fünf Spiele öffnen ihm für 2020 ganz neue Türen, Bridgewater sollte einen deutlich interessanteren Markt haben als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres.

Was spricht für einen Verbleib? Bridgewater, das ist kein Geheimnis, fühlt sich mehr als wohl bei den Saints und in New Orleans. Er kennt die Franchise inzwischen, er kennt Head Coach Sean Payton, der wiederum jüngst erst seinen Vertrag verlängert hat. Die Umstände in New Orleans sind stabil, das Team ist stark besetzt. Falls Bridgewater im Zweifelsfall bereit ist, noch ein Jahr hinter Brees zu warten, könnte die mittel- und langfristige Perspektive in New Orleans für ihn vielversprechend sein.

Für die Saints wäre ein Bridgewater-Verbleib so oder so ein Idealszenario: Hinter Brees hätte man abermals den vermutlich besten Backup-Quarterback der Liga in seinen Reihen. Sollte Brees alle überraschen und wechseln, hätte man mindestens eine sehr gute Übergangslösung; ein Quarterback, der die Offense kennt und gezeigt hat, dass er sie umsetzen kann.

Was spricht für einen Wechsel? Doch für wie viel Geld wäre Bridgewater bereit, auf 2020 zu verzichten, ohne darüber hinaus eine langfristige Garantie zu haben, dass er dann auch 2021 wirklich als Starter übernehmen darf?

Die Saints haben nicht viel Cap Space - knapp zehn Millionen Dollar stehen nach aktuellem Stand für 2020 zu Buche, um genau zu sein. Daran wird sich fraglos noch einiges ändern, wenn Entlassungen, Umstrukturierungen und Vertragsverlängerungen ins Spiel kommen. Doch wird hierbei auch der mutmaßliche Vertrag von Brees noch obendrauf kommen.

Und das führt auch direkt zum Kern aus Team-Sicht: Die Saints werden sich höchstwahrscheinlich entscheiden müssen, ob sie nochmal einen Titel-Anlauf mit Brees starten - oder ob sie mit Bridgewater verlängern und so die Weichen eher für die nächsten Jahre stellen. Brees war insgesamt letztes Jahr eigentlich zu gut, als dass man sich vorstellen kann, dass die Saints ihren Franchise-Quarterback jetzt nicht halten.

Ein weiteres Jahr als Backup derweil sollte für Bridgewater eigentlich keine Option sein. Sein Markt dürfte jetzt so gut sein wie zu keinem anderen Zeitpunkt, und wer weiß, wie sich das Bild für ihn gestaltet, sollte er jetzt eine komplette Saison hinter Brees auf der Bank sitzen.

Die Glaskugel: Bridgewater könnte eine sehr interessante Option für einen spezifischen Kreis an Teams sein. Er könnte - was Starting-Quarterback-Gehälter im Vergleich angeht - nach wie vor ein echtes Schnäppchen werden. In einer auf Präzision und das Kurzpassspiel ausgelegten Offense aber könnte er sich als eine gute (Übergangs-)Lösung etablieren.

Die Gerüchteküche rund um den 27-Jährigen ist noch vergleichsweise ruhig; die Bears könnten durchaus Sinn machen, um ein potenzielles Trubisky-Upgrade zu verpflichten, ohne sich dabei in Unkosten zu stürzen. Es wäre eine Situation ähnlich wie Mariota/Tannehill in Tennessee letztes Jahr, und der Erfolg, den die Titans hatten, indem sie einen wackligen Starter um einen ernsthaften Konkurrenten ergänzt haben, färbt womöglich auf andere Front Offices ab.

Jameis Winston - Tampa Bay Buccaneers

Die Situation: Vielleicht die kurioseste Situation aller Quarterbacks. Winston hatte eine historische Saison - in einer Spielzeit 5000 Passing-Yards, 30 Touchdown-Pässe und 30 Interceptions zu knacken, das hatte es noch nie vorher gegeben. Doch was macht man als Coach, als Franchise daraus?

Spezifischer gefragt: Was macht Bruce Arians daraus, der zwar eine risikofreudige Offense verfolgt, am Ende des Jahres aber sichtlich genervt von Winstons Turnovern war und das zum Saisonabschluss auch medial deutlich kommunizierte? Und was macht General Manager Jason Licht, dessen Zukunft in Tampa trotz der jüngsten Vertragsverlängerung davon abhängen wird, ob die nächste Quarterback-Entscheidung sitzt?

Weiter gefragt: Was verlangt Winston selbst? Wäre er bereit, unter dem Franchise Tag zu spielen? Welche Konditionen fordert er unter einem langfristigen Vertrag? Es ist vielleicht die offenste Ausgangssituation, die am deutlichsten in alle Richtungen gehen könnte.

Was spricht für einen Verbleib? Bei aller Kritik an Winstons Turnovern, die nicht alle selbst verschuldet sind, aber gerade letztes Jahr doch zu häufig auf Winston zurückfielen: Jameis Winston ist eine Big-Play-Maschine. 5000 Yards und 30 Touchdowns schafft man nicht nur, weil man zwei sehr gute Wide Receiver hat - Winston spielte phasenweise wie ein Top-10-Quarterback, und phasenweise eben wie einer der schlechtesten Starter der Liga.

Und das ist der Kern des Ganzen: Akzeptiert man die Turnover, weil man weiß, dass man die Big Plays eben auch bekommt? Ist man gewillt, die Offense noch stärker um Winston herum aufzubauen und dementsprechend in ihn zu investieren? Man kann dafür argumentieren, und dann wäre Tampa schlecht beraten, Winston gehen zu lassen und dann für ein oder zwei Jahre mit Rivers oder Brady zu überbrücken.

Was spricht für einen Wechsel? Für Winston selbst ist Tampa ebenfalls eine gute Situation, mit einem Head Coach, der grundsätzlich einen aggressiven Quarterback haben will, dem vermutlich besten Wide-Receiver-Duo der Liga, einer durchschnittlichen Offensive Line und einem eher kleinen Medienmarkt, was angesichts der "schlechten Winston-Spiele" durchaus auch ein Vorteil sein kann.

Doch vielleicht reicht das nicht? Vielleicht sieht Tampa Bay mehr Wert darin, die Offense in ruhigere Fahrwasser zu bringen, und einen "sichereren" Quarterback mit höherer Base-Line und niedrigerem Ceiling zu holen - wie etwa einen Andy Dalton? Und umgekehrt: Was, wenn Tampa Winston nur kurzfristig binden will? Womöglich gibt es dann für Winston interessantere Optionen auf dem Markt.

Die Glaskugel: So spannend ich es auch fände, Winston etwa in der Offense von Frank Reich in Indianapolis zu sehen, die weniger vom Quarterback verlangt und ihm gleichzeitig exzellente Protection bietet - am Ende vermute ich, dass beide Seiten sich noch einmal zusammenraufen und einen kurzfristigen Vertrag, vielleicht über zwei bis drei Jahre, schließen. Arians gibt Winston noch eine Chance, die Bucs investieren in die O-Line und hoffen, dass Winstons enorme Turnover schon schlicht durch natürliche Regression wieder etwas runter gehen.