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"Wir laufen nicht vor Miami davon"

Von Max Marbeiter
Center Joakim Noah spielt seit 2007 für die Chicago Bulls in der NBA
© getty

Trotz aller Widrigkeiten sind die Bulls ein Playoff-Team und ihr Center spielt wie ein MVP-Kandidat. Joakim Noah sprach nach dem Overtime-Krimi gegen die Miami Heat mit SPOX über eine mögliche Serie gegen den Meister, seinen grimmigen Coach, Gerüchte und die Bedeutung des Trikots der Chicago Bulls.

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SPOX: Joakim Noah, das Spiel gegen Miami wirkte ganz sicher nicht wie ein ganz normaler Regular-Season-Sieg Anfang März.

Joakim Noah: Auf jeden Fall! Es ist einfach immer wieder unglaublich, vor diesen Fans zu spielen. Man kann die Intensität im Gebäude fühlen, gerade gegen ein Team wie Miami. Es gibt nicht viele Hallen in der Liga, in denen man so etwas erleben kann. Das hatte definitiv Playoff-Atmosphäre. Für so etwas spielt man Basketball.

SPOX: In den Playoffs könnte Ihnen tatsächlich eine Serie gegen die Heat bevorstehen. Freuen Sie sich darauf? Die Heat scheinen Ihnen ja zu liegen: Letzte Saison beendeten Sie deren 27-Spiele-Siegesserie, diesmal fügten Sie ihnen die dritte Niederlage in Folge zu.

Noah: Das stimmt. Für so ein Spiel muss man sich ja nicht extra motivieren. Sie haben, was wir haben wollen: Einen Ring. Es ist uns bewusst, dass wir früher oder später an ihnen vorbei müssen, wenn wir einen Titel holen wollen. Wir wollen diese Herausforderungen und laufen nicht davor weg. Wir sind ein selbstbewusstes Team und wissen, dass wir auch Teams wie Miami schlagen können, wenn wir alles abrufen.

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SPOX: Sie selbst scheinen in solchen Spielen noch einmal besonders motiviert zu sein. Spielt das Privileg, für die Chicago Bulls zu spielen, dabei eine Rolle?

Noah: Es macht mich einfach extrem stolz, dieses Trikot zu tragen, bei der ganzen Historie dieser Franchise. Das ist etwas ganz Besonderes. Unser Logo ist eines der berühmtesten auf der Welt, und vor diesen Fans spielen zu dürfen, ist für mich eine extrem große Ehre.

SPOX: Ist es dieser Stolz, der Ihnen Energie verleiht? Bei den ganzen Problemen in dieser Saison, wie beispielsweise der erneuten Verletzung von Derrick Rose oder dem Trade von Ihrem guten Freund Luol Deng, hätte man den derzeitigen Erfolg (momentan Rang 4 im Osten, Anm. d. Red.) ja kaum erwarten können?

Noah: Ja, der Stolz spielt auf jeden Fall eine wichtige Rolle. Dass wir immer noch so gut dastehen und vielleicht den Heimvorteil, zumindest in der ersten Runde, bekommen können, hat viel damit zu tun, dass wir dieses Trikot tragen. Jeder in unserem Team ist sich unserer Bedeutung für die Stadt Chicago und der Verantwortung, die diese mit sich bringt, bewusst. Diese Widrigkeiten: So etwas passiert eben im Sport, man darf sich davon nicht fertig machen lassen.

SPOX: Durch Verletzungen und den Trade bekommen Youngster wie Tony Snell diese Verantwortung reichlich früh ab...

Noah: Wir haben viele junge Spieler, denen es hilft, auf diesem Level mit einer solchen Intensität zu spielen, da sammelt man ganz wichtige Erfahrungen. Das ist auch im Hinblick auf die Zukunft essenziell, weil wir hier etwas Großes aufbauen wollen. Im Sommer kommt unser MVP Derrick Rose zurück, außerdem vielleicht der eine oder andere Free Agent...die Aussichten sind mit Sicherheit nicht schlecht!

SPOX: Free Agent ist ein gutes Stichwort. Zuletzt machten ja Gerüchte die Runde, Sie hätten sich um Carmelo Anthony bemüht. Sie haben das aber als "Geschwätz" abgetan...

