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NBA Draft 2020 - Killian Hayes von ratiopharm Ulm: "Er ist bereit für den Schritt in die NBA"

Killian Hayes gilt als möglicher Top-10-Pick im NBA Draft 2020.
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Killian Hayes von ratiopharm Ulm hat aus seinem NBA-Traum nie einen Hehl gemacht. Nun hat sich der 18-Jährige für den Draft 2020 angemeldet. SPOX stellt den Franzosen mit Hilfe von Ulm-Sportdirektor Thorsten Leibenath vor.

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Killian Hayes eilt seit Jahren der Ruf eines Ausnahmetalents voraus. Der Sohn einer Französin namens Sandrine und des US-Amerikaners DeRon Hayes, der selbst professionell in Europa Basketball spielte, debütierte bereits mit 16 Jahren bei Cholet in der ersten französischen Liga und ist den Scouts der NBA schon lange ein Begriff.

Hayes hatte Angebote aller möglichen NCAA-Teams, nachdem er auch mit den französischen U-Nationalmannschaften etliche Auszeichnungen und Erfolge abräumte. Auch auf Anraten seines Vaters entschied er sich jedoch für eine Karriere in Europa. Im Sommer 2019 folgte der Schritt nach Ulm, der zu einem Großteil von Hayes und seinem Berater Yann Balikouzou ausging.

Ulm spielte international und bot gleichzeitig die Möglichkeit, bereits als 18-Jähriger Starting Point Guard zu sein - in einem Umfeld, das in den vergangenen Jahren die Entwicklung vieler Talente (wie zuletzt David Krämer) entscheidend vorangebracht hat. Diese Strategie scheint auch bei ihm aufgegangen zu sein.

"Er hat sich in diesem Jahr bei uns stärker weiterentwickelt, als es zu erwarten war", lobte Ulm-Sportdirektor Thorsten Leibenath gegenüber SPOX. "Das lässt sich auch daran ablesen, wo er vor der Saison stand und wo er jetzt in den Mock-Drafts gerankt wird." ESPN etwa führt Hayes momentan auf Platz 10, fast überall wird er als Lottery-Pick projiziert. Doch wie weit ist Hayes wirklich?

Die Statistiken von Killian Hayes

WettbewerbSpielePunkteFG%3FG%ReboundsAssistsTurnover
BBL2011,649,721,83,15,33,5
EuroCup1012,845,5392,36,23,3
BBL-Pokal37,35033,32,73,71,3

Für junge Spieler nicht unüblich, war bei Hayes zu Beginn der Saison eine große Turnover-Anfälligkeit zu sehen. 3,2 Ballverluste pro Spiel sind wettbewerbsübergreifend immer noch recht viel, aber mittlerweile weit entfernt von den 5,2 Ballverlusten in den ersten fünf BBL-Spielen. Bei Hayes trafen Unerfahrenheit, ein gewisser Leichtsinn, aber auch ein enormer Druck als Lead Ballhandler und primärer Fokus der gegnerischen Defense aufeinander.

Der Ulmer Kader strotzte zudem nicht unbedingt von Spielern, die ihn im Ballvortrag entlasten konnten - gemessen daran verkaufte sich Hayes im Saisonverlauf zunehmend besser. Die Zusammenarbeit mit Head Coach Jaka Lakovic, der als europäische Aufbau-Legende ebenfalls ein Grund für Hayes' Wechsel nach Ulm war, trug dabei erste Früchte, wobei Leibenath betonte, dass es auch zu Beginn der Saison keinen zu großen Grund zur Sorge gab.

"Manche Fehler waren zwar ärgerlich, aber die Kontrolle über das Spiel hat er nie verloren. Das ist eine sehr seltene Qualität. Wenn Killian Fehler gemacht hat, hatte ich nicht das Gefühl, dass seine Mitspieler das Vertrauen in ihn verloren haben", erklärte Leibenath gegenüber SPOX, warum auch während der Saison nicht auf der Eins nachverpflichtet wurde.

Killian Hayes ist "bereit" für die NBA

Auch wenn Ulm gemessen an den eigenen Erwartungen keine gute Saison spielte: Hayes setzte immer wieder Glanzpunkte. Gegen Bamberg etwa kam er auf 24 Punkte und 5 Assists, Berlin schenkte er 20 und 10 ein. Gegen Promitheas wurde er mit 12 Punkten und 11 Rebounds zum zweitjüngsten EuroCup-Spieler nach Ricky Rubio, dem ein Double-Double gelang.

Die Stichprobe ist nach insgesamt 33 Profispielen für Ulm zwar gering, zumal es nun auf unbestimmte Zeit keine weiteren geben wird (offiziell pausiert die BBL bis mindestens 30. April); dennoch lässt sich von Hayes bereits ein vielversprechendes Profil kreieren.

"Er ist spielerisch bereit für den Schritt in die NBA", ist Leibenath überzeugt. "Wenn er jetzt im Draft bleibt, wird er einer der jüngsten Spieler seines Jahrgangs sein. Ich bin trotzdem nicht besorgt, dass der Schritt zu früh für ihn wäre. Ich traue es ihm zu, dort schnell eine Rolle zu spielen."

