NBA

Bis(s) zum letzten Mann

Von Robert Arndt
Zach Randolph wurde 2001 von den Portland Trail Blazers an 19. Stelle gedraftet
© getty

Den Memphis Grizzlies wurde nach schwachem Start, fragwürdigen Trades und schwerwiegenden Verletzungen wenig zugetraut. Das Team von Dave Joerger hat es sich hinter den großen Vier im Westen aber gemütlich gemacht und ist drauf und dran, mit der verbliebenen Rumpftruppe in die Playoffs einzuziehen.

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"Bei allem Respekt, manchmal kenne ich nicht einmal die Nachnamen meiner Mitspieler."

Diese Worte von Matt Barnes fassen die vergangenen Wochen der Grizzlies recht gut zusammen. 12 volle Saisons hat der Veteran in der NBA bereits absolviert, eine solche Spielzeit hat aber auch er noch nicht erlebt: 27 verschiedene Spieler wurden in dieser Saison bereits eingesetzt, eine Folge der massiven Verletzungsprobleme.

Ob nun Marc Gasol, Mike Conley, Zach Randolph oder Tony Allen - beinahe jeden Starter erwischte es in dieser Spielzeit. Umso erstaunlicher ist es, dass die Franchise aus Tennessee ihr Playoff-Ticket beinahe sicher gebucht hat. Mit einer Bilanz von 41-35 beträgt der Vorsprung auf die neuntplatzierten Rockets komfortable vier Siege.

Dabei begann die Saison für die anfangs noch vollständige Kapelle alles andere als optimal, herbe Heimklatschen gegen Cleveland (-30) und Golden State (-50) trübten die Stimmung erheblich und beschworen bereits das Ende der "Grit'n'Grind"-Ära heran.

Nach einer weiteren Niederlage gegen den amtierenden Champion konnte die Saison aber vorerst in die richtige Bahn gelenkt werden. Auch dank Mario Chalmers, der für Beno Udrih aus Miami geholt wurde und in Tennessee zunächst richtig starke Leistungen zeigte.

Gasol-Verletzung und Trades

Mitte Februar sah es aus, als hätte Memphis den Groove wieder gefunden - doch dann folgte der Schock: Marc Gasol brach sich den Fuß, die Saison des Spaniers war vorzeitig beendet. Die Grizzlies reagierten mit einigen Trades, die eigentlich darauf hinwiesen, dass man die Saison trotz einer 30-22-Bilanz abschenken würde:

Für Jeff Green band man sich den Problemfall Lance Stephenson ans Bein, mit Courtney Lee wurde ein zweiter Starter getradet. Die Hornets schicken im Gegenzug P.J. Hairston Richtung Süden, der bei seinem Ex-Team ebenfalls angeeckt war. Randolph, Allen, Barnes, Chris Andersen, Stephenson und Hairston in einer Truppe?!

Doch die Zweifel an der äußerst explosiven Bad-Boy-Connection verflogen schnell. Auch bedingt durch einen gnädigen Spielplan konnte Platz fünf im West zementiert werden, die Grizzlies kehrten zurück zu ihrer gewohnten Identität und kratzten, bissen und verteidigten einfach noch um einige Prozentpunkte mehr.

Anfang März setzte sich die Misere jedoch in fast schon komischer Weise fort, beinahe jedes Spiel folgte eine neue Verletzung. Conley entzündete sich die Sehne und fehlt bis heute, Ersatz Chalmers riss sich gar die Achillessehne und wurde umgehend vom Team gewaived. Wichtige Rotationsspieler wie Andersen, Randolph, Vince Carter oder Stephenson mussten vermehrt im Anzug am Spielfeldrand Platz nehmen.

Z-Bo mit erstem Triple-Double

Allein im März wurden sieben neue Spieler für zehn Tage oder länger unter Vertrag genommen, darunter Akteure, die zuvor noch keine Minute auf dem NBA-Parkett gestanden hatten. Unter Anleitung der Veteranen machten Neulinge wie Briante Weber, Xavier Munford oder Jarell Martin einen ordentlichen Job und halfen einem dezimierten Team zu dem einen oder anderen Sieg, darunter sogar Statement-Wins über die Cavaliers und Clippers.

Alles überragend in dieser Phase? Z-Bo! Nach der Rückstufung auf die Bank Mitte der Saison hat der Lefty nach der Gasol-Verletzung die Form wiedergefunden. Nun zumeist auf Center, bildet Randolph im Low- oder Highpost den Dreh-und Angelpunkt der Offense. Im Spiel gegen die Clippers gelang ihm dabei sein erstes Triple-Double überhaupt - in seiner 15. Spielzeit.

Ist Randolph auf der Bank, übernimmt Stephenson das Kommando. Trotz fehlendem Wurf von außen (35% Dreierquote bei nur rund 70 Versuchen), bringt er den Griz die benötigte Offense, auch wenn er oft den Ball zu lang in den eigenen Händen hält. Doch mit der Energie und Leidenschaft von Born Ready holte sich Memphis bereits in das eine oder andere verloren geglaubte Spiel zurück. Dabei agiert Stephenson eher als Spielmacher, ähnlich wie zu seinen besten Zeiten bei den Pacers.

Neue offensive Impulse

Neben ihm bekamen auch Rollenspieler wie Barnes und Allen mehr Verantwortung übertragen. Die beiden Defensivspezialisten finden sich in ihren neuen Offensivrollen überraschend gut zurecht. Genau wie Z-Bo zuvor legte Barnes unlängst das erste Triple-Double seiner Karriere auf.

Auch bei Allen war es auf einmal keine Seltenheit mehr, dass mehr als 20 Punkte auf dem Spielberichtsbogen auftauchten. Im Staples Center gegen die Lakers konnte der Grindfather etwa jeden seiner zwölf Würfe im Korb unterbringen. Der letzte Guard, dem das gelang, war Gary Payton vor über 20 Jahren.

Rotationsmaschine läuft

Trotz dieser vereinzelten Highlights ist und bleibt der Kader ohne seine beiden besten Spieler ein Flickenteppich. Umso höher ist das Geleistete der Grizzlies einzuschätzen, wenn wir uns in der aktuellen NBA umschauen (Hallo, New Orleans!). Die 27 eingesetzten Spieler sind rekordverdächtig, nur die Mavericks ließen 1996/97 mehr Spieler auf den Court. Die Playoffs wurden damals aber klar verpasst.

Überhaupt liegt der Rekord für Spieler, mit denen die Postseason erreicht wurde, bei 23 Akteuren (zuletzt schafften das die Cavs 2006/07). Allein seit dem All-Star-Break schickten die Grizzlies elf verschiedene Startformationen auf den Hardwood - zusammen verpassten Gasol, Conley & Co. mehr als 250 Saisonspiele.

Memphis taumelt mehr oder weniger dem Saisonende entgegen. Die vergangenen fünf Spiele wurden allesamt verloren. Conley wird voraussichtlich zu den Playoffs - wenn man sie denn erreicht - wieder mitwirken können, der Zeitpunkt ist aber noch ungewiss. Derzeit ist man an der Beale Street wohl einfach froh, dass die Saison bald rum ist und man wahrscheinlich nicht mehr abgefangen werden wird.

Alles Weitere wird davon abhängen, wie schnell sich das Lazarett lichtet. Dass Memphis ein sehr unangenehmer Gegner sein kann, ist in der Association hinlänglich bekannt, besonders beim aktuell möglichen Playoff-Gegner - den Clippers! Sie werden kämpfen - bis(s) zum letzten Mann.

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