"Becker macht einen exzellenten Job"

Boris Becker will mit Schützling Novak Djokovic den nächsten Wimbledon-Sieg einfahren
© getty

Es ist wieder Wimbledon-Time! Im All England Lawn Tennis and Croquet Club startet am Montag (alle Infos ab 12.30 Uhr in Rund um Wimbledon) das berühmteste Tennisturnier der Welt. SPOX sprach mit Trainerlegende Nick Bollettieri über die Big Four, neue US-Stars am Horizont, Sabine Lisickis Problem und seine schönsten Wimbledon-Erinnerungen.

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SPOX: Nick, Sie sind jetzt bald 84 Jahre alt und waren in Ihrem Leben schon so oft in Wimbledon. Was sind eigentlich Ihre schönsten Erinnerungen aus all den Jahren?

Nick Bollettieri: Das kann ich Ihnen genau sagen. Es gibt vor allem zwei Momente, die ich im Zusammenhang mit Wimbledon niemals vergessen werde. 1987 spielte Andre Agassi als 17-Jähriger zum ersten Mal in Wimbledon mit und traf in der ersten Runde auf Henri Leconte.

SPOX: Und er bekam eine brutale Klatsche. 2:6, 1:6, 2:6.

Bollettieri: Richtig. Nach dem Match hatte ich noch nicht einmal die Zeit, um mich hinzusetzen, da kam Andre schon an und sagte: 'Hier werde ich nie mehr spielen, dieser Rasen ist für Kühe.' Wir kehrten in den nächsten Jahren ja tatsächlich nicht zurück, umso spezieller war es dann für mich, als Andre 1992 nacheinander Boris Becker und John McEnroe schlug, im Finale Goran Ivanisevic besiegte und Wimbledon-Champion wurde. Und das als Baseliner! Das war sensationell und wird für immer einer meiner schönsten Momente bleiben.

SPOX: Sie sprechen es: 1992 gewann Agassi gegen Becker. 1995 im Halbfinale hatte das Match den umgedrehten Ausgang - und Sie saßen in der anderen Box.

Bollettieri: Dieser Sieg als Coach von Boris gehört ohne Zweifel auch zu meinen Highlights. Generell haben viele meiner schönsten Erinnerungen mit deutschen Spielern zu tun. (lacht) Ob es Boris war, der Halbfinal-Einzug von meinem Jungen Tommy Haas 2009, oder natürlich das Finale von Sabine Lisicki vor zwei Jahren.

SPOX: Wenn wir bei Haas und Lisicki bleiben. Bei Lisicki wartet man weiter auf den wirklichen Durchbruch, sie stand in Ihrer Karriere trotz der Wimbledon-Erfolge und des unbestrittenen Potenzials noch nie in den Top 10. Was ist aus Ihrer Sicht Ihr größtes Problem?

Bollettieri: Es ist ganz einfach: Sabines Problem ist die fehlende Konstanz. Sabine hat das Potenzial zur Top-5-Spielerin in der Welt. Aber um eine Top-5-Spielerin zu sein, darfst du keine Matches gegen Gegnerinnen verlieren, gegen die du mit deiner Klasse nicht verlieren solltest. Sabine hat die Schläge, um ganz oben zu stehen. Wenn sie irgendwann von der Mentalität auf das gleiche Niveau kommt wie von den Schlägen, wird sie auch in den Top 5 stehen.

SPOX: Tommy Haas hat sich jetzt mit 37 Jahren gefühlt das tausendste Mal auf sehr beeindruckende Art und Weise zurückgekämpft und ist in Wimbledon nochmal am Start. Wie stolz sind Sie auf ihn?

Bollettieri: Tommy ist ein ganz besonderer Sportler und Mensch. Nur sehr wenige sind imstande, das zu leisten, was er mit 37 Jahren jetzt wieder gezeigt hat. Ich sage es mal so: Wenn die Welt aus mehr Tommy Haas' bestehen würde, die niemals aufgeben und diesen bärenstarken Willen haben, dann wäre die Welt eine viel bessere. Die Welt braucht mehr Menschen wie Tommy.

SPOX: Lassen Sie uns auf das Turnier vorausblicken und einen kleinen Favoritencheck machen. Wenn Roger Federer noch einmal einen Grand-Slam-Titel einfährt und sein Konto auf 18 erhöht, dann in Wimbledon. Würden Sie dieser These zustimmen?

Bollettieri: Absolut. Roger fühlt sich nirgendwo so wohl wie auf dem Rasen von Wimbledon, auch wenn die Bedingungen über die Jahre so viel langsamer geworden sind. Damit Roger eine Chance auf den Titel hat, muss er vor allem zwei Wochen lang sehr gut aufschlagen. Das ist der Schlüsssel. Dazu muss er den Weg ans Netz suchen. Ich glaube nicht, dass er Wimbledon von der Baseline nochmal gewinnen kann, das wird nicht funktionieren. Er muss hervorragend servieren und gut variieren, also auch immer wieder Stopps einstreuen. Wenn wir Paris mal außen vor lassen, dann spielt Roger seit Monaten überragendes Tennis. Die Möglichkeit für einen weiteren Triumph ist sicher da, aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass es inzwischen bestimmt sechs, sieben, acht Leute gibt, die das Turnier gewinnen können. Es gibt einfach keine leichten Matches mehr bei den Herren. Du musst vom ersten Tag an dein bestes Tennis spielen, sonst fliegst du sofort raus. Aber ich würde es Roger sehr gönnen, wenn er es noch einmal packt. Roger ist mit seiner Persönlichkeit der Inbegriff dafür, wofür Tennis stehen sollte, auf und außerhalb des Courts. Es gibt kein besseres Vorbild für Kinder als Roger Federer.

SPOX: Novak Djokovic geht als Titelverteidiger an den Start, musste aber jetzt in Paris die riesengroße Enttäuschung des verpassten Karriere-Grand-Slams verdauen.

Bollettieri: Seien wir ehrlich: Djokovic hatte das Pech, dass er auf einen Stan Wawrinka traf, der an diesem Tag alles getroffen hat. Niemand hätte ihn geschlagen. Aber ich glaube auch, dass Djokovic diesen French-Open-Sieg zu sehr wollte. Wenn du im Leben oder im Sport etwas unbedingt mit aller Macht zu erreichen versuchst, schadet es dir manchmal mehr, als es dir nutzt. Das war bei Novak der Fall. Er wollte diesen Sieg einen Tick zu sehr.

SPOX: Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach der Einfluss, den Boris Becker auf Djokovic hat?

Bollettieri: Boris macht einen exzellenten Job als Coach von Novak. Warum? Weil er nicht versucht hat, das Spiel von Novak großartig zu verändern. Boris hat die Fähigkeit, die kleinen Dinge zu erkennen und an Novak weiterzugeben. Eine Nuance hier, eine Nuance da, mehr braucht es gar nicht. Außerdem verleiht allein die Anwesenheit von Boris in seiner Box Novak jede Menge Selbstvertrauen. Die beiden haben aus meiner Sicht eine hervorragende Beziehung und bilden eine super Partnerschaft.

Seite 1: Bollettieri über Haas, Lisicki und seine schönsten Wimbledon-Erinnerungen

Seite 2: Bollettieri über Nadal, Murray und neue US-Stars am Horizont

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