Killian Hayes: Stärken

  • Mit 1,96 m verfügt Hayes über eine gute Größe für einen Point Guard, gepaart mit einer herausragenden Übersicht macht ihn dies zu einem bereits jetzt fortgeschrittenen Playmaker. Er liest das Pick'n'Roll, das derzeit wohl wichtigste Play der NBA, sehr gut und sollte damit in der Association noch weitaus mehr Assists spielen können als in Ulm. Leibenath: "Er ist ein ganz beeindruckender Passgeber. Ich glaube nicht, dass es in seinem Jahrgang viele Spieler gibt mit diesen Passqualitäten."
  • Ein Schlüssel wird der Wurf sein. Die Dreierquote in der BBL deutet zwar auf eine Schwäche hin, Hayes' Wurfmechanik ist jedoch gut, was über 85 Prozent von der Freiwurflinie belegen. Und im EuroCup fiel auch der Dreier schon mehr als einmal hochprozentig. "Sein Dreier ist noch nicht ganz stabil, aber vor allem aus dem Dribbling schon eine echte Waffe. Beim Catch & Shoot hat er noch mehr Möglichkeiten, sich zu steigern", analysiert Leibenath.
  • Stabilisiert er den Jumper, bringt er offensiv ein gutes Paket mit: In Ulm hat sich sein Abschluss insbesondere innerhalb der Dreierlinie stark verbessert, er hat Floater im Arsenal und kann sich durch sein gutes Ballhandling auch Platz für Pullup-Jumper verschaffen. In der BBL traf er 63 Prozent seiner Zweipunktewürfe, das ist ein Top-Wert, gerade für einen so jungen Spieler.
  • Auch defensiv bringt Hayes eigentlich alles mit, um schnell ein Plus-Spieler zu werden. Seine Defense im Pick'n'Roll und im Teamverbund ist bereits überwiegend gut, dazu hat er ein Näschen für Steals, auch wenn er dabei manchmal ein wenig zu viel Risiko eingeht.

Killian Hayes: Schwächen

  • Auch wenn es im Verlauf der Saison besser wurde, ist hier als erstes ganz klar die Turnover-Anfälligkeit zu nennen. Ein ums andere Mal zerstörte sich der Linkshänder in Ulm selbst gute Spiele durch Ballverluste zur Unzeit, gerade athletische, langarmige Verteidiger konnten ihm zusetzen. Hier kann man davon ausgehen, dass mehr Erfahrung und mehr Playmaking an seiner Seite viele Probleme lösen können.
  • Woran Hayes zweifelsohne noch arbeiten muss, ist seine rechte Hand, denn bisher ist sein Spiel fast komplett auf die linke Hand ausgerichtet und damit teilweise etwas zu leicht auszurechnen. Dabei ist die rechte Hand "eigentlich gut", wie Leibenath erklärt: "Mit der rechten Hand hat er insgesamt einfach konservativer gespielt. Er war nicht bereit, das gleiche Risiko zu gehen wie mit links. Und dadurch war es für die Verteidigung etwas leichter, ihn unter Druck zu setzen." Es sei demnach eher eine Kopfsache als mangelnde Fähigkeiten.
  • Auch am Jumper wird Hayes noch weiter feilen müssen. Gleiches gilt für seinen Körper. Auch wenn Hayes verhältnismäßig reif für sein Alter ist, kann und muss er noch etwas kräftiger werden. Er ist bisher nur bedingt in der Lage, gegen Kontakt zu finishen, zieht daher auch nicht viele Freiwürfe. Dabei wäre er athletisch durchaus in der Lage dazu, ohne der explosivste Spieler zu sein.
  • Defensiv neigt Hayes noch zu Unkonzentriertheiten, teilweise auch gekoppelt mit einer nicht idealen Körpersprache, wofür ihn Lakovic früh in der Saison auch ein ums andere Mal früh aus dem Spiel nahm. Seine Point of Attack-Defense ist zudem nicht auf dem höchsten Niveau, auch weil er nicht über die beste laterale Geschwindigkeit verfügt. Dank seines Basketball-IQs ist er vielen Guards seines Alters (LaMelo Ball etwa) defensiv trotzdem weit voraus.

Killian Hayes: Lange wird es nicht dauern

Alles in allem bringt Hayes ein spannendes Skillpaket mit, weil nicht wirklich ein K.o.-Schwachpunkt dabei ist: Fast alle Schwächen, die er noch mitbringt, müssen auf lange Sicht keine bleiben. Für sein Alter ist er enorm weit und bringt das Potenzial mit, in ein paar Jahren tatsächlich ein recht kompletter Spieler zu sein.

Hayes könnte zudem davon profitieren, dass es eben keine designierten Superstar-Talente im kommenden Jahrgang gibt, sondern ein knappes Dutzend an Spielern, die zumindest leichte Top-5-Chancen haben - und dass es keine March Madness gibt, in der sich eine feste Hackordnung etablieren könnte. "Es ist ein sehr merkwürdiges Jahr für alle Beteiligten", sagte Leibenath.

Auch der Franzose kann darauf hoffen, dass sein Name am 25. Juni (oder wann auch immer der Draft stattfinden wird) sehr früh aufgerufen wird. In einer Liga, in der Vielseitigkeit, Spielverständnis und Playmaking auf diversen Positionen Trumpf ist, wird einer wie er ziemlich hoch im Kurs stehen.

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