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Third and Long: So zerlegten die 49ers die Saints-Defense - was ist los mit Green Bay?

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf Woche 14 in der NFL!
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Wie die 49ers-Offense in New Orleans explodierte

Es fühlte sich an wie ein Playoff-Spiel, und mit Blick auf das Seeding war es im Endeffekt vielleicht sogar eine Art Playoff-Spiel. Was die Offenses der Saints und der 49ers am Sonntag in New Orleans abfeuerten, war absolut spektakulär. New Orleans mit seiner Kurzpassoffense, Yards nach dem Catch, gut eingesetzten Tight Ends und einem unfassbar effizienten Drew Brees auf der einen - und San Francisco mit einer besonders tiefen Trickkiste und einem glänzend aufgelegten Jimmy Garoppolo auf der anderen Seite.

"Wir können uns bei unserer Offense bedanken", gab Cornerback Richard Sherman anschließend ganz offen zu, und fügte zum wiederholten Male in den vergangenen Wochen ausdrückliches Lob über Garoppolo an: "Er hat heute wie der beste Quarterback in der NFL gespielt. Er hat eine Legende bezwungen."

Coach Kyle Shanahan, der zuvor offensiv ein herausragendes Spiel dirigiert hatte, war ähnlich euphorisch: "Das war eines der coolsten Spiele das ich je erlebt habe. Wir wussten, dass wir einige Dinge riskieren mussten, weil wir es heute mit einer Defense zu tun hatten, die wenige Fehler macht. Wenn das der Fall ist, und eine Defense dann auch noch die individuelle Qualität hat wie die der Saints, musst du lange Drive hinlegen können."

49ers vs. Saints: Big Plays auf Big Plays

Und das taten die 49ers auch mehrfach, doch waren es gerade früh im Spiel die Big Plays und Trick Plays, die herausstachen.

Der Touchdown-Pass von Wide Receiver Emmanuel Sanders auf Running Back Raheem Mostert, Wildcat-Runs, ein End-Around für Tight End George Kittle - oder natürlich der 75-Yard-Touchdown-Catch von Sanders.

Der war auch mit Blick auf den Spielverlauf überaus wichtig: Die Saints hatten gerade im dritten Drive ihren dritten Touchdown erzielt und waren nicht zu stoppen, San Francisco lag mit 7:20 zurück und lief Gefahr, wie schon so viele Teams im Superdome in einem offensiven Feuerwerk von Brees und Co. unterzugehen.

Das ist das Play:

Die Saints spielen defensiv eine Man-Zone-Kombination. Marshon Lattimore hat Deebo Samuel in Eins-gegen-Eins-Coverage (unterer Bildrand), Cornerback P.J. Williams, der zunächst scheinbar George Kittle zugeteilt war, übernimmt infolge der Motion den Running Back aus dem Backfield und der dritte Cornerback, Eli Apple, spielt die kurze äußere Zone am oberen Bildrand.

Die Folge daraus ist, dass am Ende kein Cornerback direkt für Sanders zuständig ist. Stattdessen spielen die beiden Safeties Vonn Bell und Marcus Williams den tiefen Part des Feldes - ein Matchup, das San Francisco dankend annimmt. Sanders lässt Bell mit einem Move in der Route komplett stehen und setzt sich dann beim Catch des in dem Fall schlecht platzierten Passes von Garoppolo gegen Williams durch.

San Franciscos hochgelobte Defense konnte die Saints jedoch weiterhin kaum stoppen - New Orleans antwortete auf Sanders' 75-Yard-Touchdown mit einem 12-Play-Touchdown-Drive. Umso wichtiger war es, dass die Niners offensiv antworten konnten: Zunächst mit dem Trick-Play-Touchdown-Pass durch Sanders selbst - ein Play, das erst unter der Woche installiert wurde - dann mit dem finalen Drive vor der Halbzeitpause, der den Gästen die Führung zur Halbzeitpause bescherte; ein wichtiger psychologischer Fakt, wie Shanahan nach dem Spiel betonte.

