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NBA-Kolumne Above the Break: Besser als KD? Wie Jayson Tatum sein Spiel komplettierte

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Durant ist offensiv aktuell ein Schatten seiner Selbst, weil er gefühlt nur reagiert. Das hat zum einen mit der großartigen individuellen Defense Tatums zu tun, noch mehr allerdings spielt die Team-Defense der Celtics eine Rolle. Es ist immer noch eine Hand da, die dazwischenfunkt, es ist immer eine Schulter oder ein Ellbogen da, damit der Weg ein bisschen schiefer, ein bisschen holpriger wird.

Es ist kurzum immer Hilfe da - und trotzdem bieten sich nicht viele Lücken. Einerseits, weil die Celtics blitzschnell wieder zurück rotieren, wenn es sein muss. Andererseits aber auch deshalb, weil die Nets und ihr Head Coach es ihnen etwas leichter machen, als es sein müsste. Durch Lineups mit zwei kompletten Non-Shootern, von denen man aushelfen kann, beispielsweise. Aber auch durch die Positionierung der Shooter.

Nehmen wir diese Szene, einen der fünf Ballverluste Durants in Spiel 3. KD trifft mit dem Drive zunächst die richtige Entscheidung. Unterm Korb ist alles zu, die hintere Ecke ist nicht besetzt, weil Irving stehen bleibt, nachdem er den Ball abgibt, statt die Defense durch weitere Bewegung weiter zu beschäftigen. Er fällt damit als Anspielstation fast weg. Auch Seth Curry, der andere Shooter, ist zu (und statisch). Bruce Brown steht im Niemandsland.

Allzu viele Anspielstationen hat KD hier nicht ...
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Allzu viele Anspielstationen hat KD hier nicht ...

In seiner Bestform löst Durant diese Szene trotzdem besser und drückt vermutlich einfach einen Midrange-Jumper rein, das steht außer Frage. Aber Durant ist momentan eben nicht in Bestform und bräuchte wohl Hilfe, die ihm die Nets vielleicht verschaffen könnten, wenn sie, nun, gelegentlich Plays laufen würden. Es ist stattdessen immer wieder ein Zusehen, was der beste Spieler macht, womit die Nets Boston komplett in die Karten spielen.

Die Rückkehr von "Mr. Unzuverlässig"

Durant wirkt von Bostons Defense in einer Art und Weise irritiert, wie man es über mehrere Spiele selten gesehen hat. Eigentlich wohl nur in der 2014er Serie gegen die Grizzlies, während der er von einer Tageszeitung in Oklahoma City als "Mr. Unzuverlässig" bezeichnet wurde.

Auf diesen Unsinn antwortete er damals mit 36 und 33 Punkten und führte seine Thunder noch zum Serien-Sieg in sieben Spielen, aktuell fragt man sich aber, ob er die Chance dazu in dieser Serie noch erhalten wird. Dafür wirken die Celtics und auch Tatum zu gefestigt, zu sehr wie ein Team mit Flow und klarer Identität, also wie das Gegenteil der Nets.

Was auch daran liegt, dass sie ihre letzte vermeintliche Schwäche nun offenbar ebenfalls ausgemerzt haben. Boston war über die gesamte Saison und eigentlich auch schon davor als mieses Clutch-Team verschrien, genau hier sollten die Isolations-Könige aus Brooklyn ihre Vorteile haben.

Stattdessen haben die Celtics nun drei enge Spiele in Folge gewonnen. Tatum hat auf der Habenseite: Den Game-Winning Buzzerbeater in Spiel 1, das Comeback inklusive 29:17 im vierten Viertel in Spiel 2 (mit 7 Punkten und 4 Assists von Tatum) und 14 seiner 39 Punkte im Schlussviertel im dritten Spiel. Er hat diese Spiele nicht im Alleingang gewonnen, gerade Jaylen Brown war am Ende auch elementar, aber er hat seinem Team stets das gegeben, was es gebraucht hat, auch defensiv.

Boston Celtics: Auf einmal sogar Clutch?

Gewissermaßen räumen die Celtics so die letzten Zweifel an ihnen aus. Es ist bekannt, dass Boston über die letzten rund drei Monate das neben Phoenix beste Team der Liga war, nur die miese Bilanz in engen Spielen gab Fragen auf, auch an Tatum. 22 Niederlagen bei 35 engen Spielen sprachen eben eine klare Sprache, auf der Oberfläche zumindest.

Beim genaueren Hinschauen ließ sich feststellen, dass diese engen Spiele fast alle in der ersten Saisonhälfte kamen, in der Boston als Team noch nach seiner Identität suchte. Nach der "Transformation" gewannen die Celtics schlichtweg fast immer zu hoch, so blöd das klingt. In 2022 gab es nur noch 15 enge Spiele, also recht wenig Chancen, die neue Identität auch unter solchen Drucksituationen zu beweisen.

Das alles scheint nun kein Thema mehr zu sein. Boston verspielte zwar in Spiel 1 einen Vorsprung, womöglich hat der Game-Winner aber einen Knoten gelöst. Die Celtics machen unterm Strich bisher unheimlich viel richtig, wenn das Geld auf dem Tisch liegt, und in der Folge sehen sie wie das bisher beste Team im Osten aus.

Jayson Tatum: Ist er schon Top 5?

Und Tatum? Der sah und sieht aus wie ein Top-5-Spieler. So kontrovers ist das auch gar nicht - mit relativ großer Wahrscheinlichkeit wird er im All-NBA First Team stehen und dort den Platz einnehmen, den KD mit mehr Spielzeit ziemlich sicher bekommen hätte. Und das muss kein Einzelfall bleiben, Tatums Prime fängt gerade erst an, er ist neun Jahre jünger (14, wenn es nach Twitter geht).

JT hat deswegen noch nicht Durants Platz in der imaginären Hierarchie übernommen. Stand jetzt würde ihn auch Paul Pierce vermutlich nicht vor KD auswählen, wenn es darum ginge, den besseren Spieler zu identifizieren. Von Durant haben wir schließlich alle seit mehr als einem Jahrzehnt so konstant dominante Leistungen gesehen, dass diese bisher so schwache Serie ganz besonders hervorsticht.

Das Matchup kann Tatum trotzdem gewinnen. Ein Jahr, nachdem Boston als Play-In-Team mit einer Skelettcrew gegen die Nets (mit Harden, Kyrie und Durant!) unterging, haben sich alle Vorzeichen verändert. Tatum hat das bessere Team und den besseren Plan auf seiner Seite. Um diese Celtics zu schlagen, müsste KD mindestens sein Matchup gewinnen.

Bisher verliert er es jedoch - deutlich.

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