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NBA-Kolumne Above the Break: James Harden und die Philadelphia 76ers - Warum für niemanden mehr auf dem Spiel steht

James Harden ist bei den Philadelphia 76ers noch nicht zu 100 Prozent eingeschlagen.
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Harden fehlt es nach seiner Oberschenkelverletzung aus den 2021er Playoffs noch immer an Explosivität, ein Problem, das sich schon zu Beginn der Saison in Brooklyn anbahnte. Wir erinnern uns: Damals wurden zudem neue Freiwurfregeln eingeführt, Harden kam kaum an die Linie, alle Welt dachte, seine Art des Spiels wäre auf einmal zum Scheitern verurteilt.

Nun, nein. In Philadelphia zieht Harden bei fast genau einem Viertel seiner Würfe ein Foul. Das ist (deutlich) mehr als je zuvor! Wenn Harden zu Beginn der Saison ein Opfer der neuen Regeln war, hat es mittlerweile eine heftige Überkorrektur gegeben. So gnädig waren die NBA-Refs ihm gegenüber tatsächlich noch nie und Harden nutzt dies liebend gerne aus.

Dieser Umstand birgt allerdings eine gewisse Gefahr. Um noch einmal auf Hardens starke Zahlen bei Isolationen zu kommen: Diese sind so gut, weil er in 30 Prozent der Fälle an der Freiwurflinie landet. Die Freiwürfe kaschieren, dass Harden in der aktuellen Saison ein unheimlich schlechter Finisher ist - nur 49 Prozent trifft er am Ring, damit liegt er satte 9 Prozentpunkte unter Ligadurchschnitt.

Solange er mehr Freiwürfe bekommt als jeder andere (Embiid ausgenommen), ist das nicht so schlimm. In den Playoffs wird jedoch traditionell mehr Kontakt erlaubt, ein Umstand, der Harden schon in Houston des Öfteren eingeholt hat. Was ist dann? Dann wird er zunehmend vom Stepback abhängig sein, wenn er die Defizite nicht anderweitig kompensiert.

In Korbnähe ist Harden alles andere als effizient.
© nba.com/stats
In Korbnähe ist Harden alles andere als effizient.

James Harden hat eine Zielscheibe auf dem Rücken

Auch die defensiven Probleme dürften in den Playoffs ein noch größeres Thema werden. Harden switcht am liebsten, das liegt jedoch Embiid nicht. Dessen Drop Coverage funktioniert allerdings auch nur bedingt, wenn der Flügelverteidiger gefühlt an jedem Screen hängen bleibt und eben nicht das Tempo hat, um die Lücke schnell zu schließen.

Das Spiel gegen die Suns lieferte hier einen Vorgeschmack, wie kluge Teams (gut: so klug wie Phoenix ist sonst niemand) dieses Duo attackieren werden. Harden wurde durch teilweise diverse Back-Screens immer wieder in die Aktion involviert, genau das dürfte ihm in den Playoffs noch öfter blühen.

Nicht jeder Pick&Roll-Ballhandler ist so gnadenlos wie Hardens Ex-Kumpel und heutige Nemesis Chris Paul, aber dieses Template dürften wir über die nächsten Wochen des Öfteren zu sehen bekommen ...

Chris Paul ist gemein.
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Chris Paul ist gemein.

Kann Philly Harden "verstecken"?

Es wird sich zeigen, ob die Sixers dies kompensieren können, der Kader scheint indes nicht unbedingt perfekt dafür geeignet. Der mit Abstand beste Flügelverteidiger Matisse Thybulle ist offensiv limitiert und steht nur knapp 26 Minuten pro Spiel auf dem Court, Danny Green ist in die Jahre gekommen und nicht mehr die 3-and-D-Macht früherer Tage.

Maxey ist bemüht, aber körperlich vielen Guards unterlegen. Harris ist eher langsam, gerade auf dem Flügel, und teilt dieses Problem mit vielen Spielern im Kader. Mit Ausnahme von Maxey und Thybulle sind die Sixers ein sehr langsames Team, was ihnen gerade in Transition defensiv schadet.

Nur Atlanta und New York lassen mehr gegnerische Transition-Punkte pro Play zu als die Sixers, die auch hier oft in Unterzahl sind, weil sowohl Harden als auch Embiid nicht unbedingt jeden Weg zurück mitmachen. Die Nets etwa machten sich das sehr zunutze, als sie die Sixers Anfang März überrannten. In den Playoffs wird zwar langsamer gespielt, und die Sixers sind ein gutes Halfcourt-Team, aber ... wie gesagt, sie wirken angreifbar.

James Harden: Nicht nur die Legacy steht auf dem Spiel

Und so bleibt für den Moment ein gemischter Eindruck. Harden macht die Sixers besser, er bringt jedoch auch seine Herausforderungen mit. Die Zeiten, in denen er als Ein-Mann-Offense in Houston quasi einen Top-5-Wert garantieren konnte, scheinen vorbei zu sein, dafür fehlt es an Explosivität. Bisher hat die dadurch nötige Umstellung bei ihm nicht ausreichend stattgefunden.

Das wiederum bringt für die Sixers kurz- als auch mittelfristige Fragen mit. Sind sie gut genug, um einen tiefen Playoff-Run hinzulegen und den ersten Titel seit 1983 zu holen? Sind sie es nicht - was passiert dann? Fühlt sich die Organisation dann wohl damit, Harden über fünf weitere Jahre 270 Millionen Dollar zu zahlen, was in der Offseason möglich wäre?

Es steht viel auf dem Spiel für den Bärtigen. Seine Legacy sowieso - nachdem er binnen eines Jahres zwei Trades erzwungen hat, gibt es keine Entschuldigungen mehr, und seine (zahlreichen) Kritiker werden sich bereitwillig darauf stürzen, wenn er in den Playoffs erneut nicht den ganz großen Wurf landet. Aber eben nicht nur die Legacy.

Gut ist nicht gut genug. Niemand hat in den anstehenden Playoffs mehr zu beweisen als James Harden.

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