Und auch bei diesem Drive griff Shanahan in die Trickkiste:

Die hier dargestellte Szene war das Play direkt vor dem Touchdown-Run von Mostert, und es ist mit Sicherheit ein Play-Design, das man so nicht jede Woche sieht: Im Prinzip ist es ein Option Play mit Fullback Kyle Juszczyk als Option-"Quarterback".

Garoppolo nämlich übergibt den Ball direkt an seinen Fullback, mit dem Motion-Spieler von der anderen Seite als zusätzlicher Ablenkung für die Defense; ein Mittel, das San Francisco in dieser Partie mehrfach erfolgreich einsetzte.

Dabei ist New Orleans' bester Edge-Rusher Cam Jordan (roter Kreis) bewusst ungeblockt, das Play geht von ihm weg. Auch der Blitzer auf der anderen Seite hat keinen Gegenspieler - er ist stattdessen der Read-Spieler, den Juszczyk wie ein Quarterback beim Option-Play liest, um dann zu entscheiden, ob er den Ball zum Running Back pitcht oder ihn selbst behält. Das ist das "Option"-Element.

Der Edge-Blitzer dürfte kaum damit gerechnet haben, dass der Fullback hier diese Rolle hat; er konnte sich aber auch nicht richtig entscheiden, denn geht er stattdessen auf den Running Back im Backfield, ist Juszczyk selbst unterwegs, mit mehreren Blockern vor sich. Stattdessen hämmert er den Fullback in den Boden, der aber den Ball vorher auf Mostert ablegt. Das Resultat ist ein 18-Yard-Run bei Third Down, mit dem Touchdown direkt danach.

San Francisco gewinnt mit bewährten Mitteln

Neben all den Trick Plays waren es auch bewährte Shanahan-Play-Designs und -Konzepte, die San Francisco zum Sieg trugen. Play Action funktionierte von Anfang an sehr gut, Garoppolo brachte früh mehrere Bälle über die Mitte an und die Niners verzeichneten 14,3 Yards pro Play-Action-Pass - in Woche 14 waren unter Quarterbacks mit mindestens 9 Play-Action-Dropbacks nur Tannehill (19,7) und Drew Lock (16,3) besser.

Garoppolos 186 Play-Action-Passing-Yards waren der zweitbeste Wert nach Tannehill, zwei Touchdowns kamen so zustande. Und wie so häufig bei San Francisco ist das Geheimnis für das gute Play-Action-Passspiel die Tatsache, dass sich Run- und Play-Action-Designs sich, basierend primär auf dem Outside Zone Scheme, sehr ähneln.

Zwei Beispiele aus dem kurzen Touchdown-Drive nach dem Saints-Fumble im dritten Viertel unterstreichen das:

Der erste Ausschnitt zeigt den 15-Yard-Pass auf Juszczyk beim ersten Niners-Play nach dem Fumble, der Wegbereiter für den Touchdown.

Es ist ein weiterer Play-Action-Pass, bei dem die Offensive Line zur Seite blockt und so der Edge-Verteidiger auf der - aus Sicht der Offense - linken Seite somit ungeblockt bleibt.

Diesen Edge-Verteidiger übernimmt scheinbar Juszczyk (Nummer 44, unterer Bildrand) als Backside-Pull-Blocker - doch genau das ist der Fake. Juszczyk ist, nachdem der gesamte Flow der Defense in Richtung des vermeintlichen Runs geht, völlig offen und holt ein einfaches First Down an der 5-Yard-Line raus. Teams "vergessen" gegen die 49ers regelmäßig Spieler in Coverage, diese Designs sind der Grund dafür.

Direkt daran anknüpfen kann man den anschließenden Touchdown:

Es wird sofort klar, wenn man einfach nur die Designs der beiden Plays vergleicht, wie sehr sie sich ähneln. Dieses Mal ist allerdings Kittle der vermeintliche Backside-Blocker, mit Juszczyk auf der anderen Seite der Formation.

Und wieder beißt die Defense voll auf den Play-Action-Fake an, bewegt sich auf die "falsche" Seite und öffnet so der Offense die linke Seite des Feldes, wo Kittle unbedrängt den Ball fangen kann.