Noah: (lacht) Ja. Das ist es auch...

SPOX: Bei den Big-Market-Teams wie Chicago, New York oder den L.A. Lakers gehören Gerüchte allerdings irgendwie dazu. Wie gehen Sie damit um, ohne den Fokus auf die Saison an sich zu verlieren?

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Noah: Naja, das ist ja nicht mein erstes Rodeo. (lacht) Ich falle darauf nicht mehr herein und lasse mich auch nicht davon blenden. Aber das ist schon in Ordnung, ich muss es akzeptieren. Irgendwie ist es natürlich auch aufregend. Was dann wirklich passiert, sehen wir, wenn es soweit ist. Während der Saison interessiert mich das aber alles nicht.

SPOX: Mit D.J. Augustin haben die Bulls während der Saison bereits einen Free Agent verpflichtet (seit Mitte Dezember bei den Bulls, Anm. d. Red.). Er scheint die große Bühne zu mögen und ebenfalls ein stolzer Spieler zu sein. Passt er vielleicht auch deshalb so gut nach Chicago?

Noah: D.J. ist ein Kämpfer und passt daher sehr gut zu uns. Bei ihm gibt es neben dem Stolz, das Bulls-Jersey zu tragen, aber noch andere Gründe: Er war mal ein Lottery-Pick und wurde von Anfang an mit hohen Erwartungen konfrontiert, die er aber nicht immer erfüllen konnte. Er ist in den letzten Jahren viel herumgekommen. Teilweise durfte er kaum noch spielen, dieses Jahr wurde er von den Toronto Raptors sogar entlassen! Hier hat er endlich wieder die Möglichkeit bekommen, seine Fähigkeiten zu zeigen, und hilft uns enorm. Dank unserer guten Teamchemie hat er auch fast keine Eingewöhnungszeit benötigt.

SPOX: Er ist zudem ein weiteres Beispiel für einen Spieler, der vorher gelinde gesagt nicht gerade für seine Defense berühmt war, der in Ihrem System aber gut zurechtkommt. Was ist der Grund dafür, dass Sie vermeintlich schwache Verteidiger wie ihn oder im letzten Jahr Marco Belinelli und Nate Robinson so gut und schnell integrieren können?

Noah: Thibodeau! Das ist sein Einfluss. Er setzt alles daran, die Neuen perfekt mit unserem System vertraut zu machen.

SPOX: Teilweise wirkt er jedoch ein wenig griesgrämig...

Noah: (lacht) Das ist er auch, immer grimmig.

SPOX: Zu Ihnen scheint das aber gut zu passen.

Noah: Er ist schon teilweise ein harter Hund, aber er ist ein großartiger Coach. Er ist so besessen von Basketball, dass es teilweise so wirkt, als gäbe es nichts anderes für ihn. Defense, Defense, Defense. Er fordert immer 100 Prozent. Da gerät man natürlich auch teilweise aneinander, aber ich weiß bei ihm, dass es ihm immer darum geht, uns eine Siegchance zu geben, und dass ihm viel an uns liegt.

SPOX: "Wir haben genug, um zu gewinnen" ist gewissermaßen sein Mantra. Das scheint auf das komplette Team abgefärbt zu haben.

Noah: Ja, das sagt er immer wieder. Und ich rechne es dem Team hoch an, dass jeder das für sich verinnerlicht hat. Manchmal verliert man Jungs, aber solange man sich sein Feuer, seine Energie beibehält, kann man in der Regel trotzdem jedes Spiel gewinnen.

SPOX: Die vorher von Ihnen angesprochene Teamchemie spielt dabei sicherlich auch eine Rolle. Ihr Neuzugang Jimmer Fredette äußerte SPOX gegenüber, dass die Bulls wie eine große Familie wirken. Geht Ihnen das auch so?

Noah: Keine Frage. Deswegen haben wir uns auch alle so gefreut, als Jimmer bei seinem Debüt direkt den ersten Jumper getroffen hat. Hat man dieses Gefühl nicht, spielen Jungs für sich selbst und kümmern sich nicht um das Team. Wir müssen eine Familie sein, um Erfolg haben zu können. Anders geht es im Mannschaftssport einfach nicht.

Der Kader der Chicago Bulls

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