George Kittle und das große Finale

Garoppolo war insgesamt unheimlich gefährlich in der Mitte des Feldes, brachte hier alle sieben Passversuche über mindestens zehn Yards für 164 Yards und drei Touchdowns an. Dennoch brauchten die 49ers am Ende ein weiteres, finales Big Play, um dieses Spiel zu gewinnen, nachdem New Orleans mit unter einer Minute noch auf der Uhr abermals in Führung gegangen war.

Bei 4th&2 war das Stadion so laut wie an keinem anderen Punkt in diesem Spiel (127 Dezibel laut The Athletic), 39 Sekunden waren noch zu spielen. Die Niners brauchten noch über 30 Yards, um zumindest eine Chance auf das Game-Winning-Field-Goal zu haben.

Mit der Play-Clock schon fast bei Null angekommen gab es schließlich den Pfiff; Shanahan hatte eine Timeout genommen. "Das richtige Play" habe er callen wollen, wie er diese Szene nach der Partie kommentierte. San Francisco kam in einer anderen Formation aus der Auszeit, mit einem Play, das spezifisch auf die beste Waffe dieses Teams ausgerichtet war: George Kittle.

Das Play trägt unter anderem die Bezeichnung "Y Choice", bedeutet: Der Tight End läuft eine Choice- oder Option-Route. Je nachdem, was der Verteidiger ihm gegenüber macht, kann er nach innen oder nach außen laufen. So sieht das Play aufgezeichnet im Playbook aus.

Der Tight End ist der Mittelpunkt dieses Spielzugs. Er steht hinten in der Bunch-Formation, bekommt also den freien Release. Die Corner- oder Go-Route des Receivers (in dem Fall kommt es nie zum Cut nach außen durch Receiver Kendrick Bourne) vor ihm dient als zusätzlicher Rub-Effekt und die Drag-Route des Receivers neben ihm zieht einen Verteidiger in die Mitte.

Das gibt Kittle nicht nur ein Eins-gegen-Eins-Duell mit viel Platz in beide Richtungen, sondern eben auch die Möglichkeit, seine Route anzupassen und so seine Explosivität noch besser auszunutzen. Die Saints haben Rookie-Safety Chauncey Gardner-Johnson gegen ihn gestellt, dessen Agilität hier ein Vorteil sein sollte. Gardner-Johnson ist auch in der Route halbwegs dran, beim Catch aber dennoch zu weit weg und Kittle ist auf und davon.

Ein 39-Yard-Raumgewinn mit zusätzlicher Facemask-Strafe gegen die Saints obendrauf. San Francisco stand innerhalb eines Plays an der 11-Yard-Line der Hausherren und Robbie Gould behielt mit ablaufender Uhr die Nerven. Ein irres Finish für ein irres Spiel.

Ein Sieg als Boost für das Selbstvertrauen

Es war ein Spiel mit Playoff-Charakter, und es gibt einem 49ers-Team, das derzeit fast Woche für Woche solche Spiele hat, zusätzliches Selbstvertrauen.

Das Selbstvertrauen, dass die eigene Offense einen Shootout gegen einen Hall-of-Fame-Quarterback und einen der besten offensiven Play-Caller der Liga gewinnen kann, wenn die eigene Defense überrannt wird. Diese Dinge sind schwer zu quantifizieren; eine solche Erfahrung kann aber womöglich den Unterschied ausmachen, dass man in einem Playoff-Spiel trotz frühem, deutlichen Rückstand nicht in Panik verfällt.

"Ich denke es gibt ihm jede Menge Selbstvertrauen", fuhr Sherman schließlich über Garoppolo fort, und adressierte weiter zum wiederholten Male die in seinen Augen unfairen Garoppolo-Kritiker: "Es ist ein Weckruf auch für sie und zeigt, was für ein Quarterback er in entscheidenden Momenten eines Spiels sein kann. Ich denke, dass es da viele Zweifler gab, und ich denke, dass er heute deren Fragen beantwortet hat."